George Sand

Geschichte meines Lebens


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auf das Genaueste; aber ich will den Ereignissen nicht vorgreifen und bemerke hier nur, daß es ihr nie in den Sinn kam, aus der Restauration irgend einen Vortheil zu ziehen, indem sie ihr Geld von den Bourbonen zurückverlangt — oder für einen Dienst, der sie beinahe auf's Schaffot brachte — irgend welche Entschädigung begehrt hätte.

      Mochten nun die Papiere in einem besondern Verstecke, das man nicht untersucht hat, verborgen gewesen sein, oder mochten sie, mit denen des Herrn von Villiers vermischt, bei der ersten Durchsicht der Aufmerksamkeit des Commissärs entgangen sein, gewiß ist, daß sie in dem Protokoll der Haussuchung nicht verzeichnet waren und Deschartres hatte nun die Aufgabe, sie der zweiten Prüfung, die bei der Abnahme der Siegel stattfinden mußte, zu entziehen. Und Deschartres zögerte nicht, obwohl er Freiheit und Leben dabei wagte.

      Doch um die Verhältnisse und die Größe dieses Entschlusses in's rechte Licht zu stellen, wird es zweckmäßig sein, daß ich das Protokoll der Haussuchung einschalte. Es trägt ein ganz besonderes Gepräge und ich werde seine Ausdrucksweise auf das Getreueste wiedergeben:

      „Die vereinigten revolutionären Comités der Sectionen von Bon-Conseil und Bondy.

      „Am heutigen Tage, den 5. Frimaire des II. Jahres der einen, untheilbaren Republik, wir, Jean-François Posset und François Mary, Commissarien des revolutionären Comités der Section von Bon-Conseil, haben uns nach dem revolutionären Comité der Section von Bondy begeben, um die Mitglieder der besagten Comités aufzufordern, sich mit uns in die Wohnung des Bürgers Amonin, Rentzahlmeister, wohnhaft rue Nicolas Nr.12 zu begeben; und hierauf sind die Bürger Christophe und Gérôme, Mitglieder der Section Bondy und item der Bürger Filoy mit uns gegangen und wir haben uns in genannte Wohnung begeben, wo wir hineingegangen sind, und sind in die zweite Etage hinaufgestiegen, und sind in ein Zimmer eingetreten und von da in ein Toilettezimmer, wo drei Schritte hinunterzusteigen sind, begleitet von der Bürgerin Amonin, weil ihr Mann nicht anwesend war; und wir haben sie befragt: ob nichts bei ihr verborgen wäre und sie hat erklärt nichts davon zu wissen. Und darauf ist die genannte Amonin ohnmächtig geworden und hat die Besinnung verloren. Nachher haben wir die Nachsuchungen fortgesetzt, und haben den Bürger Villiers, der sich in dem genannten Hause befand und wohnhaft ist: rue Montmartre Nr. 21, Section Brutus, aufgefordert, bei unsern Nachsuchungen Zeuge zu sein, was er gethan hat, sowie der Bürger Gondois, item aus demselben Hause. Und dann sind wir zum Oeffnen übergegangen, durch die Talente des Bürgers Tatey, wohnhaft rue du faubourg St. Martin Nr. 90, und außerdem in Gegenwart des Bürgers Froc, Portier besagten Hauses, alle anwesend bei Oeffnung des Getäfels, das zu einem Schranke führt, der Thür zur Rechten gegenüber. Und darauf haben wir eine Oeffnung gemacht, um zu sehen, was sich im besagten Getäfel befindet und sowie die Oeffnung gemacht war, immer im Beisein der Genannten, haben wir eine Menge Silberzeug, mehrere Kasten und Papiere entdeckt und darauf haben wir ein Verzeichniß davon gemacht, im Beisein der oben Genannten: 1) ein Degen mit Stahl-Verzierungen; 2) eine Stutzbüchse; 3) ein Kasten von Saffian, enthaltend Löffel, Zuckerschaufeln, Senflöffel mit Vergoldung und Wappen u. s. w. ...

      Nun folgt ein Verzeichniß, in welchem alle mit Wappen verzierten Gegenstände besonders bemerkt sind, da dies, wie Jedermann weiß, zu den Hauptvergehen gehörte.

      Und darauf ist der Bürger Amonin gekommen und wir haben ihm befohlen, bei uns zu bleiben, um bei der Fortsetzung des Protokolles Zeuge zu sein.

      Und darauf haben wir mehrere Briefe gelesen, die an den Bürger Villiers, Beamten der National-Versammlung adressirt waren; besagter Villiers, der in Abwesenheit des Bürgers Amonin als gegenwärtig genannt wurde, hat uns erklärt, daß diese Briefe ihm gehören, sowie auch der Briefwechsel, den wir in das weiße Buch gewickelt gefunden haben, und der besagte Bürger Amonin hat uns erklärt, er wisse nicht, daß dies hier liege und hatte keine Kenntniß davon, was der Bürger Villiers bestätigt hat. Darauf haben wir den Bürger Amonin aufgefordert, uns zu erklären, seit wann das besagte Silberzeug und Schmucksachen da versteckt wären und hat erklärt: sie wären da gewesen zur Zeit, als der ehemalige König nach Varennes entfloh.

