Larissa Schwarz

Zauberhaft - Victoria


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fast nicht zu glauben.

      »Für mich dasselbe, aber statt Bull bitte eine große Cola.«

      Eine Sekunde später widmete er sich wieder ihrem Unterarm, den er zwischenzeitlich zu kraulen begonnen hatte. Er fühlte sich plötzlich wieder wie dreizehn, nicht wie dreiunddreißig. Einerseits so unbeschwert und frei, andererseits so verzaubert und im siebten Himmel, dass er hoffte, bis in alle Ewigkeit dort sitzen bleiben zu können und diesen Moment nie zur Vergangenheit werden zu lassen.

      Victoria schloss die Augen und vergaß das Geschehen um sie herum, spielte mit Magnus‹ Hand, genoss das Schweigen und das Gefühl, dass die Zeit stillzustehen schien.

      »Sooo, eine Coke und zwei Bull, Essen dauert noch eine Viertelstunde.« Die Kellnerin hatte die Getränke abgestellt und war davongeeilt. Ungewollt unterbrochen rappelten sich beide auf und lösten sich aus der engen Umarmung. Die erste Dose Red Bull war in einem Zug geleert, die zweite ließ Victoria noch unangetastet.

      Magnus amüsierte sich. »Hebst du eigentlich ab, wenn du das Zeug im Auto trinkst?«, frotzelte er.

      »Ha-ha. Du bist ganz schön frech.« Sie kniff ihn sanft in die Seite. Wobei es dort nicht viel zu kneifen gab, außer Muskeln.

      »Hast du gerade geschnurrt, als du mich gekniffen hast?«, fragte er gespielt theatralisch.

      »Ich? Niemals ...« Grinsend schüttelte Victoria den Kopf.

      »Ah, ich dachte, ich hätte da so was gehört ... Schade ...« Statt ihre Antwort abzuwarten, zog er sie mit einem festen Ruck nah an sich heran und legte den Arm wieder um sie. Er musste jetzt dringend ein belangloses Thema anschneiden, um sich von dem Wunsch abzubringen, an Ort und Stelle ganz andere Sachen mit ihr anzustellen.

      »Duuu ... Ich hab heute Morgen Thomas kennengelernt.«

      »Thomas Bachmann? Ist ja interessant. Wie das?«

      »Wir hatten vor meiner Abreise in Berlin miteinander telefoniert und den Termin ausgemacht. Ich hatte es nur total vergessen und bin gerade eben noch pünktlich gewesen. Er hat übrigens innerhalb einer Minute herausgefunden, dass du und ich uns kennen.« Magnus erzählte von der kurzen Begegnung mit dem Bürgermeister und nippte hin und wieder an seiner Cola.

      »Tja, dann kennst du ja inzwischen gut die Hälfte der wichtigsten Personen in Eschberg ...«, lachte Victoria. »Fehlen hauptsächlich noch Elisabeth und Moritz, aber wenn ich das richtig sehe, kommen die beiden gerade da vorne durch die Tür ...« Sie winkte dem Paar, das justament das Café betrat. Elisabeth stürzte sofort auf Victoria zu, die ihr mit ein paar Schritten entgegenlief.

      »Heyyyyyy, schön dich hier zu sehen! Hoher Besuch ...«

      »Ha-ha ... Umgekehrt wird ja wohl eher ein Schuh draus ...« Die beiden Frauen fielen sich in die Arme.

      »Wen hast du da mitgebracht???« Elisabeth deutete auf Magnus, der in Sicht- aber nicht Hörweite saß. Moritz stand immer noch hinter ihr. »Erzähl ich euch gleich gern. Tu mir bitte nur einen Gefallen: kein Wort über ECG. Wir sind noch nicht so weit.«

      »Alles klar, meine Liebe.«

      Im gleichen Atemzug fiel Victoria Moritz um den Hals, begrüßte ihn und schleifte die beiden zu ihrem Tisch. Magnus war aufgestanden und schüttelte ihnen die Hand.

      »Magnus Brandt, Elisabeth und Moritz von Eschberg.« Sie setzten sich.

      »Hey, unser neuer Direktor des Amtsgerichts?« Elisabeth grinste.

      »Liest hier eigentlich jeder Zeitung?«, seufzte Magnus ironisch.

      »Ich nicht ...« Moritz zwinkerte ihm zu. »Aber keine Bange, das spricht sich so oder so schnell rum. Seit wann bist du in der Stadt?«

      »Seit dem Wochenende umgezogen und seit gestern im Amt«, erklärte er. »So? Und schon hat Victoria dich unter ihre Fittiche genommen?« Elisabeth hatte ihren investigativen Ton angeschlagen.

