Bernd Dombek

Ab dä Fisch


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seine eigene Art und Weise vor und je näher der Tag des jüngsten Gerichts rückt, desto aufgeregter wird die Stimmung.

      Dann endlich ist es so weit!

      Der Einfachheit halber richtet man das Turnier in der Kantine aus. Dort finden erstens alle Teilnehmer genügend Platz und zweitens ist in der Küche ein ausreichend großer Kessel nebst Kochplatte und Ceranfeld vorhanden. Vor den Augen einer unbestechlichen Jury werden genau 12 Maxi Haushaltstüten Buchstabensuppe in den Kessel gefüllt und zum Kochen gebracht.

      ''Wollt ihr sie lieber ganz weich oder doch lieber 'al dente' haben'', fragt Frau Erika Blum, Köchin und gutes Herz der Kantine.

      ''Angenehmer ist 'al dente'. Sonst zermanschen die zu sehr beim Legen'', erklärt die Jury.

      ''So sei es'', strahlt Erika und konzentriert sich weiter auf die Zubereitung.

      Fünf Minuten später nimmt sie den Kessel vom Ceranfeld und schiebt ihn hinein in den Saal. Die Teilnehmer bilden eine lange Schlange und defilieren an Frau Blum vorbei. Dabei bekommt jeder von ihnen, kontrolliert durch die Argusaugen der Jury, eine ordentliche Kelle Buchstabensuppe in die Teller geschaufelt. Danach geht es zurück an die Tische wo man wieder gesittet Platz nimmt.

      ''Auf unser Kommando'', schallt es von der Jury.

      ''Und los!''

      An 100 Tischen klappern nun fröhlich die Löffel in der Suppe und die eine oder andere Person verschluckt auch schon einmal im Eifer des Gefechtes versehentlich einen wichtigen Buchstaben.

      Doch selbst solch ein Missgeschick wird mit großem sportlichen Geist hingenommen. Nach einigen Minuten ist von verschiedenen Tischen aus unterschiedlichen Ecken der Kantine die Rufe,

      ''Ich bin fertig'', zu hören. Mitglieder der Jury flitzen eifrig umher und untersuchen fachmännisch die Ergebnisse. Noch nicht einmal 20 Minuten später sind die ersten 50 Gewinner ermittelt und aussortiert. Die Freude bei ihnen ist unbeschreiblich, wohingegen die Verlierer einen leicht depressiven Eindruck hinterlassen. Das ist nur allzu verständlich, wenn man im schlimmsten Fall wieder 15 Milliarden Jahre auf die nächste Ausscheidung warten muss. Der Tag vergeht wie im Flug und zwischendurch müssen immer wieder die Wogen geglättet werden, wenn Kandidaten mit einem Urteilsspruch nicht einverstanden sind.

      ''Doch! KIKIKAWAWA ist wohl ein Wort!''

      ''Nein ist es nicht! Was soll das denn bedeuten?!''

      ''KINDERKARNEVAL!''

      ''Dann musst du das beim nächsten Mal auch bitteschön so hinlegen!''

      Richtig haarig wird es aber, wenn sich die Kandidaten des Diebstahls beschuldigen.

      ''Der hat mir mein Ä geklaut! Jetzt stimmt das Wort nicht mehr!''

      ''Was wolltest du denn schreiben?''

      ''Schäwardnadse!''

      ''Meinst du den vormaligen russischen Außenminister und Präsidenten von Georgien Eduard Schewardnadse?! Der wird aber mit E geschrieben'', stellt ein Juror treffend fest.

      ''Nein! Ich meine den berüchtigten Zuhälter aus Köln!''

      ''Der heißt Schäfers Naas. Tut mir leid. Hast verloren. Du bist raus!''

      Bei manchen Leuten ist es niemals ganz klar, ob sie über einen wirklich feinsinnigen Humor verfügen oder einfach nur blöde sind.

      Als sich der Tag schließlich dem Abend zuneigt und der kleine Hunger bei den Kandidaten langsam größer wird, beschließt man das Turnier zu beenden. Am nächsten Morgen will man es frisch ausgeruht wieder neu aufzunehmen. Immerhin sind schon fast die Hälfte der Matches ausgetragen worden. Niemand soll deshalb ohne große Not hungrig zu Bett gehen. Der Alte hat sich sehr gut geschlagen und seine insgesamt fünf Matches mit Bravour gemeistert. Das Schmökern in alten Kreuzworträtsel Heften hat sich definitiv für ihn schon bezahlt gemacht. Abends schaut er noch ein Fußballspiel im Fernsehen und begibt sich danach zur wohlverdienten Nachtruhe. Der nächste Tag kann kommen.

