haben Sie bis 12:30 Uhr Zeit. Unsere Expertin Frau Steinhausen wird Ihnen bei Fragen gerne behilflich sein. Viel Spaß beim Schreiben!“
Ein Raunen ging durch die Reihen der Hobbyschriftsteller. Kurze Zeit später hörte man nur noch auf Papier kratzende Stifte.
Nach dem Mittagessen lasen die Teilnehmer die entstandenen Texte vor. Es waren teilweise anspruchsvolle und raffiniert formulierte Texte wie Elinborg beim Zuhören urteilte. Andere Texte klangen eher wie Schulaufsätze.
Am Nachmittag fand die Lesung von Elin im Kaminzimmer des Krimihotels statt. Dort war eine gemütlichere Atmosphäre als in dem Tagungsraum. Das Kaminzimmer war mit schweren braunen Ledersesseln und natürlich einem Kamin, der allerdings nicht brannte, ausgestattet.
Die Autorin las das erste Kapitel aus „Endstation Alexanderplatz“ vor. Anschließend erläuterte sie den Fortgang der Handlung, um dann wieder einige Seiten später erneut zu lesen.
„Ein Entschluss ergab den Anderen. Kommissar Krassek setzte sich in sein Automobil und fuhr …“ Um Weiterlesen zu können, musste Elin die Seite im Buch umblättern. Elinborg stutzte und schwieg sogar einen Augenblick, denn ein kleiner weißer Zettel mit einer Nachricht und einer Telefonnummer lag dort. Wer hatte ihn in das Buch gelegt? Darüber konnte sie jetzt aber nicht nachdenken. Sie musste weiterlesen. Also wiederholte die Autorin den Satz: „Ein Entschluss ergab den Anderen. Kommissar Krassek setzte sich in sein Automobil und fuhr hinaus nach Dahlem. Dort traf er auf einen Mann, der die Tote ...“
Die Autorin beendete ihre Lesung mit den Worten: „Er sah auf das Brandenburger Tor und wusste, dass die Zeit noch nicht gekommen war.“
Sie schlug das Leseexemplar zu und das Publikum klatschte Beifall.
„Vielen Dank, Frau Steinhausen. Wir sind schon alle gespannt, wie der nächste Fall von Kommissar Krassek sein wird“, sagte Frau Bergmaier und fügte hinzu: „Liebe Teilnehmer, hiermit endet der heutige Schreibworkshop. Sie haben nun Zeit zur freien Verfügung. Morgen um 10 Uhr treffen wir uns wieder im Tagungsraum. Auf Wiedersehen.“
Die Teilnehmer strömten aus dem Kaminzimmer, nur Elinborg blieb in dem schweren Ledersessel sitzen. Die Ruhe tat gut. Sie schlug ihr Leseexemplar auf und las was auf dem Zettel stand: „Wenn Sie mal wieder ins Lichtspielhaus gehen möchten, rufen Sie mich an: 0151 ...“
„Frau Steinhausen, gut, dass ich Sie hier alleine antreffe. Im Laufe des Tages hatte ich nämlich die grandiose Idee, dass der Serienmörder eine Frau sein könnte.“
Greta Lundgren war in den Raum gestürmt. Schnell legte Elinborg den Zettel wieder in das Buch. Sie stöhnte innerlich auf, setzte jedoch ein höfliches Lächeln auf. Greta Lundgren setzte sich neben ihr in einen Sessel setzte.
„Kommissar Krassek könnte selbst ins Visier der Mörderin geraten“, schlug Lundgren vor. „Er könnte von ihr entführt werden und zum Beispiel in einem leer stehenden Haus oder Fabrik gefangen gehalten werden.“
Die Tür öffnete sich erneut und Bernd kam herein.
„Elin, da bist du! Ich habe dich schon überall gesucht!“, sagte Bernd vorwurfsvoll. In einem milderen Ton ergänzte er: „Ach, Frau Lundgren. Sie sind auch hier!“
„Ich erzähle ihrer Frau gerade wie die Handlung unseres gemeinsamen Krimis sein könnte.“
Bernd setzte sich zu ihnen. „Aha. Frau Lundgren, jetzt wo ich Sie sehe: Ich habe noch ein paar Fragen zu der Reise mit den Hurtigruten.“
„Ja?“
„Ich wollte wissen, ob die Schiffsreise ab Hamburg oder ab Bergen beginnt?“
„Wie ich schon sagte, der Flug ist bei dieser Reise inklusive. Das heißt, Sie werden von Deutschland nach Bergen fliegen und von dort gehen Sie auf das Schiff“, antwortete die Schwedin freundlich.