      Haben ihn gefragt, ob besagtes Silberzeug und Schmuck ihm gehörten; hat geantwortet, daß ein Theil ihm gehörte und der andere Theil der Bürgerin Dupin, welche unter ihm in der ersten Etage wohnte.

      Darauf haben wir die Bürgerin Dupin vorgefordert, zu dem Behufe, uns ein Verzeichniß des Silberzeugs zu geben, das sie bei dem Bürger Amonin versteckt hätte, was die Bürgerin gleich gethan hat. Und darauf sind wir zur Prüfung der Briefe und ihres Inhaltes übergegangen, immer im Beisein des Bürgers Villiers, unter welchen Briefen wir bei der Durchsicht die Abschrift von Adelsbriefen und Wappen gefunden haben, welche wir versiegelt haben mit einem Petschaft in Form eines gegitterten Herzens und einem Petschaft, welches der Uhrschlüssel eines genannten Commissärs bildet; das Ganze eingeschlagen in ein Blatt weißes Papier, damit besagte Briefe geprüft werden durch den Wohlfahrtsausschuß und durch ihn befohlen werden kann, was damit vorzunehmen. Und darauf haben wir uns aller besagten Silbersachen und Schmucksachen, wie aus dem Protokoll hervorgeht, bemächtigt, damit nach den Worten des Gesetzes geschehen kann, was zukommt, und haben geschlossen das gegenwärtige Protokoll den 6. Frimaire um zwei Uhr.“

      Es geht daraus hervor, daß diese Nachsuchungen größtentheils bei Nacht und gleichsam wie ein Ueberfall vorgenommen wurden, denn dieses Protokoll ist am 5. begonnen und am 6. um zwei Uhr Morgens geschlossen. Die Commissarien beschließen darauf sogleich Herrn von Villiers festzunehmen, dessen Vergehen ihnen wahrscheinlich als das bedeutendste erschien; sie verfügen jedoch nichts über meine Großmutter und ihren Mitschuldigen, Amonin, versiegeln aber die Koffer, Kasten und Schachteln mit Schmuck und Silbersachen: „um, im Lauf des Tages der National-Versammlung übergeben zu werden und unterdessen in der Verwahrung und unter Verantwortung des Bürgers und Corporals Leblanc zu bleiben, um durch ihn auf das erste Verlangen ganz und wohlbehalten abgeliefert zu werden und er hat erklärt nicht schreiben zu können.“

      Es scheint, als wären die Hausgenossen durch dies Ereigniß nur wenig beunruhigt. Sie glaubten wahrscheinlich, daß die Gefahr bereits vorüber wäre und erwarteten die confiscirten Gegenstände wiederzubekommen (aus den Randbemerkungen, mit welchen Deschartres das Protokoll versehen hat, geht hervor, daß ein großer Theil der Sachen unbeschädigt zurückgegeben wurde), außerdem war meiner Großmutter das Vergehen der„Vergrabung“ nicht bewiesen. Sie hatte die gefundenen Gegenstände Herrn Amonin geliehen oder anvertraut, und dieser hatte für nöthig erachtet, sie zu verbergen: dies war ihr Vertheidigungssystem und man glaubte damals nicht, daß die Verhältnisse eine Wendung nehmen könnten, die jede Vertheidigung unmöglich machte. So hatte man auch die Unvorsichtigkeit, jene gefährlichen Papiere, von denen ich oben gesprochen habe, in einem Möbel des zweiten Entresol zu lassen.

      Am 13. Frimaire, also sieben Tage nach der ersten Haussuchung bei Amonin fand daselbst eine zweite statt und zwar dieses Mal in der Wohnung meiner Großmutter, gegen welche ein Verhaftsbefehl erlassen war. Ein neues, kürzeres und weniger blumenreiches Protokoll wurde aufgenommen.

      „Am 3. Frimaire des II. Jahres der einen, untheilbaren französischen Republik, wir, Mitglieder des Ueberwachungs-Comités der Section Bondy, kraft des Gesetzes und eines Beschlusses des genannten Comités, datirt vom 11. Frimaire und befehlend, daß bei Maria Aurora, verwittwete Dupin versiegelt werden und die genannte Bürgerin in Haft gebracht werden soll. Zu diesem Ende haben wir uns in ihre Wohnung, rue St. Nicolas 12 begeben; sind in die erste Etage gegangen in die Thüre zur Linken. Dort angekommen haben wir der Genannten unsern Auftrag mitgetheilt und haben an die Fenster und Thüre besagter Wohnung die Siegel gelegt, wie auch an die Thüre, welche nach der Treppe führt, zehn an der Zahl; welche Siegel wir unter Aufsicht des Karl Froc, Portier des genannten Hauses, gelassen haben, der sie nach geschehener Vorlesung besichtigt und erkannt hat.“

      „Und darauf haben wir uns in die gegenüberliegende Thüre auf genanntem Flur begeben, welche bewohnt wird durch den Bürger Moritz Franz Dupin, Sohn der genannten Wittwe und durch den Bürger und Lehrer Deschartres. Nach geschehener Prüfung der Papiere genannter Bürger haben wir nichts gefunden, was den Interessen der Republik zuwider wäre, u.s.w.“

      Meine Großmutter war nun also gefangen und Deschartres war mit ihrer Rettung beauftragt; denn im Begriff in's Kloster abgeführt zu werden,