Kathrin Noreikat

Lass uns verloren gehen


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der Bühne stand Fingernägel kauend der Designer. Als das Model an ihm vorbeikam, rief er: „Très bien!“. Viel Zeit zum Umziehen hatte Lorenz nicht, rasch streifte er die Schuhe ab, zog eilig Mantel und Hose aus. Sein nächstes Outfit war farbenfroher: Eine lila Hose, türkisfarbenes Hemd, eine dunkelgraue Jacke mit Reißverschluss. Dazu trug er eine braune Tasche.

      Wieder trat er auf den Laufsteg. Jedes Mal war sein Kopf leer, er konzentrierte sich ausschließlich auf seine Choreographie. Nur aus den Augenwinkel sah er das Publikum und vernahm den Applaus von weitem.

      Die Modenschau endete nach fünfzehn Minuten mit tosendem Applaus. Mathieu Dubois verbeugte sich schüchtern vor dem Publikum, die Models klatschten ihm zu.

      „Merci, merci“, murmelte der Designer.

      Spontan blieb Lorenz noch einen Tag länger in Paris, da er momentan keine weiteren Verpflichtungen hatte. Er war schon oft in Paris gewesen. Mit seinem Schulfranzösisch konnte er sich auch gut verständigen. Das Model liebte die Boulevards, die Parks und die Cafés. Er schlenderte durch Stadt, fotographierte mit seinem Handy die Kirche Notre Dame und Sacré-Coer, die Außenfassade von Museum Pompidou und viele andere Sehenswürdigkeiten. In der Nähe der Kirche Madeleine kaufte er sich in einer Konditorei eine Schachtel der farbigen Macarons und im Kaufhaus Lafayette kaufte er sich eine neue Ray Ban Sonnenbrille.

      Zufrieden stieg Lorenz Berringer am Gare du Nord in den Thalys-Zug, der nach Aachen fuhr.

      Freitag:

      Rückkehr nach Aachen gegen Abend

      Evtl. Fitnessstudio

      Samstag:

      Fitnessstudio und ab 19 Uhr Geburtstagsparty von Conny im Last Exit.

      Geschenk besorgen!!!

      Sonntag:

      Ausschlafen, Koffer packen (Wichtig: Sedcard, Mappe, Handy, Kleidung, Hygieneartikel)

      Zug um 14:51 Uhr nach Frankfurt/Main

      Abflug 19:45 Uhr über Paris nach Shanghai

      Montag:

      Ankunft 17:45 Uhr in Shanghai (Ortszeit)

      Dienstag: Dreh eines Werbespots für ein Herrenparfum

      Mittwoch:

      Rückflug: 12:40 Uhr

      Ankunft in Frankfurt/Main: 22:45 Uhr mit Übernachtung in Frankfurt/Main

      Erst am Donnerstag um die Mittagszeit kehrte Lorenz Berringer nach Aachen zurück. Er war froh, nach der Asienreise ein paar Tage frei zu haben. So konnte er ausschlafen, seine Lebensmittelvorräte auffüllen, im Fitnessstudio trainieren, mit Conny an einem Abend ins Kino gehen und sich in der Buchhandlung Weyhe ein paar neue Taschenbücher kaufen.

      In der Woche darauf war das Model schon wieder unterwegs. Ein Fotoshooting im Landschaftspark Duisburg-Nord für einen Sportbekleidungshersteller, zwei Castings in Hamburg und ein Fotoshooting mit Hunden in Mailand.

      Freitag:

      20 Uhr Maastricht Kruisherenhotel: Abendessen

      Samstag:

      Fitnessstudio

      Sonntag:

      12:51 Uhr Zug nach München (Umsteigen in Köln)

      18:27 Uhr Übernachtung im InterCity Hotel

      Montag:

      Casting für einen Kalender in München-Schwabing

      Rückfahrt um 17:27 Uhr? Sonst Übernachtung im InterCity Hotel

      Kapitel 6

      In den nächsten Tagen blieb Elin Steinhausen in ihrem Bauernhaus in der Eifel. Sie arbeitete viel am Schreibtisch. Kater Oskar lag bei ihr im Arbeitszimmer und schlief. Manchmal forderte er ein paar Streicheleinheiten, die sie ihm gerne gab.

