Dieter Landgraf

Sandras Rache


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… in deiner Heimat ist es jetzt“, er schaut auf die Uhr und rechnet kurz, „zwanzig Uhr, also die beste Zeit für ein Gespräch von Frau zu Frau.“

      Cornelia Nicolai sagt Anke über die Festnetznummer Bescheid, dass sie über Skype mit ihr sprechen möchte. Wenige Minuten später sehen sie sich auf dem Bildschirm. Cornelia erzählt alle Geschehnisse der letzten vier Wochen. Sie berichtet über ihre neue Heimat in schillernden Farben und auch, dass alle ihre Vorstellungen bisher im positivem Sinne weitaus übertroffen wurden.

      „Du hast dir ja schon richtiges südamerikanisches Temperament angeeignet“, unterbricht Anke den Wortschwall, der förmlich auf sie einprasselt, „und siehst zudem schon wie eine Kolumbianerin aus … so braungebrannt … und das Anfang März.“

      „Ich fühle mich schon nach der kurzen Zeit so wohl, wie schon lange nicht mehr … und das Beste kommt ja noch … ich werde heiraten … keine Zweckehe, wie du damals formuliert hast … nein … es wird eine richtige Liebesheirat.“

      „Das freut mich riesig … und Glück braucht man dir gar nicht

      extra zu wünschen … nachdem, was du alles erzählt hast, scheinst du es ja schon gefunden zu haben.“

      „Jetzt werde ich ganz förmlich … wir laden euch zu unserer Hochzeit ganz herzlich ein … ich hoffe, ihr könnt auch kommen … sie findet nämlich schon in sechs Wochen statt.“

      „Natürlich wollen wir mit dabei sein … aber einhundert Prozent kann ich jetzt keine Zusage machen … das muss ich auch mit Andreas abstimmen.“

      „Das verstehe ich … es ist ja auch noch ein Weile hin … ich würde mich riesig freuen, wenn ihr kommt“, und ein wenig Wehmut liegt in ihrer Stimme, als ob sie nicht so recht daran glaubt.

      „Aber einmal etwas ganz Anderes … du bist so wahnsinnig begeistert von deiner neuen Heimat … gibt es denn gar nichts, was dir von uns hier fehlt?“, will Anke wissen.

      „Wenn du so direkt fragst … es sind wirklich nur Kleinigkeiten und es hat vornehmlich mit dem Essen zu tun.“

      „Nun erzähle schon … Essen ist doch keine Nebensächlichkeit, dass gehört zur Kultur eines jeden Landes.“

      Zögernd sagt Cornelia: „Es handelt sich ein kolumbianisches Nationalgericht … Bandeja Paisa wird es genannt und Alejandro könnte es pausenlos jeden Tag essen.“

      „Habe ich noch nie gehört, was muss ich mir darunter vorstellen?“, fragt Anke neugierig.

      „Also, das ist ein Eintopf aus roten Bohnen, Kümmel, Knoblauch, Chili und Hühnerfleisch …“

      „Das ist doch lecker … was schmeckt dir denn daran nicht?“

      „Weißt du, die Kolumbianer würzen es noch mit Koriander … und das ist überhaupt nicht mein Fall … ich esse es nur zum Gefallen für Alejandro.“

      „Wenn das deine einzige Sorge ist, dann kann ich dich für dein neues Leben nur beglückwünschen“, kommentiert Anke die Ausführungen.

      „Ich habe doch einleitend gesagt, dass es sich nur um Geringfügigkeiten handelt … dazu gehören noch die frittierten Kochbananen und das ewige Weisbrot essen … aber jetzt höre ich auf damit, sonst bekommst du noch einen völlig falschen Eindruck … deshalb sage ich abschließend, mir geht es hervorragend … besser hätte ich es nicht treffen können.“

      Anke sagt zum Ende des Gespräches: „Denke immer daran, dass aller guten Dinge drei sind … und Alejandro ist der dritte Mann, den du ernsthaft liebst … das ist ein gutes Omen und du wirst ganz sicher glücklich mit ihm.“

