Christiane Weller / Michael Stuhr

Gesamtausgabe der "silent sea"-Trilogie


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      „Woher ...“, will ich erwidern, aber da ertönt schon unser Titel. Er ist uns beiden bekannt, denn wir haben ihn erst heute Morgen auf der CD von Papa gehört: It’s my life von Bon Jovi. Klasse, denke ich, das kann nicht so schwer werden, denn es ist ein ganz einfacher Rhythmus. Ich verlasse mich voll auf Felix, die mir ein paar kurze Anweisungen zuraunt und mir dazu die entsprechenden Tanzschritte und Armbewegungen vormacht.

      „Okay!“ flüstere ich, „ich bin drin“, während ich ihren Schritten und Bewegungen folge. Die Musik bricht abrupt ab. „Seid ihr bereit, Ladies?“ ruft der Moderator ins Mikro. Wir nicken und schon setzt die Musik wieder ein.

      Felix ist sofort drin in der Schrittfolge, ich hüpfe ein wenig hinterher. Verdammt! Neben Felix komme ich mir vor, wie das reinste Trampeltier. Während ihre Bewegungen mühelos und gleitend wirken, habe ich das Gefühl, ich stampfe da rum, wie eine Breitarschantilope, oder wie heißen diese großen, grauen Tiere mit dem Rüssel doch gleich?

      Wir klatschen im Rhythmus, was mir immerhin etwas besser gelingt. Das Publikum zieht begeistert mit. Bei den letzten Takten des Liedes macht Felix auf einmal einen Backflip aus dem Stand. Und dann kommt sie auch noch mühelos wieder in unsere Choreografie rein. Die Leute toben und auch ich kann nicht anders als klatschen. Wieso kann sie das?

      „Wow!“ schreit der Moderator begeistert, während er uns anschaut „Super! Einen Sonderapplaus für Felicitas!“ Mit diesen Worten wendet er sich wieder ans Publikum, das sich sowieso schon die Finger wund klatscht. Wieder pfeift mein Vater durch die Finger und dieses Mal gilt der Pfiff eindeutig Felix. Aber ich bin nicht neidisch, dieser Rückwärtssalto war wirklich eine Glanzleistung. Wir verbeugen uns und schlüpfen hinter den Vorhang.

      „Woher kannst du denn so was?“ frage ich, noch ganz benommen von unserem Erfolg.

      „Ich war schon immer gut in Exercises an die Boden“, erwidert sie lächelnd. „Mit so einer hast du nicht gerechnet, ist es so?“ grinst sie und nimmt sich dabei ihr Handtuch, um sich den Schweiß von der Stirn abzutupfen.

      Fleur stürmt auf uns zu „Ey, ihr wart geil, das kann keiner mehr toppen.“ Lachend fällt sie mir um den Hals und reißt Felix mit dem anderen Arm auch noch heran. Plötzlich schiebt sie uns von sich weg und meint grinsend: „Wisst ihr was? – Ihr seid fertig!“

      „Richtig!“ Felix dreht sich zu mir um. „I like to swim now. Kommst du mit?“

      „Klar!“ Schon schnappe ich mir mein Handtuch.

      „Nein!“ schreit Pauline entsetzt auf. „Was macht ihr? Eure Haare, die Preisverleihung!“

      „War doch nur Spaß“, beruhige ich sie grinsend und lege das Handtuch wieder weg.

      „Just a joke“, freut sich auch Felix.

      „Ruhe bitte!“ weist uns die Assistentin mit strengem Ton zurecht. Dabei spielt aber ein merkwürdiges Lächeln um ihre Lippen.

      Pauline flüstert immer noch aufgebracht: „Und seid bloß vorsichtig mit eurem Make-up, oder wollt ihr gleich völlig verschmiert auf der Bühne stehen?“

      „Oh!“ Felix schaut mich betroffen an. „She’s right! Das wäre dumm.“

      Mich überkommt ein hysterisches Kichern. „Du glaubst doch nicht wirklich ...“, weiter komme ich nicht.

      „Klar habt ihr Chancen“, Pauline stampft wütend mit dem Fuß auf, „was glaubt ihr denn, warum ich mich hier so anstrenge? Weil ich an euch glaube!“

      „Du meinst really?“ Felix schaut erst mich und dann Pauline fragend an.

      „Für mich wart ihr in allem die Besten!“ erwidert Pauline bestimmt. „Ich hab doch alles beobachtet.“ Mit diesen Worten dreht sie sich um und sagt „Los, kommt, wir suchen jetzt noch ein cooles Outfit für die Siegerehrung aus. Ich hab mich erkundigt, da kann jeder anziehen, was er will. Ich hätte auch schon ein paar Vorschläge für euch.“

      Etwas verunsichert folgen wir ihr. Pauline scheint sich so sicher. Haben wir wirklich Chancen auf einen guten Platz?