      Auf ihrem Schreibtisch hatte sich ein Stapel unbearbeiteter Post angesammelt. Trotz Internet schickten ihr Fans Briefe und Postkarten. Postkarten mit interessanten Motiven, die ihr gefielen, pinnte die Autorin mit Reißzwecken an die Wand, besonders ausgefallene Fanbriefe heftete sie in einem Ordner ab. Der Rest der Fanpost wanderte in den Papierkorb. Es kam vor, dass Fans eigene verfasste Texte ihr zuschickten und um ihre Meinung baten. Die Manuskripte und Exposés leitete sie allerdings gleich an den Verlag weiter. Als sie nun den Stapel Post bearbeitete, war auch wieder ein DIN A4-Umschlag von G. Lundgren dabei.

      Elinborg öffnete den Umschlag, darin war ein Exposé mit einem Begleitschreiben.

      „Liebe Frau Steinhausen,

      ich bin ein großer Fan Ihrer Bücher! Ich liebe Kommissar Krassek! Neulich ist mir beim Bügeln eine geniale Idee gekommen: Wir beide könnten zusammen einen Krimi schreiben.

      In dem beiliegenden Exposé habe ich bereits einen Handlungsentwurf geschrieben.

      Kommissar Krassek ist einem Serienmörder auf der Spur, der ganz Berlin in Atem hält. Er selbst gerät in das Visier des Mörders. Mehr möchte ich nicht verraten, lesen Sie bitte selber. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Meinung.

      Viele liebe Grüße

      Ihre Greta Lundgren“

      Elinborg legte das Schreiben und das Exposé in eines ihrer Ablagefächer.

      Als sie die ersten Briefe und Texte von Greta Lundgren erhielt, fühlte sich Elinborg geschmeichelt. Engagiert antwortete sie ihr mit ausführlichen Erklärungen und Kommentaren, die jedoch von Greta Lundgren keineswegs berücksichtigt wurden. Nichtsdestotrotz bildete sich Greta Lundgren ein, großes Talent zu haben und die zukünftige neue schwedische Bestsellerautorin zu sein. Allerdings war ihr Schreibstil alles andere als bestsellerverdächtig, wie Elin urteilte. Mittlerweile schrieb Elinborg ihr nicht mehr zurück.

      Nach der Postbearbeitung postete die Krimiautorin etwas auf ihrer eigenen Website. Sie schaute aus dem Fenster und sah, dass die Sonne schien. Eigentlich müsste sie noch auf ihrer Facebookseite etwas posten, aber dazu hatte sie keine Lust mehr. Viel lieber würde sie jetzt die Zeit im Garten verbringen. Kurzerhand zog sie eine alte Jeans an und streifte sich Gartenhandschuhe über. Zum Ausgleich zu der Schreibtischarbeit war Elinborg nämlich gerne im Garten tätig. Während der Gartenarbeit ließ sie sich von der Natur inspirieren, deshalb lag immer ein Notizblock und ein Stift in Reichweite.

      Ihr neustes Gartenprojekt in diesem Frühjahr war das Anlegen einer Blumenwiese. So grub sie an diesem regenfreien Apriltag, die von ihr im Garten ausgesuchte Fläche mit einem Spaten um. Als sie gerade die groben Erdklumpen zerkleinerte, rief ihr Mann Bernd von der Terrassentür ein „Hallo!“ zu. Sie winkte nur zurück, denn einen Begrüßungskuss gab es schon seit Jahren nicht mehr. Er verschwand wieder im Haus.

      Mit einer Harke ebnete sie die Fläche. Während Elin das Saatgut in die Erde einharkte, stellte Bernd ein Weinglas auf den Tisch und setzte sich in einen Gartenstuhl. Er schlug die Tageszeitung auf und begann zu lesen.

      Nachdem Elin die Gartengeräte zurück ins Gartenhäuschen gestellt hatte, fragte sie: „Wie kommt es, dass du schon zuhause bist? Ich hatte dich gar nicht so früh erwartet.“

      Er antwortete hinter der Zeitung: „Die Verhandlung ist verschoben worden, da der Richter krank geworden ist. Sehr ärgerlich!“

      Zu Elinborgs Überraschung erkundigte sich ihr Mann nach der Lesung in Aachen. Normalerweise interessierte sich Bernd nicht für ihre Schriftstellerarbeit, daher berichtete sie ausführlich: „Die Lesung hat wie immer viel Spaß gemacht. Es waren zwar nicht so viele Leute da, aber ich hatte den Eindruck, dass es Ihnen gefallen hat. Ich musste auch viele Bücher signieren. Nach der Lesung hat es sich ergeben, dass ich noch mit einem jungen Mann aus dem Publikum zusammen Mittag gegessen habe.“

      Bernd trank einen Schluck Wein.

      „Wirklich? Wer war denn dieser Mann?“

      „Er heißt Lorenz