Markus Mayer

David Schrenker ist kein Selbstmörder!


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ein Buch, das ich lese… solange, bis ich eines Tages wieder völlig entnervt heimkomme, fünf Seiten lese und das Buch ins Eck schmeiße. Nicht mal ‘nen scheiß 200-Seiten-Roman, der bei Hugendubel am Eingang rumliegt und dessen Sprache und Inhalt jeder Depp versteht, schaff‘ ich...

      Würde ich mehr lesen, wäre ich vielleicht eloquenter, wenn mich ein unverschämter Gast, wie etwa das Arschloch von heute, auflaufen lässt. Womit ich endlich zum eigentlichen Grund meines heutigen Eintrags komme.

      Finanz-Yuppie, 30 Jahre alt, setzt sich an meinen Tisch, hat nicht den Anstand sein scheiß Handy für eine Minute aus der Hand zu legen. Zeigt mit dem Finger auf das Menü, das er gerne essen will. Ich frag ihn, ob er das Steak „rare“, „medium“ oder „durch“ will, doch er winkt nur ab, weil er für solche Nichtigkeiten offenbar keine Zeit hat. Zehn Minuten später stell ich ihm die Suppe hin. Er nimmt mich nicht mal zur Kenntnis. Weitere 6 Minuten und 21 Sekunden (ich hab auf die Uhr geschaut) vergehen, bis er das Handy weglegt: „Mike, mein Essen ist gerade gekommen. Ich ruf dich in zehn Minuten zurück.“ Ein paar Sekunden später brüllt er „Ober!“ und ich eile zu ihm. „Gibt es die Suppe auch in heiß?“ Ich bringe die lauwarme Brühe in die Küche und erkläre den Tatbestand. Wie gewohnt und erwartet flattern Tiraden durch die Luft und nach einer Minute Mikrowelle ist die Suppe wieder auf dem Platz des vom Küchenkollektiv zum Hurensohn ernannten. Als ich die leere Suppentasse abserviere, hat er das Handy schon wieder am Ohr. Er schreit und schert sich einen Scheiß um die anderen Gäste im Lokal. Als ich den Hauptgang bringe, legt er das Handy diesmal gleich weg und fordert, dass ich ihm etwas Brot bringe und Butter. Warum? Er hat Kartoffeln, Kräuterbutter und Bohnen als Beilagen. Trotzdem komme ich seinem Wunsch natürlich nach. Dann hält er mir sein Steakmesser entgegen: „Bringen Sie mir ein normales Messer. Sehe ich aus wie ein Metzger?“ Als ich ihm ein normales Messer gebe, tritt er verbal nochmal nach. „Muss ja ‘ne ziemliche Schuhsohle sein, wenn man solche Säbel zum Schneiden braucht.“ Ich lächle freundlich und ziehe mich zurück. Allerdings nicht lange, weil er gleich wieder „Ober“ schreit. Er zeigt mir die angeschnittene Seite seines Steaks. „Was soll das sein?“

      Ich erwidere: „Was meinen Sie?“.

      „Rare?“

      „Medium!“, antworte ich und er behauptet, er habe das Steak „rare“ bestellt. Ich muss ihn darauf hinweisen, dass er mich hinsichtlich des gewünschten Gargrades nicht in Kenntnis setzte, was er jedoch abstreitet.

      „Hab keine Zeit auf ein zweites Steak zu warten“, sagt er und isst es.

      Sofort anschließend telefoniert er wieder und gibt mir ein Zeichen für die Rechnung. Ich lege sie ihm hin, er schreit in den Hörer „Harry, ich ruf dich gleich zurück!“, legt auf und pöbelt mich an: „Warum ist das da drauf?“ Er tippt mit dem Zeigefinger auf den Kassenbon an die Stelle wo RUMPSTEAK KAR. BOH. steht. Wieder frage ich „Was meinen Sie?“

      „Das Ding war ‘n Stück Schuhsohle und jetzt soll ich das Teil auch noch zahlen? Wollen Sie mich verarschen?“

      Ich weise ihn daraufhin, dass das Steak einwandfreier Qualität gewesen sei und er es auch vollständig gegessen habe.

      „Weil ich Hunger hatte und keine Zeit für ein anderes!“ Er will meinen Vorgesetzten sprechen und ich gebe mich als Schichtleiter zu verstehen, der Entscheidungen dieser Art selbstverantwortlich fällen darf und verlange von ihm den vollständigen Rechnungsbetrag. Er macht einen riesen Terror und aus Rücksicht vor den anderen Gästen gebe ich nach und hole Theo.

      „Das ist unser F&B Manager Theo Müller“, stelle ich ihn vor. Theo knickt sofort ein wie ein Maiglöckchen und nimmt fünfzig Prozent des Steaks von der Rechnung. Er verlangt von mir hinterher keine Rechtfertigung. Er vertraut mir, aber sagt, man müsse langfristig denken und Beschwerden seien gut, denn sie hälfen bei der Prozessoptimierung und außerdem, wäre so die Chance gegeben, dass wir den Gast nicht für immer verloren hätten. „Schade!“, sag ich trocken und er gibt mir einen Klapps. „Du musst positiver werden, David!“

      Ich hab mich geärgert für fünf Minuten. Früher hätte mein Ärger tagelang angehalten. Wie gesagt, ich bin abgestumpft.

