Franz Bingenheimer

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seines Freundes lag nicht mehr in der Badewanne.

      Durch eine laute kräftige Männerstimme wurde Kai so aufgeschreckt, dass sein Herz fast stehen blieb.

      „8:15 Uhr“ kam die Zeitansage aus dem Radio, das ihm Wohnschlafzimmer stand und sich automatisch eingeschaltet hatte. „Steht auf und bewegt eueren faulen Hintern, draußen wartete das pure Leben auf euch!“

      Diese erfrischende Nachricht brachte der Radiosprecher jetzt gut gelaunt in tausende Schlafzimmer im Bundesland Hessen.

      Gestern Morgen war er noch froh aufgestanden und heute hatte sich sein Leben total verändert. Vorsichtig ging er jetzt zögernd weiter in das kleine Bad.

      Alles war weg! Die Leiche. Die Decke!

      Wo war sein ehemaliger Freund Ken?

      Als er sich umdrehte, sah er, dass die Frage noch auf dem Spiegel stand. Doch sie war nachträglich zusätzlich mit einem roten Signierstift zweimal unterstrichen worden!

      Schnell ging er in seinen Wohnschlafraum zurück und öffnete alle Schränke und Türen, die es in seiner Wohnung gab. Auch die Abseite in der Dachwohnung öffnete er und leuchtete sie mit einer Taschenlampe aus.

      Ken war weg, wie vom Erdboden verschluckt! Es war der reine Horror, den er erleben musste.

      Abwarten! Und nur nicht auffallen durfte er jetzt, dachte er. >>Alles muss ganz normal weitergehen<<, sagte er laut vor sich hin, um die Kontrolle über sein Tun nicht zu verlieren.

      Eilig ging er an seinen PC, der ihm Wohnschlafzimmer in einer Ecke stand, und schaltete ihn ein.

      Jetzt fiel ihm das Geld ein. War es noch da?

      Für den Plan, den er blitzschnell in seinem Gehirn entwickelt hatte, brauchte er Geld, sehr viel Geld.

      Das Schwarzgeld, das er für den Auftrag von Dr. Ruthard von Anselm bekam, sollte ihm seine Flucht finanzieren. Karin seine neue Liebe wollte er mitnehmen.

      Ja, Brasilien! Das war der Fluchtort, den er sich ausgedacht hatte. Unter dem Zuckerhut in einer Villa an der Copa Cabana, dort würde man sie niemals finden.

      Mit listigen befreienden Gedanken zog er seine Geldkassette aus seinem sicheren Versteck hervor. Ja! sein Geld war noch da!

      12.000 € nahm er für alle Fälle weg. Es konnte ja sein, dass er plötzlich fliehen musste, überlegte er.

      Dann schob er die Kassette in sein Versteck, schloss sein Geheimfach und ging an seinen Computer zurück.

      Sein PC hatte automatisch über sein Outlook-Express-Programm bei seinem Internet Anbieter seine Nachrichten abgefragt.

      Mehrere Meldungen lagen im Posteingang seines PCs.

      Als er die erste Nachricht anschaute, sah er, dass der Absender der E-Mail-Adresse von Naomi Kramer war, die er gestern in der Herren Boutique „Herot“ auf der Zeil kennen lernte.

      „Guten Morgen Kai! Heute Mittag fahre ich auf die Pferderennbahn am Riederwald. Es wäre schön, wenn du mich begleiten würdest. Ich könnte dich gegen 14:00 Uhr zu Hause abholen.

      Kommst du mit?“, stand in der Nachricht.

      Bitte melde dich!

      Bis dann! Naomi

      Jetzt fiel er erleichtert in seinen Drehstuhl zurück. Im fiel ein, das heute Samstag war. Fast wäre er in seiner Aufregung zu seinem Arbeitsplatz gefahren.

      Die Anzeige unten rechts, in der Taskliste des Bildschirms bestätigte seine Vermutung. „Samstag, der 6. Juli.

      Warum nicht, dachte er und schickte Naomi ein kurzes E-Mail.

      „Danke für die Einladung!

      Bitte hole mich Zuhause ab. Klingel dreimal. Ich freue mich auf dich Ciao, Kai!“.

      Ein Klick auf Senden und in wenigen Sekunden war die Information auf ihrem Server.

