Christiane Weller / Michael Stuhr

Gesamtausgabe der "silent sea"-Trilogie


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Vater fragend an.

      „Ihr wart richtig gut“, brüllt er zurück.

      „Was war denn das Beste?“ will ich wissen und nehme einen Schluck von seiner Cola.

      „Also, dich fanden die Leute schon sehr interessant“, stellt mein Vater grinsend fest. „Besonders den Slip, den du vorgeführt hast“, fügt er noch mit voller Lautstärke hinzu. Blöderweise setzt in diesem Moment gerade die Musik aus und so wissen die Leute an den Nachbartischen nun auch Bescheid.

      Fleur kommt an den Tisch und ich rücke ein wenig, damit wir uns meinen Stuhl teilen können. Unsicher schaut sie zu ihrem Vater hinüber. Da ist so ein seltsames Grinsen in seinem Gesicht, das wir nicht einordnen können. Was hat er nur?

      „Ich muss schon sagen, nicht schlecht.“ Er nickt zu seinen Worten und weil die Musik wieder einsetzt, schreit er noch einmal „Wirklich nicht schlecht!“

      Ich spüre, wie sich Fleur neben mir entspannt. Sie hat sich wohl doch mehr Sorgen gemacht, als sie uns gegenüber zugeben wollte.

      Die Zeit reicht noch, also bestellen wir uns auch Getränke und reden mit unseren Eltern über die Show. Wir versuchen es jedenfalls, aber die Musik ist so laut, dass wir es bald aufgeben. Dafür erfahren wir, dass das Kilo Rinderfilet in dieser Woche besonders günstig ist und dass die Casino-Käseabteilung die größte Auswahl aller Supermärkte bietet. – Interessant.

      Weiter geht es mit der Vorstellung des Hauptpreises im Gewinnspiel. Der Sprecher lenkt die Aufmerksamkeit auf einen nagelneuen Twingo, der auf einer leicht erhöhten Plattform am Ende des Catwalks steht. Die Musik wird womöglich noch lauter, und Hunderte von flatternden Fähnchen, mit denen die Plattform geschmückt ist, leuchten in der Sonne.

      Wirklich ein schönes Auto. Hätte ich gern, also hole ich mir ein Teilnahmeformular und vergesse auch nicht, meinen und Fleurs Eltern welche mitzubringen. Sogar Didier, die kleine Ratte, kriegt eins ab. Das gibt ein Gejaule, wenn er gewinnt und das schöne Auto abgeben muss. Aber da werde ich unerbittlich sein, schließlich habe ich die Formulare besorgt.

      Fleurs Vater hat einen Kugelschreiber in der Tasche und so füllen wir alle unsere Zettel aus. Ich bringe sie persönlich weg, damit auch ja nichts schief geht.

      Die halbe Stunde ist fast um und ich gehe mit Fleur schnell noch mal zur Toilette. Dann sind wir bereit für die zweite und letzte Runde.

      Der Mann auf der Bühne hat sich mittlerweile ausgetobt und ist schon merklich leiser geworden. Wahrscheinlich tut ihm vom Schreien der Hals weh. Dafür weiß jetzt aber auch die halbe Côte d’ Azur, was die Casino-Märkte so alles im Angebot haben. Günstige Lebensmittel zum Beispiel. Wäre uns vorher gar nicht aufgefallen.

      Während Fleur noch mal zum Tisch zurückgeht, warte ich am Rand des Catwalks. Plötzlich höre ich hinter mir eine sanfte Stimme. „Du bist sehr schön!“

      „Was?“ Erschrocken fahre ich herum und sehe in ein paar unglaublich dunkle, fast schwarze Augen.

      „Du bist schön! Die Schönste hier!“

      „Ich?“ Der völlige Ernst, mit dem diese Behauptung vorgetragen wird, haut mich um. Dazu kommt sie noch von einem Typen, der einfach fantastisch aussieht. Er hat dunkle Haare und gebräunte Haut. Sein Gesicht ist jung und eher schmal, aber es hat markante Züge, und der Mund ist einfach perfekt. Ich kann den Blick nicht davon wenden und kriege schlagartig weiche Knie.

      Diese wundervollen Lippen bewegen sich. „Ja du!“ sagen sie, aber ich höre es kaum. Ich bin völlig fasziniert.

      „Danke“, stoße ich hastig hervor. „Äh danke.“

      Er lächelt und ich spüre, wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Oh nein, nicht jetzt, bitte nicht jetzt! Aber es ist zu spät. Sekunden später stehe ich da, wie ein stammelnder Feuermelder.

