Kristina C. Stauber

Das Leuchten der Sterne in uns - Teil Eins: Aufbruch


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muss enden, das Papier geht tsu ende, die Kertse auch. Ich denke viel an Dich, Ellini, auch wenn ich hier schon ein paar nette Mädels kennengelernt habe, so bleibst Du doch immer meine beste Freundin, nur damit Du’s weißt.

       Alles Gute, ich umarme Dich, für immer die Deine

       Jane

      Eleonore ließ den Brief sinken. Die gute Jane... „Komm mit deiner guten Mama zu uns, das wäre doch famos.“ So einfach nahm sie manche Dinge. Andererseits, sie und ihre Familie hatten es ja auch gewagt. Ihr Vater hatte seine ganzen Ersparnisse zusammengekratzt und hatte sich und seine Familie nach Amerika eingeschifft. Es hieß, dort gäbe es immer Arbeit. Angeblich ging es dort gerechter zu. Die Turners hatten schon für die Überfahrt gespart, als Eleonore und ihre Mutter damals in London angekommen waren. Eleonore erinnerte sich genau, denn die Vorstellung, man könne noch weiter ziehen als in die große Stadt London, ging damals über ihr Vorstellungsvermögen hinaus.

      Die Zeiten waren hart. So waren Jane und Eleonore vier Jahre Freundschaft vergönnt geblieben, bevor die Passagen hatten erworben werden können. Vier Jahre, in denen sie unzertrennlich geworden waren, die eine von der anderen gelernt hatte und in denen sie jede freie Minute miteinander verbrachten.

      Jane fehlte ihr und auch ihre ganze lärmige Familie.

      Eleonore steckte den Brief in ihre kleine Kiste, in der sie ihre kostbaren Dinge aufbewahrte: Ein Samtband für die Haare, eine hübsche aber wertlose Brosche, die Briefe von Jane und etwas gespartes Geld.

      Dann gesellte sie sich zu ihrer Mutter und Tante in die stickige Wohnküche.

      Tante Mary rückte einen weiteren Stuhl an den Tisch und schob ihr einen Teller dampfende Suppe hin.

      Ihr Cousin Peter, ein ungelenker Fünfzehnjähriger, schlürfte bereits vernehmbar seine Ration. Mary schien zu müde, um ihn zu ermahnen, obwohl sie sonst so viel Wert auf diese Dinge legte.

      „Ist Onkel Wilbur noch unterwegs?“

      Bevor sie antwortete, teilte Mary die restlichen Portionen der dünnen Suppe aus und gab sie Cathleen und Jonathan, den dreizehnjährigen Zwillingen, die ausnahmsweise ruhig und nicht zankend dasaßen.

      „Ja, er hat eine Fuhre nach Greenwich rüber, das wird wohl spät heut’.“

      „Was schreibt Jane, geht es ihnen gut?“, erkundigte sich die Mutter.

      Jonathan verdrehte die Augen in dramatischer Weise und gab dann im Brustton eines königlichen Ausrufers zum Besten: „Hört, ihr Leute, Jane Turner ist ‘ne Amerikanerin, Jane is ‘ne Amerikanerin!“

      Eleonore ignorierte ihn schlichtweg und antwortete: „Ja, sie scheinen alle wohlauf zu sein.“

      Kurz setzte sie an zu erzählen, dass Jane sie gefragt hatte, ob sie nicht nachkommen wolle. Aber dann behielt sie die Idee für sich, denn sie hatte selbst noch nie ernsthaft darüber nachgedacht.

      Schweigend löffelten sie ihre Suppe, nur unterbrochen von Peters Geschlürfe und dem gelegentlichen albernen Gekicher der Zwillinge.

      II.

      Der März ging in einen verregneten April über. Das Wetter drückte auf jedermanns Stimmung. Selbst die Osterfeiertage waren verregnet.

      Aus einer Laune heraus hatte Eleonore bei ihrer Antwort auf Janes Brief nachgehakt, wie das denn funktionieren solle, mit einer Anstellung und ob es denkbar sei, dass sie dort als Gouvernante arbeiten würde? Sie hatte gehört, in Amerika sei vieles so anders, so viel einfacher, weniger festgefahren.

      Ansonsten hatte sie nicht viel zu berichten gewusst.

      Was sollte sie auch schreiben? Jane erlebte ja so viel mehr in der Neuen Welt. Eleonore erzählte von der neuen Stelle, aber die merkwürdige Begegnung mit dem jungen Bradford und die Abmachung mit den Büchern ließ sie unerwähnt. Was gab es da auch schon zu erzählen? Er hatte ihr einmal ein Buch geliehen und schon hatte er seinen großen Plan wieder vergessen, denn seitdem hatte sie ihn weder gesprochen noch zu Gesicht bekommen. So hatte das Ganze sie lediglich in ihrer Vermutung bestärkt, dass er sich durch seine kleine heimliche Tat fürchterlich edelmütig fühlte, dann aber zu seinem Tagesgeschäft übergegangen war.