      Die Trauung findet in der Catedral Metropolitana de Medellin statt. Alle eingeladenen Gäste und zahlreiche Schaulustige verfolgen die feierliche Zeremonie. Zu Cornelia Nicolais Bedauern können Anke und Andreas Falk nicht teilnehmen. Wegen dringender dienstlicher Obliegenheiten, die Anke Falk als Vorsitzende Richterin des Amtsgerichtes zu erfüllen hat, sind sie leider nicht nach Medellin gekommen. Cornelia fällt auf, dass viele der Anwesenden sich so begrüßen, als hätten sie sich schon ewige Zeit nicht mehr gesehen. So gibt es viele herzliche Umarmungen, ein Küsschen hier und eines dort und viele angeregte Gespräche. Man hat sich eben viel zu erzählen. Zu den Klängen von Richard Wagners „Treulich geführt“ geleitet der Vater von Alejandro die Braut von der Eingangstür bis zum Altar. Sichtlich stolz über eine so schöne Schwiegertochter genießt er die staunenden und anerkennenden Blicke der Gäste. Nachdem sie sich das „Ja-Wort“ gegeben haben, strömen Alle aus der Kirche und sind voller Erwartung auf das nun folgende Fest. Beim Heraustreten aus der Kathedrale werden von dem Brautpaar hunderte von Fotos gemacht. Immer wieder treten Verwandte und Bekannte von Alejandro an die Seite des Brautpaares, um ein Erinnerungsfoto mit nach Hause nehmen zu können. Sichtlich beeindruckt von der großen Anteilnahme genießen beide die herzliche Zuwendung. Nachdem sie in der mit Blumen geschmückten Limousine Platz genommen haben sagt Cornelia: „Danke, mein Geliebter und jetziger Ehemann … es war einfach wunderbar … das ich das alles noch erleben darf … danke … danke“, und schmiegt sich ganz eng an ihn. Auf der Fahrt zum Festsaal ist noch ein ganz wichtiger Termin wahrzunehmen: Der Besuch eines Fotoateliers. Schließlich muss dieser große Augenblick richtig professionell im Bild festgehalten werden. Kurze Zeit später sind sie wieder bei ihren Gästen, die schon fleißig beim Essen und Trinken sind. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Nach dem Anschneiden der riesigen Hochzeitstorte nimmt Alejandro sie an die Hand und sagt: „Jetzt gehen wir von Tisch zu Tisch und bedanken uns für die Geschenke.“

      „Für welche Geschenke … ich sehe doch gar keine“, erwidert Cornelia Nicolai. Doch bevor er antworten kann, sind beide schon bei den ersten Gästen angekommen. Wieder gibt es herzliche Umarmungen und die Glückwünsche nehmen kein Ende. Auch diese Zeremonie wird erneut von einem regelrechten Blitzlichtgewitter begleitet. Auf die Beantwortung der Frage nach den Geschenken muss Cornelia Nicolai weiter warten, denn nunmehr hat das Brautpaar eine weitere Pflicht. Begleitet von Salsa-Klängen begeben sich Cornelia und Alejandro auf das Parkett und eröffnen mit einem ersten Tanz den Hochzeitsball. Unter rhythmischem Beifallsklatschen aller Gäste bewegen sie sich auf der Tanzfläche und nach nur wenigen Augenblicken sind sie schon nicht mehr die Einzigen, die sich im Tanzschritt bewegen.

      Temperamentvoll bemerkt Alejandro: „Siehst du, dass ist Ausdruck unserer kolumbianischen Lebensfreude … tanzen liegt

      uns einfach im Blut.“

      „Weißt du … eigentlich erkenne ich keine großen Unterschiede im Vergleich mit der Art und Weise einer Hochzeit in meiner Heimat … nur geht es hier etwas lauter, heißblütiger und ungezwungener zu … ich habe so langsam Gefallen daran gefunden.“

      Alejandro ist sichtlich beeindruckt von ihren Worten und

      freut sich darüber. Er drückt sie ganz fest an sich und sagt: „Hoffentlich habe ich auch einen ganz kleinen Anteil an deiner so positiven Einschätzung beigesteuert.“

      „Nicht nur einen kleinen Anteil … du bist doch die Ursache, weshalb ich mich so schnell eingelebt habe und mich unendlich wohl fühle … ohne dich wäre doch alles nur halb so schön.“

      „Dann wollen wir zuversichtlich sein, dass es ewig so bleibt … und jetzt ziehen wir uns zurück und fliegen in die Karibik.“

      Verwundert blickt sie zu ihm auf: „Können wir denn unsere Gäste so einfach allein lassen?“

      „Ja, aber natürlich … die feiern auch ohne uns fröhlich weiter … ich nehme nur noch die vielen Briefumschläge mit … darin befinden sich unsere Hochzeitsgeschenke“, und als er ihren fragenden Blick bemerkt, fügt er hinzu, „das ist der Brauch in Kolumbien … hier werden keine Sachgeschenke gemacht … die Verwandten und Bekannten schenken uns Geld … viel besser, als vielleicht fünf Besteckkästen und zwanzig Weingläser, wovon wir nur einen Bruchteil wirklich gebrauchen könnten.“

      „Das finde ich toll … davon können wir unseren Urlaub in Cartagena finanzieren.“

      „Nein, nein … das legen wir zurück … das heben wir für