„Ist in dem Angebot Vollpension dabei?“, fragte Bernd weiter.
Greta Lundgren bejahte: „Das Tischwasser ist im Preis ebenfalls inbegriffen.“
„Hält das Schiff auch in Hammerfest?“
Elinborg war genervt, sie stand auf: „Die Lesung hat mich angestrengt. Ich werde hinaufgehen und mich im Zimmer ausruhen.“
Greta Lundgren sprach unterdessen unbeirrt weiter: „Selbstverständlich wird das Schiff in Hammerfest halten.“
Murmelnd übergab Bernd Elin den Zimmerschlüssel.
Erleichtert verließ die Autorin das Kaminzimmer. Sie wunderte sich, dass Bernd sich auf einmal so für Reisen interessierte, wo er doch sonst lieber zuhause blieb.
In dem Krimihotel hatte jedes Zimmer ein anderes Thema und war somit individuell eingerichtet. Elin schloss die Tür vom Kommissar Maigret-Zimmer auf. Über dem Bett hing ein Bild des Eifelturms und auf der gegenüberliegenden Wand war ein Zitat des Schauspielers Jean Gabin, der den Kommissar Maigret in den Filmen dargestellt hatte, geschrieben: „Wenn alle Menschen immer die Wahrheit sagten, wäre das die Hölle auf Erden ...“.
Elin ließ sich auf das frisch bezogene Bett plumpsen. Endlich war sie ungestört, um über diesen Zettel in Ruhe nachzudenken zu können. War das eine Frauenhandschrift? Und wessen Telefonnummer war das? An der Vorwahl erkannte Elin, dass es sich hierbei um eine Mobilfunknummer handelte. Sollte sie jetzt dort anrufen?, fragte sie sich.
Bernd kam ins Zimmer, schnell steckte sie den Zettel wieder in ihr Leseexemplar.
„Seit wann interessierst du dich für Reisen nach Skandinavien? Wir könnten auch noch einmal nach Island fahren, wenn du verreisen möchtest“, fragte Elinborg ihren Mann.
Sie waren auf der Heimfahrt. Bernd saß am Steuer des Audis und brauste die Landstraße entlang.
„In Island war ich aber schon mehrmals. Außerdem ist es da kalt“, erwiderte er.
„Ach, und in Skandinavien ist es nicht kalt?“
Bernd hupte und überholte einen alten VW Käfer.
„Ich interessiere mich für Skandinavien, weil ich Frau Lundgren kennengelernt habe. Sie ist eine geschäftstüchtige Frau und hat sogar ihr eigenes Reisebüro. Die Schiffsreise klingt interessant.“
„Ich habe aber keine Lust so eine Schiffsreise zu machen. Außerdem habe ich keine Zeit, weil ich im Juli nach Berlin muss“, erwiderte Elinborg.
Bernd stöhnte: „Kommissar Krassek.“
„Ja, genau, wegen Kommissar Krassek.“
„Für Frau Lundgren ist das Schreiben nur ein Hobby. Ich würde es besser finden, wenn du die Krimischreiberei aufhören würdest. Dann könnten wir auch zusammen Urlaub machen. Meinetwegen können wir auch wieder nach Island fahren. Weshalb hast du denn Journalismus studiert? Um dann auf solchen Schreibworkshops Möchtegern-Schriftstellern das Schreiben beizubringen? Das ist doch total sinnlos.“
Elinborg versuchte ruhig darauf zu antworten: „Bernd, bitte fange jetzt nicht schon wieder damit an. Diese Diskussion haben wir schon tausend Mal geführt und ich habe dir auch schon tausend Mal gesagt, dass mir das Schreiben viel Spaß macht. Ich kann mir nichts Anderes vorstellen: Außerdem verdiene ich damit mein eigenes Geld, und dass auch nicht gerade wenig.“
Bernd brummte: „Wenn du wenigstens etwas Seriöses schreiben würdest. Zum Beispiel Artikel für eine Tageszeitung oder ein Wochenmagazin oder, wenn wir Kinder hätten und das Schreiben dein Hobby wäre, wie bei Frau Lundgren, dann …“
Elinborg unterbrach ihren Mann wütend: „Hör endlich mit dem `Hätten wir Kinder´-Argument auf. Das nervt!“
Sie verschränkte die Arme.
„Ja, aber nur, weil du …“, begann Bernd.
„Es reicht! Ich sage zu diesem Thema nichts mehr!“
Elin starrte geradeaus durch die Windschutzscheibe.
„Ganz wie du willst“, gab Bernd giftig zurück und drückte energisch