Bernd Dombek

Ab dä Fisch


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ausgeleuchtet und sogar mit einer frischen Tischdecke bezogen. Für die live Übertragung im Fernsehen sind mehrere Dutzend Fernsehkameras in unterschiedlichen Winkeln um ihn herum aufgebaut. Niemand soll auch nur das kleinste Detail verpassen. Frau Blum steht mit frischer Suppe bereit und genießt die volle Aufmerksamkeit des Fernsehens.

      Langsam wird das Licht in der Kantine herunter gedimmt. Die Atmosphäre gewinnt mehr und mehr an Dramatik. Man könnte jetzt sogar eine Stecknadel fallen hören.

      Ein Spotlight springt an und richtet sich auf den Kantineneingang. In dem kreisrunden Fleck schält sich jetzt der Umriss des Alten heraus. Langsam, gemessenen Schrittes und mit stolz erhobenem Haupt marschiert er zum Austragungstisch.

      ''Wie ein Preisboxer zum Ring'', rutscht es einem Reporter heraus.

      Im selben Augenblick ertönt olympische Musik und ein weiteres Spotlight reißt den gegenüberliegenden Eingang aus der Dunkelheit. Dort steht eine Frau mit Sportjacke bekleidet und einer Kapuze über dem Kopf. Auch sie marschiert jetzt in Richtung Epizentrum der Spannung. Leider kann man ihr Gesicht nicht erkennen, weil es von der Kapuze verdeckt wird und im Schatten liegt.

      ''Die Amazone sieht verdammt entschlossen aus'', begeistert sich der Reporter nochmals.

      ''Ja, was für ein Finale. The Beauty and the Beast'', pflichtet ihm sein Kollege bei.

      Die zwei Kontrahenten stehen sich jetzt gegenüber und halten Frau Blum ihre Teller hin.

      Die werden auch sogleich von ihr zu gleichen Teilen mit Suppe befüllt.

      ''Bitte nehmt jetzt Platz und wartet auf unser Kommando'', werden sie von der Jury aufgefordert.

      Unsere Finalisten setzen sich und stellen ihre Teller vorsichtig auf den Tisch.

      Dann ertönt das Kommando: ''Und los!''

      In diesem Moment streift die Frau ihre Kapuze zurück und gibt den Blick auf einen Wasserfall goldgelber, engelhafter Haare frei.

      ''Hallo Helge'', schmunzelt die Schöne.

      Beim Alten kommt es augenblicklich zur emotionalen Kernschmelze. Er kann buchstäblich fühlen wie seine Laktatwerte ins Bodenlose rutschen. Der Anblick hat ihn wirklich kalt erwischt.

      ''Hallo Wolke.''

      Dem Alten gegenüber sitzt seine ältere Schwester!

      Schon als Kind hat er keine Chance gegen sie gehabt. Später in seiner Jugend auch nicht und wahrscheinlich jetzt erst recht nicht. Eigentlich ist ihr Erreichen des Finales auch kaum verwunderlich. Mädchen sind sowieso viel wortreicher und sprachgewandter als Jungs. Bei Wolke kommt noch ein sagenhafter IQ von weit über 100.000 hinzu. Das ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben, nur eine grobe Schätzung. Einen Test, um den exakten Wert festzustellen, gibt es sogar im Himmel noch nicht. Das weiß der Alte nur allzu genau und muss nun dagegen antreten. Er braucht seine ganze Willenskraft, um eine Panikattacke beiseite zu schieben. Trotzdem bildet sich ein kleiner Schweißfilm auf seiner Stirn.

      ''Konzentriere dich Helge, konzentriere dich'', leiert er im Geiste wie ein Mantra herunter.

      Und tatsächlich klärt sich sein Blick wieder für die eigentliche Aufgabe. Durch sein Zögern hat sich Wolke inzwischen einen kleinen Vorteil verschafft. Bei ihr liegen schon die ersten Buchstaben fein säuberlich auf dem Tisch. Geschickt fischt der Alte nun ebenfalls in seiner Suppe herum. Aus irgendeinem geheimnisvollen Grund sind dort jetzt mehr Buchstaben drin als in den Runden zuvor.

      Das ist ein echter Glücksfall, denn nun kann der Alte sein Vorhaben, ein besonders langes und schwieriges Wort zu legen, in die Tat umsetzen. Was er in diesem Augenblick nicht richtig realisiert, ist die Tatsache, dass aus Gründen der Gerechtigkeit in Wolkes Teller exakt die gleiche Anzahl Lettern schwimmen.

      ''Meine Schwester hat mich lange genug unterdrückt. Hat mir als Kind sogar Speiseeis und Fischstäbchen eingeteilt. Mir reicht es. Wollen doch mal sehen wer hier am längeren Hebel sitzt. Ich knall der jetzt so ein Wort vor den Latz, dass ihr Hören und Sehen vergeht'', denkt der Alte entschlossen.

