Bernd Dombek

Ab dä Fisch


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Phänomen vorwiegend auf Planeten mit konstanter Nahrungsmittelknappheit, oder in Gegenden, wo außer Flechten und Moose nichts Vernünftiges zu essen wächst. Angefangen hat es auf dem Planeten Kul Üp. Aus einem dem Alten völlig unerklärlichen Grund, brachten die dort lebenden Kököck an jedem Wochenende Nahrungsmittel zu einem Versammlungsort, um sie ihm dort als Gabe zu opfern.

      ''Helge, isst du den Kököck etwa das Essen weg? Das reicht ja kaum für die selbst!''

      ''Jetzt mach aber mal 'nen Punkt Wolke. Das Zeug von denen ist doch unter aller Sau.''

      An dieser Aussage ist tatsächlich etwas dran. Da man sich auf Kul Üp vorwiegend vegetarisch ernährt und obendrein Rohkost unter den Einheimischen die favorisierte Zubereitungsart ist, kann das Spektrum der Geschmacksvielfalt eher als lausig bezeichnet werden. Als einzige fleischliche Alternative wird ein Wurm, der an einen ausgehungerten Engerling erinnert und auch genau so schmeckt, zu gewissen Festivitäten serviert. Dieser Wurm wird von den Dorfältesten zuerst mit einem Kissen erstickt, bevor man ihn zusammen mit einem vergoldeten Zahnstocher und einer winzigen Bürste auf einem Teller serviert. Der Zahnstocher ist jedoch nicht für die Reinigung der Zahnzwischenräume gedacht, sondern man durchsticht damit den Anus des Poi Pjong, wie der Wurm von den Kököck genannt wird. Danach kann das Vieh ganz einfach mit den Fingern vom Kopf her in Richtung untere Körperhälfte ausgedrückt werden. Um nichts vom köstlichen Innenleben zu verschwenden, muss der Feinschmecker daher konstant kräftig saugen, während seine Lippen den Anus kräftig umschließen. Aus hygienischen Gründen wird der deswegen mit der beigelegten winzigen Bürste vorher sorgfältig gereinigt. Dann wünscht man sich einen guten Appetit. Den Kököck scheint der Poi Pjong tatsächlich hervorragend zu munden. Für den Alten ist es jedoch eine Zumutung. Allein der Gedanke an zermanschtes Organ-Fäkalien Gemisch im Mund, verursacht bei ihm immer einen spontanen Ekelherpes. Da bevorzugt er doch lieber eine leckere Kohlroulade.

      ''Solange Frau Blum in unserer Kantine arbeitet und dort das Essen zubereitet, kommt mir so ein Scheiß nicht auf den Teller. Das ist voll eklig'', entrüstet sich der Alte.

      ''Schon gut Helge. Die haben es doch nur gut gemeint'', besänftigt Wolke.

      ''So viel Güte halte ich nicht aus!''

      Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Woche auf Kul Üp zirka 36 irdischen Stunden entspricht und es dann schon wieder Wurm zu essen gibt, kann man den Alten voll verstehen. Bis auf den heutigen Tag ist es ihm übrigens nicht gelungen diesem blödsinnigen Ritual Einhalt zu gebieten. Mit Sicherheit hat Doktor L, verkleidet als falscher Prophet, seine Finger im Spiel und feuert mit kontraproduktiven Kommentaren an die Ureinwohner den Wahn weiter an.

      ''Eure Sünden werden vergeben. Opfert noch mehr kostbare Nahrung als Zeichen eures Glaubens und betet auch zur Mutter Gottes um Fürbitte für euch.''

      ''Was hat denn jetzt unsere Mutti damit zu schaffen? Helge unternimm etwas dagegen'', fordert Wolke ihren Bruder auf.

      ''Ich stopf' dem Antichristen jetzt das Maul'', erklärt der Alte entschlossen.

      Durch dauerhaftes Anbieten von Ekelwürmern und beleidigendes Involvieren von Familienangehörigen platzt dem Alten, zum ersten Mal in der Geschichte des Universums, der Kragen. Am nächsten Wochenende, also gerade einmal 36 Stunden später, hält der falsche Messias wieder eine Rede an sein Volk. Doch bevor er weiteren Blödsinn zum Besten geben kann, greift der Alte ein, öffnet den Himmel und lässt ihn vor versammelter Mannschaft von einem Blitz erschlagen.

      ''Hättest du das nicht vielleicht etwas eleganter lösen können'', fragt Wolke.

      ''Jetzt kann ich es eh nicht mehr ändern, aber sag der Mutti nix davon, bitte!''

      Von diesem Augenblick an betrachtet der Alte das Ausschalten von ihm nicht genehmen Kreaturen durch Blitzschlag, als ein zuverlässiges, zweckdienliches und probates Mittel.

      Auf Kul Üp ändert sich jedenfalls nach dem öffentlichen Toasten ihres Hauptschamanen einiges an den Essgewohnheiten. Man sieht den Vorfall als klares Omen und beginnt die kargen Speisen zu kochen. Auch gegrillt wird dort jetzt mit der nötigen Hingabe. Ab sofort steht gesottenes Moos mit überbackenen Flechten auf der Kököck Tageskarte. Dazu gibt es den Poi Pjong jetzt gegrillt.

