Dieter Landgraf

Sandras Rache


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und versucht erneut, ihren Mund zu küssen.

      „Bitte unterlassen sie das … es geht um etwas Ernstes … ich bin schwanger … das Kind kann nur von ihnen sein … ich weiß es einhundertprozentig.“

      Dr. Apenzeller schaut sie verdutzt an und lacht höhnisch: „Du willst mir wohl etwas unterjubeln … aber nicht mit mir … ich möchte nicht wissen, mit wem du noch geschlafen hast … und jetzt soll ich den Zahlmeister spielen … außerdem kannst du es dir wegmachen lassen … alles kein Problem … sollten Kosten auf dich zukommen … darüber brauchst du dir wirklich keine Gedanken zu machen … die übernehme ich selbstverständlich.“

      Die Art und Weise seiner Reaktion empfindet Paula Pattberg abstoßend und widerlich. Mit einem Male wird ihr klar, dass der wegen seiner fachlichen Kompetenz geachtete Wissenschaftler in seinem Privatleben ein kleiner mieser Frauenverführer ohne Achtung und Anstand ist.

      „Wer eine solch empfindungslose und abfällige Bemerkung zu einer Schwangerschaft macht … den finde ich einfach ekelhaft und unerträglich“, erwidert sie ihm.

      „Nun stell dich doch nicht so an … immerhin gehören bei einer solchen Geschichte immer Zwei dazu … also … wollen wir nicht lieber dort weitermachen, wo wir neulich aufgehört haben … oder hat es dir etwa nicht auch Spaß gemacht.“

      „Da muss ich sie enttäuschen … leider hatte ich an dem Abend zu viel Alkohol getrunken … und sie haben meinen Zustand schamlos ausgenutzt.“

      „Ich doch nicht … so etwas würde mir gar nicht in den Sinn kommen.“

      „In diesem Fall scheint ihr Gedächtnis wohl eine riesige Lücke zu haben … wer hat denn gesagt, dass er sich wegen mir von seiner Frau trennen wird und ich die einzige Frau in seinem Leben sei, die er je so begehrt hat … oder war an dem Abend im Park noch eine dritte Person anwesend?“

      „Na, hör mal … das sagt man in solch einer Situation einfach … du kannst doch nicht glauben, dass ich solch einen Quatsch ernst gemeint habe.“

      „Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr … wenn man es nicht

      ernst meint, sollte man es auch nicht sagen … aber sicher bin ich nicht die Erste gewesen, der sie solche Sachen ins Ohr geflüstert haben … ihre Frau kann einem richtig leid tun.“

      „Verdammt, was geht dich meine Frau überhaupt an … der kannst du nicht das Wasser reichen … und für mich bist du nicht mehr, als ein kleiner Zeitvertreib … oder soll ich lieber sagen: Ein kleines niedliches Spielzeug?“

      „Wie kann ein Mensch nur so widerlich sein … ich verspüre absolut kein Interesse, mich weiter mit ihnen zu unterhalten … eine Gewissheit gebe ich ihnen mit auf den Weg: Eine Abtreibung kommt für mich nicht in Frage und Geld von ihnen anzunehmen ebenso nicht … da sie ein so widerwärtiger Mensch sind und nicht das mindeste Ehrgefühl besitzen bin ich mir sicher, dass weder ich noch mein Kind sie jemals vermissen werden.“

      Als Reaktion auf ihre Worte hat er nur ein hämisches Grinsen übrig. Voller Abscheu wendet sie sich von ihm ab und geht raschen Schrittes davon. Er ruft ihr noch einige unflätige Worte hinterher, die sie aber schon bald nicht mehr erreichen. Sehr schnell ist Paula Pattberg außer Hörweite und in der Dunkelheit verschwunden. In ihrem Zimmer nimmt sie ihr Tagebuch zur Hand und notiert das so eben Erlebte. Voller Wut und Enttäuschung schreibt sie nicht nur die hässlichen Worte auf, die er ihr so unverblümt ins Gesicht gesagt hat, sondern beschreibt auch seine abstoßende Gestik und Mimik, mit denen er diese begleitete. Paula Pattberg ist mit ihrem Problem völlig allein. Die Schwangerschaft verheimlicht sie gegenüber ihren Kommilitonen und auch gegenüber ihren Eltern. Von riesigen Zweifeln geplagt, ob sie die Erziehung ihres Kindes gegenwärtig überhaupt bewältigen könnte, entschließt sie sich, das Kind nach der Geburt für eine Adoption freizugeben. Darüber hat sie sich sachkundig gemacht. Gegenüber der Mitarbeiterin vom Jugendamt äußert sie nur eine Bitte – die Adoptiveltern sollen ihre Tochter mit dem Zweitnamen Paula nennen. Unter Tränen übergibt sie der äußerst verständnisvollen und mitfühlenden Beamtin ein Medaillon mit ihrem Bild. Sie wünscht, dass es ihrer Tochter am sechzehnten Geburtstag ausgehändigt wird. Die Kollegin vom Jugendamt beteuert, dass die Adoptiveltern sorgfältig ausgewählt werden und ihr kleines Mädchen sicher und behütet aufwachsen wird. Nächtelang weint sie verzweifelt in ihr Kopfkissen. Zu gerne hätte sie das kleine Baby in ihren Armen gehalten. Doch sie weiß, dass ihre Entscheidung die einzig Richtige für das Wohl ihres Kindes ist. Sie könnte im Moment nicht die fürsorgliche Mutter sein, die solch ein kleiner Säugling aber dringend benötigt. Schließlich tröstet sie sich mit der Vorstellung, dass ihre Tochter irgendwann einmal Kontakt mit ihr aufnehmen wird – auch wenn es bestimmt noch viele, viele Jahre dauern wird.

