Markus Mayer

David Schrenker ist kein Selbstmörder!


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lamentierst du hier und bringst dich selbst in eine Position im Leben, die für dich bequem ist.

       Du hast dir einfach die falsche Gewohnheit angeeignet und zwar jene, immer den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Das Problem ist nur, dass du dafür nicht clever genug bist und deshalb ständig zu unbequemen Umwegen gezwungen wurdest. Ab und zu muss man kämpfen, doch das hast du nie gelernt.

      Tagebucheintrag vom 26. August 2009

      Ich habe heute mit Pablo geredet. Seit längerem weiß ich, dass er vorhat, zurück in seine Heimat zu gehen, um dort mit seinem Bruder ein Hotel zu eröffnen. „Eigener Chef im Paradies“, sagt er. „Schönste Hotel von Ort! Tolle Lage! Nur Beste von Beste! Riesige Pool, Marmor, Mahagoni! Premium! Komm dann nur, ich gebe dir Job, Tio!“ Sein Bruder hat Geld und Pablo hat die Erfahrung. Das Hotel haben Sie schon gekauft und die Komplettsanierung ist in vollem Gange. Pablo macht einen Haufen Umsatz bei uns in der Spätschicht und die Geschäftsführung war ganz schön erschüttert, als er ihnen gesagt hat, dass er wegen seiner Abendschule (sein Bruder verlangt, dass er einen Wisch hat, bevor er das Hotel leitet) in die Frühschicht wechseln muss. Irgendjemand muss mit ihm tauschen, doch Karina versteht nicht, warum ich das tun möchte.

      „Dann bist du abends immer weg!“

      „Sei vernünftig! Du willst ja auch wieder arbeiten und so ist immer jemand zu Hause, um auf das Baby aufzupassen! Und mit dem Trinkgeld haben wir fast schon unsere Lebensmittel wieder drin.“

      „Hast ja Recht! Ich denke nur manchmal… Es ist halt schön, am Abend zusammen zu sein.“

      „Wir müssen pragmatisch denken. Ich will unserem Kind eine bessere Ausbildung als mir ermöglichen, deswegen…“

      „Du hättest auch eine bessere Ausbildung machen können, wenn du gewollt hättest.“ Noch während sie es aussprach, sah ich, wie sie zusammenzuckte. Das ist mein empfindlicher Punkt.

      „Auf jeden Fall tausche ich mit Pablo, wenn es geht!“ so beendete ich das Gespräch.

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Werden Gefühle verletzt? Natürlich! Doch anstatt immer gleich bockig zuzumachen, hättest du Kritik hin und wieder annehmen sollen. Zumal du wusstest, dass Karina Recht hatte und sie das ebenfalls wusste. Trotzdem sprach sie das Thema „Nichtgenutztes Potential“ nur versehentlich an (zumindest würde es mich wundern, wenn es kein Ausrutscher gewesen wäre). Du wolltest immer nur deinen Stolz schützen und hast deswegen wahre Dinge nie angenommen. Wenn man das nämlich tut, muss man auch seine Konsequenzen daraus ziehen. Und diese wären mit Arbeit, Fleiß und Anstrengung verbunden. Dein Komfort hätte zweifellos darunter gelitten.

      Tagebucheintrag vom 7. September 2009

      Als wir heute im Bett lagen – ich hab‘ mir noch eine Folge Stromberg reingezogen und Karina hat gelesen – klappte sie ihr Buch plötzlich zu und drückte bei meinem Laptop auf Pause. Sofort war mir klar, dass sie irgendwas ausgebrütet hatte.

      „Vielleicht sollten wir heiraten?“

      Ich reagierte verdutzt, denn sie war nie ein großer Fan des Heiratens gewesen und ich hielt es sowieso für ein überflüssiges Zeremoniell.

      Irgendeine Bekannte hat Karina vom Stress erzählt, den sie und ihr Mann wegen des Sorgerechts hatte. Auch wegen der Steuer sei es sinnvoll zu heiraten, meinte sie und folgte damit dem Rat ihrer Mutter. „Vor allem wenn ich dann recht früh wieder arbeiten gehe.“

      „Willst du das?“, fragte ich sie und schaute sie ernst an.

      „Naja, ich weiß nicht, ob ich unbedingt will, aber ich muss ja fast. Außer du…“

      „Ja ja, außer ich finde ‘nen gescheiten Job bei dem ich ordentlich Geld verdiene.“ Ich konnte mir nicht helfen und wurde bockig…

      Sie entschuldigte sich, aber ich wusste, dass sie das nur tat, weil sie die Diskussion weiterführen wollte und nicht weil es ihr wirklich leid tat.