      Hand aufs Herz, das Vieh schmeckt auch gegrillt immer noch extrem beschissen. Erst sehr viel später, nachdem der Alte Tomaten und Chilischoten erfunden hat, findet so ein Poi Pjong gebraten, in grobe Stücke geschnitten und serviert mit Pommes Rot-Weiß, als kulinarisches Highlight einen Ehrenplatz in der Geschichte des Ruhrpottes. Man nennt ihn dort der Einfachheit halber Currywurst. Es ist aber, wie gesagt, der gleiche Wurm und schmeckt immer noch fragwürdig.

      Auf anderen Planeten ist die Entwicklung für die Ureinwohner nicht so glücklich verlaufen, obwohl die Currywurst als eine glückliche Fügung zu betrachten, in großen Teilen des Universums weiterhin stark angezweifelt wird.

      Ein Paradebeispiel dafür, dass ungefilterte Opferbereitschaft ziemlich unglücklich enden kann, ist Kotscheboil. Dieser Planet liegt ziemlich genau am anderen Ende der Galaxis. Ruhig und friedlich rotiert er ohne großes Aufsehen um sein Heimatgestirn. Einerseits ist es von Anfang an eine sehr karge und nährstoffarme Welt. Andererseits hat der Alte den dort ansässigen Bilsch eine gehörige Portion Intelligenz, als intellektuelles Rüstzeug für die Ansprüche der Evolution mit auf den Weg gegeben. Es herrscht für sehr lange Zeit eine ruhige Ausgewogenheit zwischen Nahrungsangebot und Nahrungsverbrauch auf Kotscheboil. Die Bilsch gehen wirklich außerordentlich klug mit den Ressourcen um. Alles was sie betreiben ist fachgerecht und nachhaltig. Gastfreundschaft nimmt bei ihnen einen hohen Stellenwert ein und so wird jeder Fremde der sich in ihre Dörfer verirrt, stets mit offenen Armen empfangen und üppig bewirtet. Alles in allem sind sie ein gottgefälliges Völkchen.

      Das ist dem Alten selbstverständlich nicht entgangen und so drückte er eines Tages sein Wohlgefallen in gewählten Worten aus.

      ''Siehst du Wolke, auf Kotscheboil läuft alles richtig gut, nicht wahr?''

      Durch eine zufällige, von Doktor L initiierte Raumzeit Verwerfung, die eine kurze Verformung der galaktischen Feldlinien verursacht, werden die Worte des Alten just in diesem Moment absichtlich in Richtung der Bilsch weitergeleitet. Zur selben Zeit steht Fräulein Regula, ihres Zeichens selbsternannte Seherin der Bilsch, auf der Hundeauslaufwiese des Zentralparks ihres Heimatplaneten. Sie versucht dort zum wiederholten Mal telepathischen Kontakt zu ihrem Haustier herzustellen. Es handelt sich hierbei um eine Überschlagreaktion, denn ansonsten ist Fräulein Regula eine ziemlich intelligente und seriöse Person mit ausgeglichener Mentalität. Sobald aber der kleine 'Pittermann' mit ins Spiel gebracht wird, kommt es bei ihr zu einer progressiven Infantilität. Man kann dann praktisch dabei zusehen, wie sich ihr IQ Stück für Stück erst einmal verabschiedet. Da steht man als Verteidiger des Abendlandes recht hilflos daneben und versucht eine Erklärung zu finden. Und in genau diesen Zustand ertönt die Aussage des Alten hinein.

      ''Pittermann, was hast du gesagt?!''

      Natürlich hat der kleine Hund nichts gesagt und gehört hat er auch nichts. Eigentlich hat er genug Auslauf für heute gehabt, hat ordentlich auf die Wiese gekackt und will jetzt am liebsten sofort wieder nach Hause, denn der kleine Hunger klopft gerade wieder an seine Tür. Doktor L hat vorsorglich eine Wiederholungsschleife in die Textübertragung eingebaut und so kommt es, dass Fräulein Regula die Worte des Herrn noch einmal in veränderter Form zu hören bekommt.

      ''Der Schöpfer schaut mit Wohlgefallen auf euch, aber ihr könntet euch langsam etwas erkenntlicher zeigen und eurem Herrn zum Dank ein Opfer bringen!''

      Im sicheren Gefühl eine Botschaft Gottes durch ihren keinen Hund empfangen zu haben und selbst die Auserkorene zu sein, macht sich Fräulein Regula auf den Weg in ihr Dorf um den Bilsch die freudige Nachricht zu übermitteln.

      Die Begeisterung ist grenzenlos!

      Endlich ist man vom Herrn wahrgenommen worden. In diesem Augenblick wird eine neue Religion aus der Taufe gehoben und geht als 'Tag der Interferenz' in die Geschichte ein.

      Von nun an wird geopfert was das Zeug hält. Und zwar mehr als man sollte. Um ihre Dankbarkeit zu zeigen hätte weniger als die Hälfte schon glatt ausgereicht.