      Das Adoptivkind

      Die Adoptiveltern, Felicitas und Jörg Kuhlmann, akzeptieren den Wunsch der Mutter und das kleine Mädchen wird auf den Namen Sandra Paula getauft. Durch die nicht leiblichen Eltern erfährt Sandra viel Liebe und Zuwendung und sie wächst in einer sorgenfreien Umgebung am Rande der Großstadt in einem Einfamilienhaus auf. Von Felicitas wird sie wie ein Kind von eigenem Fleisch und Blut umsorgt. In den ersten Jahren muss Sandra oftmals getröstet werden, wenn sie vor allem von den Jungs wegen ihrer roten Haare und den Sommersprossen verspottet wurde. Doch mit den Jahren werden solche Vorfälle immer weniger. Schon mit zwölf Jahren ist sie eines der hübschesten Mädchen nicht nur in ihrer Schulklasse. Ihre grünen Augen sprühen einen unwiderstehlichen Reiz aus. So bleibt es nicht aus, dass sie viele Verehrer hat. Zur Freude von Felicitas scheint es ihr jedoch gleichgültig zu sein. Ihre Leidenschaft ist der Sport. Schon bald gehört sie zu den wertvollsten Spielerinnen ihrer Basketballmannschaft. Jörg Kuhlmann begleitet sie an den Wochenenden zu jedem Spiel. Obwohl er der Adoption anfangs doch eher skeptisch gegenüberstand, ist ihm Sandra im Laufe der Jahre regelrecht ans Herz gewachsen. Schon lange fühlt er sich nicht wie ein Adoptivvater sondern betrachtet Sandra wie seine eigene Tochter. An ihrem sechzehnten Geburtstag nimmt Jörg Kuhlmann das von Paula Pattberg übergebene Medaillon aus der Schatulle und sagt zu Felicitas: „Heute ist der Tag, an welchem Sandra das Recht hat, über ihre leibliche Mutter informiert zu werden … also sagen wir es ihr.“

      „Um Gottes Willen … nein … wir wissen ja nicht, wie sie darauf reagieren wird … wenn sie sich nun von uns abwendet … das könnte ich nicht ertragen“, sagt sie und hat regelrecht mit den Tränen zu kämpfen.

      Jörg Kuhlmann nimmt seine Frau liebevoll in die Arme. Entgegen seiner inneren Überzeugung äußert er:

      „Wir müssen es ihr nicht unbedingt heute mitteilen … wenn du dazu Bedenken hast … dann verschieben wir es eben auf später.“

      Erleichtert atmet Felicitas Kuhlmann auf.

      „Ich weiß doch, dass es ihr irgendwann einmal gesagt werden muss … aber lass mir damit noch ein wenig Zeit … ehrlich gesagt … ich habe regelrecht Angst davor.“

      Sie nimmt das Medaillon in die Hand und öffnet das kleine Deckelchen und sagt: „Weißt du … Sandra sieht nicht nur ihrer Mutter ähnlich … man könnte denken, es ist ein und dieselbe Person.“

      Neugierig kommt Jörg Kuhlmann näher und bemerkt: „Tatsächlich … die langen roten Locken und die niedlichen Sommersprossen … sie ist ihrer richtigen Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.“

      „Was heißt hier „richtige Mutter“ … die bin immer noch ich … oder wer hat sie denn aufgezogen … ihr dir ersten Worte beigebracht … nachts an ihrem Bettchen gewacht, wenn sie Fieber hatte und ihr bei den Hausaufgaben geholfen, damit sie immer zu den Besten in ihrer Schulklasse gehörte … nein … es wäre so etwas von ungerecht, wenn durch die Offenbarung ihrer tatsächlichen Herkunft alles kaputt gemacht würde.“

      „So war es nicht gemeint … aber … wenn Sandra zu irgendeiner Zeit … und die kommt mit Sicherheit … uns fragen wird, weshalb sie vom Typ weder dir noch mir ähnlich ist, dann kannst du nicht lügen … besser wäre es schon, wenn wir ihr es, ohne in Not zu sein, von uns aus sagen.“

      „Du