      Nicht grübeln übers Wochenende. Du musst so weiterleben, als wäre nichts geschehen dachte er, nahm die Visitenkarte von Karin Blanz und wählte auf seinem Smartfon ihre Telefonnummer. >>Modellstudio Blanz<<, meldete sich nach wenigen Sekunden die freundliche Stimme einer jungen Frau.

      >>Bist du es Karin? <<, fragte Kai zögernd.

      >>Nein, die Chefin ist im Studio. Ist es wichtig?

      >>Ja schon<<, antwortete Kai.

      >>Moment bitte! Ich verbinde sie<<, sagte die Frau freundlich. >>Hallo Kai! Mein Liebling, wo bist du? <<, wollte Nadja Kosova sofort besorgt wissen.

      >>Zu Hause! <<,

      >>Und geht es dir gut? <<, fragte sie sofort interessiert nach, da sie wusste was er zu Hause antraf. >>Wieso soll es mir nicht gut gehen? <<,

      >>Nur so! <<, erwiderte Nadja fast entschuldigend.

      >>Steht das Angebot noch von heute Morgen? <<, fragte er. >>Sicher, ich freue mich sehr, dass Du mit mir nach Mailand fliegen möchtest! Morgenfrüh um 9:00 Uhr hol ich dich zu Hause ab und um 10:15 Uhr geht unsere Maschine. <<,

      >>Nein! Ich bin um 9:00 Uhr bei dir. Dann bis morgen. Ich liebe dich<<, sagte Kai und legte den Hörer auf.

      Er brauchte jetzt erst einmal Zeit um sich wieder in seinen Gedanken zu finden.

      Wo war die Leiche seines Freundes? Und wer war in seiner Abwesenheit in seiner Wohnung?

      Frage, um Frage quälten ihn. Ein Kaffee wäre nicht schlecht, dachte er und ging an den Tresen seiner Essnische. In wenigen Minuten hatte er sich einen starken Kaffee gekocht.

      Mit einer kleinen Schüssel Cornflakes, die er sich mit etwas Milch übergossen hatte, lief er jetzt unruhig im Zimmer auf und ab. Seine schrecklichen Gedanken an das Geschehene konnte er nicht in seinem Geist bei Seite schieben.

      Die grausamen Ereignisse der letzten Stunden hatten sich in seinem Hirn festgesetzt.

      Wo war Ken? Wer hatte ihn in seiner Abwesenheit aus der Wohnung geholt? War es die Drogenmafia? Wann würden sie kommen und auch ihn umbringen?

      Vier Stunden hatte er noch Zeit, bis ihn Naomi Kramer abholte. Seine Cornflakes hatte er flüchtig ohne es wahrzunehmen aufgegessen und sich danach auf sein Bett gelegt.

      Der Kaffee, der auf dem Kühlschrank stand, war kalt geworden.

      In seinen Gedanken sah er sich schon in einer Gefängniszelle. Auf jedes Geräusch lauschend, lag er mit seiner Kleidung angezogen auf seinem Bett. Da er in den letzten Stunden wenig geschlafen hatte, übermannte ihn die Müdigkeit so schnell, dass er nach wenigen Minuten fest einschlief.

      Pünktlich wie vereinbart klingelte Naomi Kramer um 14:00 Uhr an der Haustür von Kai Raimann. Er hatte noch bis vor einer Stunde geschlafen. Durch einen erneuten Anruf von Beate Rosenthal wurde er aufgeweckt. Dass ihn die Neuigkeit, dass Ken spurlos verschwunden sei, nicht besonders interessierte, konnte sie nicht verstehen.

      >>Du, ich habe keine Zeit<<, sagte er nur, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen und trennte das Gespräch.

      Danach beseitigte er alle Spuren in seiner Wohnung, die ihn vielleicht verdächtig machen konnten. Badewanne und Spiegel hatte er gründlich gereinigt.

      Jetzt stand er vor einem großen Spiegel an der Tür seines Kleiderschrankes. So gefiel er sich!

      Die neue Kombination mit Jacke und Hose die er bei Naomi gekauft hatte, verfehlte seine Wirkung nicht. Man sah sofort, dass seine Kleidung eine Besondere war. Nur in den oberen Schichten der offenen Gesellschaft konnte man sich so eine extravagante Garderobe leisten.

      Soeben hatte