      Die beiden schwarzhaarigen Schönheiten haben sich schon umgezogen. Wieder haben sie die gleichen Klamotten nur in unterschiedlichen Farben an. Gerade flüstern sie mit der Assistentin. Sehr vertraut. Zu vertraut! Da scheint was im Gange zu sein. Die sind wahrscheinlich schon auf der Siegerliste. Was haben wir da noch für Chancen? Die Assistentin lächelt sie zuckersüß an und zuckt mit den Schultern. Gegen die beiden haben wir wohl keine Chance, die scheinen sich ja wirklich sehr sicher zu sein. Die Assistentin nickt gerade, so als wolle sie meine Worte bestätigen.

      Die nächsten zehn Minuten sind die Hölle. Ich setze mich hin, stehe wieder auf, zupfe vor dem winzigen Spiegel an mir rum und durchwühle die Strandtasche, in der meine Klamotten sind. Felix geht es auch nicht viel besser. Sie wieselt die ganze Zeit zwischen einem Schlitz im Vorhang und dem Ventilator hin und her und sieht so aus, als würde sie gleich vor Aufregung platzen. Die meisten der anderen Mädchen sind auch ganz schön ruhelos, nur Fleur scheint sich völlig ihrem Schicksal gebeugt zu haben und sitzt nur teilnahmslos herum. Ich bin aber im Moment nicht in der Lage, sie zu trösten, viel eher brauche ich selber Trost.

      Nachdem auch die letzten beiden Gruppen von der Bühne zurück sind, verkündet unsere Einpeitscherin laut, dass wir jetzt bis zur Entscheidung der Jury eine halbe Stunde Zeit haben.

      „Die Jury? Wo saß die denn überhaupt?“ fragt Fleur erschrocken und spricht damit das aus, was mir auch gerade durch den Kopf schießt.

      „Bei den Bühne“, klärt uns Felix lachend auf. „Da bei den Anmeldung. Sie haben bei der ganzen Zeit Striche auf Zettel gemacht“, fügt sie noch hinzu, als sie unsere verwirrten Gesichter sieht und schüttelt mit hochgezogenen Schultern erstaunt den Kopf. „Drei Mann, ein Frau. Strich hier, Strich da, did’nt see it? Crazy!“

      Fleur und ich schauen uns ratlos an. „Das ist völlig an mir vorbeigegangen“, meint Fleur leise zu mir und ich kann nur stumm dazu nicken.

      Endlich ein wenig Zeit, zu Entspannen. Erschöpft und froh, dass wir alles hinter uns gebracht haben, sitzen Felix und ich zusammen im Schatten der Pinien hinter der Bühne, während Fleur mit Pauline noch ihre Klamotten zusammensucht. Die Hitze des Tages hat mittlerweile etwas nachgelassen. Es weht ein sanfter Wind. Der Sand ist weich und warm. Ich lehne mich an den schmalen, krummen Baumstamm und strecke die Beine wohlig im Sand aus.

      „Der schöne Junge, der dich mag, weißt du, wie heißt er, wer ist das?“ Felix zieht ihre beneidenswert braunen Beine in den Schneidersitz und schaut mich neugierig lächelnd an.

      Ich zucke mit den Schultern, während ich die Äste über mir beobachte, wie sie sich im leichten Wind vor dem blauen, etwas dunstigen Nachmittagshimmel bewegen. „Ich weiß nicht, wer er ist, ich weiß nur, dass er Diego heißt.“

      „Ein schönes Name, nicht?“

      „Ja“, wieder zucke ich mit den Schultern, „und er hat gesagt ...“, platzt es aus mir heraus, bevor mir der Gedanke kommt, dass ich nicht immer alles erzählen muss.

      „Was?“ Felix ist nun natürlich neugierig geworden. „Was hat er gesprochen? Tell me!“, drängt sie mich, als ich unsicher schweige.

      „Er hat gesagt, dass er mich schön findet.“ Ich muss grinsen, als ich das sage, weil es mir mit einem Mal so blöd vorkommt.

      Felix grinst auch, aber eher triumphierend. „Na, so ist er nicht blind“, meint sie und gibt mir einen Klaps auf die Schulter. „Hat dich gesehen und peng! Auch wenn du nicht so fühlst. Right?“

      „Dass ich schön bin? Na ja“, stottere ich herum, setze mich auch in den Schneidersitz und spiele verlegen mit einem Stückchen Holz.

      Felix lacht laut auf. „Du bist auch einer dumb dora. I think, du weißt gar nicht gut, wie du aussiehst.“ Sie wirft mir einen kleinen Stein gegen die Brust und ruft vergnügt „Frag mal den Spiegel!“

      „Aua, das tat weh!“, versuche ich abzulenken und reibe mir die Stelle an