      „Vielleicht sollten wir uns mal vernünftig informieren, bevor wir irgendwas machen, was irgendwelche altmodischen Leute dir eingeredet haben“, blaffte ich sie an. „Nur wegen so einem dummen Wisch ändert sich doch nichts!“

      „Warum wäre es eigentlich so schlimm, mich zu heiraten? Ich meine, wenn du mit mir zusammen sein und mit mir gemeinsam ein Kind großziehen willst, ist es doch andererseits auch scheißegal, wenn wir diesen Wisch haben. Vor allem, wenn uns dieser Wisch finanzielle Vorteile bringt. Eigentlich wäre das ja nur vernünftig! Kein Mensch spricht von Kirche oder einer großen Feier. Das will ich auch nicht!“

      Sie hat nicht Unrecht und weil der einzige plausible Grund in dem Moment, sie nicht zu heiraten, der ist, dass ich einfach nicht will, legte ich mich mit einem „Wir reden morgen!“, schlafen.

      Kommentar von Pascal Schrenker

       Du hast unangenehme Wahrheiten noch nie angesprochen. Leute wären vielleicht wütend geworden und der Hitze solcher Momente wolltest du dich grundsätzlich nicht aussetzen. Du bist schon immer ein harmoniebedürftiger Mensch gewesen und das hat stets zu deiner Beliebtheit beigetragen, dich aber auch vor Probleme gestellt. Zum Beispiel damals, als Mama diese hässlichen Schuhe für dich aussuchte: Sie war schon kurz vor dem Durchdrehen, weil sie den Nachmittag über mit zwei Teenagern durch die Stadt gewetzt war. Um das Fass nicht zum Überlaufen zu bringen, hast du die ersten Schuhe, die sie dir vorschlug, genommen. Natürlich hattest du nie vor sie zu tragen. Deshalb war dein Plan, etwas mit deinem Kumpel Knoll auszumachen, dessen Familie diesen nervtötenden Hund hatte. Am Morgen bist du dann mit den blütendweißen Schuhen aus dem Haus, nur um sie, als du ums Eck warst, mit den alten zu tauschen. Bevor du vom Knoll wieder nach Hause kamst, hast du die Schuhe mit einer stumpfen Zange zerfetzt und Mama erzählt, dass Knolls Hund daran Schuld war. Dieser Plan hielt solange, bis Mama bei den Knolls anrief und seine Mutter sich äußerst überrascht über die Anschuldigungen zeigte.

       Gelernt hast du aber nie aus solchen Vorfällen. Das ist nur eines von vielen Beispielen, in denen du viel Energie verwendet und lange Umwege gegangen bist, um das Boot nicht zum Schaukeln zu bringen. Allerdings hatte das oft zur Folge, dass du danach mit noch schlimmeren Konsequenzen konfrontiert worden bist.

      Tagebucheintrag vom 12. September 2009

      Nach Tagen des Grübelns habe ich mich entschlossen, Karina Bescheid zu geben, dass wir heiraten können. Sie hat ja Recht: Was spricht dagegen? Ich kann es nicht begründen, warum ich nicht will. Ich müsste sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, mit ihr mein Leben zu verbringen, aber irgendwie weiß ich auch nicht, ob das stimmt. Das ist nur so ein Gefühl und eigentlich will ich keiner sein, der mit 60 vier Scheidungen hinter sich hat. Das sind die größten Trottel!

      Auf der anderen Seite verbindet uns diese Hochzeit auch mehr, vielleicht bringt sie uns einander näher. Das ist nur Gefühlsduselei, ich weiß. Begründen kann ich diese Hoffnung nicht. Wahrscheinlich rede ich mir auch nur irgendwelche Sachen ein, damit ich dem Ganzen positiver gegenüberstehen kann.

      Es kann auch sein, dass ich der Ehe gegenüber negativ eingestellt bin, weil ich dabei das Bild meiner Eltern vor mir sehe. Dieses lieblose, pragmatische Leben, diese gefühlslose Allianz. Alles wird nach Schema-F gemacht, typisch bürgerlich halt…

      Auf jeden Fall habe ich beim Abendessen zu Karina gesagt: „Lass uns heiraten. Warum nicht?“ In vier Tagen hat keiner von uns mehr ein Wort dazu verloren und ich glaube, dass ich sie mit meiner Aussage ebenso überrascht habe, wie sie mich neulich mit ihrem „Vielleicht sollten wir heiraten!“

      Entsprechend reserviert reagierte sie. „OK“, das war’s erstmal, aber fünf Minuten später fragte sie: „Bist du dir sicher?“ und ich antwortete: „Du hast Recht, es spricht nichts dagegen!“

      Sie wirkte enttäuscht, obwohl sie sagte, dass