      Sie hatte ein paar Besorgungen für die Köchin erledigen müssen und so die Zeit für einen Abstecher zum Postamt genutzt, um den Brief an Jane auf die Reise zu bringen.

      Nun trat sie aus dem Gebäude, in dem die Feuchtigkeit, die von den vielen Menschen hereingetragen worden war, nasskalt in der Luft hing. Sie zog die Kapuze des schweren Wollcapes über den Kopf, um durch den strömenden Regen zurück zum Bradfordschen Anwesen zu eilen. Um diese Zeit waren die Straßen trotz des Wetters voll.

      Eine Droschke, die an ihr vorbei fuhr, spritzte schlammiges Wasser auf. London war bei dieser Witterung mehr als trist.

      Seufzend schüttelte sie sich, froh, als sie endlich wieder in der Wärme des Anwesens zurück war.

      Die Hausdame saß bei einer guten Tasse Tee in der Küche und überwachte mit gewohnt strengem Blick das Treiben um sich herum.

      „He da, Eleonore“, rief sie aus, als sich diese an ihr vorbeistehlen wollte.

      „Solltest du nicht längst die Böden wienern? Ich meine mich zu erinnern, dass das die Aufgabe ist, die ich dir heute Morgen zugeteilt hatte.“

      Eleonore schluckte. „Ja, Ma’am, es ist nur...“

      Sally ging dazwischen. „Es ist gut, Ms Cunningham, ich brauchte noch dringend Eier, die alten waren nicht mehr frisch genug für das Soufflé, da habe ich sie schnell losgeschickt.“

      Ms Cunningham zog die Nase kraus und warf beiden einen missbilligenden Blick zu. „Nun gut! Dann aber sofort ab an die Arbeit.“

      Eleonore lieferte die Einkäufe ab, rechnete das Wechselgeld auf den Penny genau vor und band sich ein Tuch um die Haare, um dann einen schweren Kessel auf den Herd zu setzen und das Putzwasser vorzubereiten.

      „Fang oben an, die Herrschaften sind allesamt außer Hauses. Dann störst du niemanden!“, rief ihr die Hausdame hinterher.

      Eleonore polterte mit dem schweren Eimer und dem Schrubber ausgerüstet den Gesindeaufgang hinauf und betrat den Flur mit den Privatgemächern von der hinteren Seite. Sie fing mit den Räumen gleich zu ihrer Linken an.

      Es herrschte eine ziemliche Unordnung dort. Nur der Schreibtisch war übersichtlich und aufgeräumt. Es musste der Raum von Jacob Alexander Bradford sein, mutmaßte sie.

      „Fang oben an, dann störst du niemanden“, äffte sie ärgerlich Ms Cunningham nach, während sie alles unsanft abstellte. Im gleichen Ton fuhr sie fort, machte ihrem Unmut Luft, der plötzlich in ihr aufgestiegen war.

      „Aber ja, Ma’am. Bitte jetzt, bitte gleich, bitte sofort!“, führte sie die imaginäre Konversation fort und hängte gleich noch einige gemurmelte Flüche dran, die eines Bierkutschers würdig gewesen wären und die sie allesamt von Jane gelernt hatte. Dann endete sie mit einer unfeinen Bemerkung über den unglaublichen Saustall, den sie jetzt aufzuräumen hatte.

      „Wie meinen?“, durchbrach da eine männliche Stimme ihre Tiraden.

      Sie fuhr herum. Dabei stolperte sie fast über den Schrubber, der hinter ihr lehnte, wich dem Eimer aus, und fiel dem Sohn des Hauses direkt in die Arme.

      „Hoppla“, brachte der überrascht hervor und fing sie ungeschickt auf. Sie fühlte für den Bruchteil einer Sekunde seinen Atem an ihrer Wange und spürte seinen athletisch anmutenden Oberarm durch den feinen Stoff seines Hemdes hindurch. Wieder einmal wurde sie rot: Weil er sie womöglich über Ms Cunningham hatte herziehen hören, weil er sie mit Sicherheit hatte fluchen hören, und weil sie sich wie ein ungeschickter Tollpatsch verhalten hatte. Sobald sie wieder sicher stand, ließ er sie umgehend los. Sie knickste schnell. „Entschuldigung Sir, ich...“

      Er hob abwehrend die Hände, zuckte mit den Schultern. Dabei