      Und der kommt gewaltig!

      Frau Blum steht schon am frühen Vormittag wieder mit dem dampfenden Riesentopf Buchstabensuppe in der Kantine und wartet auf die ersten Abnehmer. Sie hat wieder 12 Maxi Haushaltspackungen wie am Vortag eingerührt und gekonnt 'al dente' zubereitet. Die Kandidaten stehen vor ihr wie auf einer Perlenkette eingefädelt und warten auf die Ausgabe. Nachdem die Jury vollzählig im Raum versammelt ist, geben sie das Startzeichen und schon kommt wieder Bewegung in die Sache. Frau Blum schaufelt die Teller voll und die Teilnehmer setzen sich wieder an ihre Tische.

      ''Und Los!''

      Jetzt wird noch zäher und verbissener gekämpft als tags zuvor. Die Wörter werden länger und komplizierter. Da die Rechtschreibung in den letzten X Millionen Jahren erheblich evolvierte, ist deshalb permanent fachmännischer Beistand an den Tischen gefordert.

      ''Schifffahrt mit drei F?''

      ''Ja.''

      ''Und Rheinschifffahrt?''

      ''Auch!''

      Die Anzahl unmoralischer Angebote nimmt mit zunehmender Dauer des Turniers erheblich zu.

      ''Wer tauscht ein 'M' gegen zwei 'F' mit mir?''

      ''Keiner tauscht hier! Wehe! Ist nicht erlaubt und zieht sofortigen Rausschmiss nach sich'', interveniert die Jury sofort.

      Der Alte bleibt weiterhin emotional gelassen und dominiert gerade sein Gegenüber mit einem klassisch gelegten 'Quietscheentchen'. So zieht sich das durch den ganzen Vormittag und er gewinnt ein ums andere Mal. Dann endlich ist Mittagspause und die Teilnehmer haben genau eine Stunde Zeit etwas zu essen und sich wieder zu konsolidieren.

      ''Kommst du mit ins Pyro Labor, Helge? Was saufen'', fragt Doktor Hans Walter Freudenschuss.

      ''Fuck off Hansi'', raunzt der Alte und stochert in seinem Henkelmann herum. Es ist hochgradig unfair, wenn man mit blöden Sprüchen aus dem Konzept gebracht werden soll.

      Wie dem auch sei, drei Stunden später sind nur noch eine kleine handvoll Kandidaten übrig. Die Endphase des Spiels beginnt. Kameras sind auf die verbliebenen Tische gerichtet und die Luft knistert voller Spannung. Die Zuschauer daheim sind Zeuge wie der Alte seinen Kontrahenten gekonnt abfertigt.

      ''Scheiße Helge, das ist doch Verarsche! Was bedeutet denn Pelagialhavarie?''

      ''Das ist, wenn man mit einem U-Boot gegen ein Riff schippert Hansi!''

      Und damit steht der Alte als erster Finalist im Buchstabensuppe Turnier fest!

      Jetzt sind nur noch zwei Tische übrig an denen gespielt wird. An einem von ihnen hat eine Kandidatin die Konkurrenz hinter sich gelassen und zieht unter großem Jubel ebenfalls ins Finale.

      Und am letzten verbliebenen Tisch sitzt mutterseelenallein Doktor L und zeigt der Welt ein unverschämtes Grinsen.

      ''Wieso muss der Satansbraten nicht spielen wie jeder andere auch'', möchte der Alte wissen.

      ''Der ist durchgewunken worden. Eine Direktive von ganz oben. Und mit ins neue Universum darf er auch ohne sich zu qualifizieren'', antwortet die Jury.

      ''Warum das denn?!''

      ''Er hat die Wild Card gezogen!''

      Dahinter steckt ein tiefer Sinn. Man braucht selbst solche Leute wie Doktor L um ein funktionierendes Universum nicht nur aufzubauen, sondern auch in Gang zu halten. Typen von seinem Schlag sind sozusagen das gemischte Publikum. Er garantiert die Ausgewogenheit und Balance eines Systems. Er ist das Salz in der Suppe. Ohne ihn wäre wirklich kein Geschmack.

      ''Der baut doch nur Scheiße'', mögen einige einwenden.

      Ja, das ist tatsächlich fein beobachtet. Nichtsdestotrotz wird sein Scheiß dringend zur Aufrechterhaltung eines lebendigen Systems benötigt.

      Ansonsten wäre ja einfach alles immer nur richtig super dufte gut.

      Und soviel Güte hält doch kein Mensch aus!

      Mittlerweile