      Ich räuspere mich. „Wer bist du?“ Meine Stimme ist nur ein Krächzen.

      Seine Lippen verziehen sich zu einem leichten Lächeln. „Diego“, sagt er leise. „Und du bist ...“

      Ich weiß es nicht. Verdammt! Ich überlege, aber es fällt mir nicht ein.

      Wie aus weiter Ferne dringt Fleurs Stimme an mein Ohr: „Lana, kommst du?

      Danke Fleur! „Lana!“, sage ich hastig.

      „Lana, kommst du?“ Fleur wird ungeduldig.

      Unwillig drehe ich mich halb um. Fleur steht schon auf dem Catwalk und gibt mir hektisch Zeichen.

      „Ich, äh ich ...“, wende ich mich dem Traummann zu, der da vor mir steht. Ich will ihm sagen, dass ich jetzt gehen muss, aber irgendwie habe ich die Worte vergessen.

      „Du musst jetzt gehen, Lana“, sagt er zu mir. „Deine Freundin wartet, glaube ich.“

      „Ja, äh, prima“, stottere ich und bleibe stehen. Oh Mann, warum muss ich ausgerechnet jetzt so einen Müll reden?

      „Wir sehen uns bestimmt noch“, höre ich und spüre eine kurze, sanfte Berührung an meinem Unterarm. Es fühlt sich an, als hätte ich eine Hochspannungsleitung berührt. Das Gefühl geht mir durch und durch.

      Plötzlich stehe ich alleine neben dem Catwalk. Er ist gegangen. „Was ist denn nun?“, zetert Fleur. „Kommst du jetzt?“

      „Ich bin schön!“, flüstere ich vor mich hin.

      „Was ist?“, will Fleur wissen.

      „Ich komme“, sage ich und klettere wie in Hypnose auf den Catwalk. Was soll ich jetzt gleich machen? Einen Intelligenztest? Na den habe ich ja wohl gerade hinter mir. Wenn das so weitergeht, nähern sich meine Chancen auf den Misstitel rapide dem Nullpunkt.

       10 DER TEST

      „Hey Lana, so hat er dich ja noch gefunden“, meint Felix lächelnd zu mir, als ich mit Fleur in unserer luftig-heißen Garderobe erscheine.

      „Wie gefunden? Wer?“ stottere ich, noch ganz erfüllt von seiner sanften Stimme und dieser leichten und doch so elektrisierenden Berührung.

      „Oh der von gestern, der schöne Mann, you remember? Ich erzählte dir von.“

      Ich bin ganz verdattert. „Das war der? Äh, der war das?“

      „Du wiederholst dich Chérie. Was ist los? Du bist so durcheinander, eben draußen auch schon. Wer war was?“ Fleur schaut uns fragend an.

      „Diego“, flüstere ich, immer noch ganz benommen. Es fühlt sich gut an, seinen Namen auszusprechen. Es ist fast so elektrisierend, wie seine Berührung – Diego.

      „Nicht hast du ihn gesehen?“ ruft Felix Fleur erstaunt zu und versucht dabei, gegen das lärmende Durcheinander der anderen Mädchen anzukommen. „Er war so extraordinary!“ Felix bekommt ganz rote Bäckchen, als sie das sagt.

      „Ja“, flüstere ich und kann ansonsten nur stumm nicken.

      „Also, ich hab gesehen, dass du mit jemandem geredet hast, aber extraordinary? Mmh“, Fleur wiegt den Kopf, „ist mir irgendwie entgangen.“

      „Sind wir endlich vollzählig?“ ertönt da die ungeduldige Stimme der Assistentin. „Könntet ihr jetzt freundlicherweise mal aufhören zu schnattern und zu mir kommen, damit ich euch den weiteren Ablauf erklären kann? Danke!“

      „Puh, bad mood“, flüstert Felix, als wir uns zu der Gruppe gesellen und rollt dabei die Augen. „Schlechte Gefühle hat sie“, fügt sie noch leise hinzu.

      Schlechte Gefühle trifft es gut. Die habe ich auch manchmal.

      Es warten noch zwei weitere Aufgaben auf uns: Wir müssen Zweiergruppen bilden und dann mit unserem Partner sowohl den Intelligenztest, als auch den Tanz machen. Dazu lässt die Assistentin uns Lose ziehen, so dass der Zufall darüber entscheidet, mit wem zusammen wir auf die Bühne müssen.

      Alle drängeln sich in