      Er breitet alle seine Lettern auf der Tischdecke aus und bringt so ein gerüttelt Maß an Ordnung in das Chaos. Der Alte überlegt kurz und scharf. Dann hat er den zündenden Einfall.

      ''Das wird den Rahmen sprengen'', murmelt er zuversichtlich und prüft die Buchstaben auf Vollständigkeit. Dann legt er los.

      Auf der anderen Seite des Tisches geht Wolke mit der abgeklärten Ruhe einer älteren Schwester zu Werke. Auch sie hat ihr Wort gewählt und legt entspannt einen Buchstaben an den anderen. Ein letztes Mal wird die Rechtschreibung überprüft.

      ''Ich bin fertig'', ruft Wolke entzückt.

      Nur den Bruchteil einer Picosekunde später komplettiert auch der Alte seine Arbeit.

      ''Ich ebenfalls!''

      Die Fernsehkameras zoomen auf das vom Alten gelegte Wort.

      LYSERGSÄUREDIETHYLAMID

      ''Jetzt bist du platt Wolke, was? Und das Wort hat obendrein 22 Buchstaben'', tönt der Alte stolz.

      ''Das hast du fein gemacht Helge. Respekt. Ehre, wem Ehre gebührt'', erwidert Wolke.

      ''Damit bin ich ja wohl durch, nicht wahr?''

      ''Gemach Gevatter, gemach'', ruft Wolke.

      ''Jetzt behaupte bitte nicht, dass das kein Begriff ist. Es handelt sich hierbei um LSD'', erklärt Helge.

      ''Ich weiß, war ja schließlich auch mal jung'', antwortet seine Schwester schmunzelnd, ''aber willst du nicht wissen, was ich gelegt habe?''

      Am liebsten hätte der Alte ''nein, lieber nicht'' gerufen, aber es sind zu viele Zeugen in der Kantine anwesend. Das hätte zu Peinlichkeiten geführt. Stattdessen würgt er sich ein freundliches

      ''ja gerne, zeig doch mal her bitte'', heraus.

      Kameras schwenken herüber und zoomen sich ein. Das Licht erscheint jetzt sogar noch etwas heller als vorher. Alles hält den Atem an und Wolke präsentiert ihr Wort.

      DESOXYRIBONUKLEINSÄURE

      In der Kantine brandet unbeschreiblicher Jubel auf. Was für ein Knaller Finale! Jedes der Worte hat genau die gleiche Anzahl Buchstaben. Nämlich 22, um es auf den Punkt zu bringen. Und jedes der Worte hat den gleichen Schwierigkeitsgrad. Jetzt ist die Jury gefragt. Nach kurzer Untersuchung der Sachlage ist die Entscheidung getroffen.

      ''Foto finish!''

      Und so geschieht es, dass man im Himmel zum allerersten Mal eine Endscheidung per Fotoanalyse durchführen lässt. Das Ergebnis ist sonnenklar und für niemanden überraschend.

      ''Wir freuen uns von ganzem Herzen bekannt geben zu dürfen, dass aufgrund eines klitzekleinen Zeitvorsprungs der Sieg an Wolke geht'', verkündet die Jury.

      Und zum wiederholten Mal wird eine Frau zur Göttin eines gesamten Universums gekürt.

      Applaus brandet durch den gesamten Himmel und die Fanfaren Kapelle der himmlischen Chöre schmettern in ihre Instrumente. Doktor L sitzt immer noch am Nebentisch und klatscht ebenfalls mit gemessenen Bewegungen in die Hände.

      ''Meine Anerkennung liebe Wolke. Hochachtung. Dann bist du es dieses Mal, die als meine Gegenspielerin antreten muss'', grüßt L geheimnisvoll lächelnd.

      ''Wir wollen einmal eins von vorneherein feststellen mein lieber Doktor L. Du bist ''MEIN'' Gegenspieler und nicht umgekehrt. Außerdem bin ich nicht deine liebe Wolke. Merk dir das!''

      ''Gut gut, ist mir in der Freude einfach so herausgerutscht'', beschwichtigt er sofort.

      Nun, die Begeisterung ist allgemein, nur beim Alten will keine richtige Freude aufkommen. Das Schicksal nimmt jedoch urplötzlich einen anderen Verlauf. Wolke bittet ihren Bruder in einen Nebenraum für ein Gespräch unter vier Augen. Dort unterbreitet sie ihm einen Vorschlag von ungeheurer Tragweite.

      ''Ich weiß, du hast geübt Helge.''

      ''Stimmt.''

      ''Und