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Und hier findet sich schon ein Beispiel zu dem was ich unter einen der Einträge zuvor geschrieben habe. Hau so einem Wichser einfach mal den Suppenteller ins Gesicht! Wehr‘ dich! Zeig ein bisschen Stolz! Auch wenn du da arbeitest, bist du immer noch ein Mensch mit menschlichen Gefühlen und wenn dich irgendwer unmenschlich behandelt, ist es dein gutes Recht, nein deine Pflicht, deiner Gesundheit zuliebe, dagegen zu schlagen.

       Der Kern des Problems liegt natürlich in der Branche, in der du arbeitest. Gaststättengewerbe ist ein heuchlerisches Pflaster und du, mein Bruder, warst viel zu lange ein Rädchen in dieser Schleimscheißer-Maschinerie.

       Du bist auch selbst schuld! Hättest du dich in der Schule mal angestrengt, hättest du das Gymnasium beenden und etwas studieren können. Aber du hast immer deine Hausaufgaben abgeschrieben von Idioten, die auf deine Schmeicheleien reingefallen sind. Trotzdem hast du ordentliche Noten kassiert. Du wusstest genau, dass du mit der Einstellung auf der Uni nicht überleben würdest. Es gibt viele Menschen, die studieren und eigentlich nicht die Klugheit besitzen. Du warst wohl das Gegenteil. Doch du wolltest einfach nur dein ganzes Leben lang faul sein und den einfachsten Weg gehen. Deswegen bist du die Schlampe von arroganten Business-Lunchern und versnobten Pelz-Trullas, denen kein Essen in keinem Restaurant der Welt jemals gut genug sein wird. Genau deswegen. Jeder kriegt, was er verdient.

      Tagebucheintrag vom 24. August 2009

      Oh dieser Alltagstrott! Jeden Tag frühmorgens aufstehen, ins Hotel fahren, den makellos gekleideten Konzern-Bonzen in die Augen mit Dollarzeichen blicken und einen guten Morgen wünschen. Wenn man grad dabei ist fragen, ob es Kaffee oder Tee sein darf und der Frühstücksdame ein entsprechendes Zeichen geben. Smalltalk mit den betuchten Damen führen, die verkaterten Azubis herumscheuchen und sie auf ihre Leichtsinnsfehler hin rügen, ständig selbst die Scheißarbeit machen – entweder weil viel los ist oder weil man die Moral bei den Untergebenen steigern will. Keine Zeit für die administrativen Aufgaben haben, deshalb Überstunden machen – unbezahlt versteht sich. Dann Übergabe mit irgendeiner Pfeife vom Nachmittagsteam machen und dabei noch Eine rauchen. Immer die gleichen Leute mit den gleichen Geschichten über die gleichen Bekannten und Freunde.

      Ich muss raus, aber wohin? Ich kann nicht mehr studieren. Wie ein Opa sehe ich doch aus, wenn ich mich da in die Vorlesungen mit lauter 20-jährigen setze. Meinen Abschluss mache ich dann mit 30 und was sag ich dann den Leuten, die mit mir ein Vorstellungsgespräch machen? Dass ich nach meinem Abi zu faul war und lieber chillig ‘ne Hotelausbildung gemacht hab, bei der ich 20 Kilo zugenommen, mehrere zehntausend Haarwurzeln verloren und kein Buch gelesen habe. Ich persönlich kenne niemanden, der so spät noch studiert hat und nicht ein totaler Volltrottel war. Außerdem bringt meine Freundin in weniger als einem halben Jahr mein erstes Kind zur Welt. Wir brauchen Geld – jetzt ist also nicht die Zeit für schulische Spielereien. Ein anderes Hotel? Es wäre wohl kein Problem, etwas anderes zu finden. Doch was bringt das? Der eine Alltagstrott ersetzt den anderen.

      Ins Ausland? Gleiche Gründe wie oben – ich werde bald Vater und: Unsere Familien wohnen hier und die können wir bei der Erziehung unseres Kindes gut gebrauchen. Irgendwo Quereinsteigen? Vielleicht! Aber als was? Lagerarbeiter? Bandmonteur? Naja, da muss man wenigstens niemandem in den Arsch kriechen, aber körperlich viel zu anstrengend für mich!

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Du hörst einfach auf! Du stellst dir die richtigen Fragen, aber weil du nach zehn Sekunden keine Antwort gefunden hast, glaubst du, es gibt keine und gibst auf. Werfen wir doch mal einen kurzen Blick auf dein ganzes Wunderwerk Denken: Du warst 24 Jahre alt, als du das geschrieben hast und denkst, du wärst der Opa deines Studienganges. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wärst du bei einer normalen Uni über Durchschnitt, doch wie sieht es mit einer Fernuniversität oder -hochschule aus? Hier wärst du wahrscheinlich einer der Jüngeren gewesen. Für mich steht