      »Wenn man so will ...« Magnus lachte. »Woher kennt ihr drei euch?«

      Moritz hielt sich bedeckt, Elisabeth schmunzelte und Victoria ergriff das Wort.

      »Wir haben früher zusammen gearbeitet. Moritz hat dann vor anderthalb Jahren die Firma verlassen und ein halbes Jahr später auch meine liebe Elisabeth abgeworben. Lange Geschichte. Erzähle ich mal in Ruhe.« Victoria hoffte, damit zunächst unter dem Radar zu bleiben.

      »Und woher kennt ihr beide euch?«

      »Liebling, sei nicht so neugierig.« Moritz küsste seine Frau auf die Wange. »Ich dachte, meine Familie hat Hunger ...«

      »Moooment ... Familie?« Victoria blickte in die Gesichter von Moritz und Elisabeth.

      »Jap.« Moritz grinste zufrieden. »Wir wussten es schon letzten Monat auf der Hochzeit, aber wollten es da noch nicht sagen ...«

      Im Sturm der Glückwünsche ging die Kellnerin mit dem Essen fast unter. Als Victoria die zweite Dose Red Bull öffnete, sah Elisabeth sie mit großen Augen an. »Darf ich mal dran riechen? Nur ganz kurz. Bittööööö.«

      »Herrje, du darfst ja im Moment nicht ... Natürlich. Bitte.« Sie reichte ihr die Dose und wandte sich erklärend zu Magnus. »Elisabeth und ich waren früher quasi die ›Bullyparade‹. Wenn du der Spur aus leeren Dosen gefolgt bist, hast du mindestens eine von uns beiden gefunden. Na ja, jetzt wo sie schwanger ist, darf sie ja nicht mehr ...«

      Moritz schüttelte nur den Kopf. »Das ist so ziemlich das größte Opfer, das sie bringt. Abgesehen vom Meiden diverser Käsesorten, Verzicht auf rohen Fisch und pffft, tausend anderen Sachen ...«

      Kurz nachdem auch Moritz und Elisabeth gegessen hatten, lösten die beiden die illustre Runde auch schon wieder auf. »Ich bin nur noch müde. So oder so. Ich könnte von morgens bis abends schlafen und von abends bis morgens. Der Arzt meinte, wir sollten uns auf Zwillinge einstellen.«

      Die Verabschiedung verlief dann mehr als herzlich. Moritz und Magnus hatten sich für die kommende Woche zum Boxtraining verabredet. Allmählich dämmerte es Victoria, wie er sich in Form hielt.

      »Bist du böse, dass ich sie an unseren Tisch gelotst habe?«

      »Nein, keineswegs. Ich finde die beiden sehr sympathisch. Außerdem hast du mir damit einen, wie ich mal schätze, ebenbürtigen Sparringspartner verschafft und ich kenne jetzt offiziell alle wichtigen Leute in Eschberg. Was will ich mehr?« Magnus hielt sie im Arm und sah sie herausfordernd an.

      »Keine Wünsche mehr offen? Schade ...« Victoria wand sich aus seinem Griff und verfinsterte ihre Miene. Doch Magnus hatte schnell reagiert und hielt sie wieder fest. Sein Gesicht vergrub er zwischen ihren Haaren und ihrem Hals. Als sie sich merklich entspannte küsste er sie ein-, zweimal und fuhr mit seinen Fingern wieder über ihren Arm. »Hiergeblieben ... Da sind noch sehr viele Wünsche offen«, wisperte er in ihr Ohr. Er spürte, dass er sie damit um den Verstand brachte, aber nach außen hin ließ sich Victoria so gut wie nichts anmerken.

      »Als Erstes wünsche ich mir, zu wissen, was du gerade denkst ...«, flüsterte er.

      »Das ist gemein ...« Victoria schmollte. »Aber na gut. Ich kann ja nicht dauernd offene und ehrliche Kommunikation von meinen Mitmenschen einfordern und dann selbst mit meiner Meinung hinter dem Berg halten. Alsoooo. Bevor du gefragt hast, habe ich noch kurz an Elisabeth und Moritz gedacht. Die beiden hatten einen ziemlich, nennen wir es ›turbulenten Start‹ in ihre Beziehung. Ich weiß auch nicht alle Details, aber das war schon sehr schicksalsträchtig. Beide verwitwet, sie wusste zunächst nicht, dass er Prinz von Eschberg ist, er hat sie dann nach einer kurzen Beziehung verlassen und dann hat es eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis sie wieder zusammengekommen sind. Aber total süß. Er ist ihr extra nach Irland hinterhergeflogen letztes Jahr.«

      »Oh. Hätte ich jetzt auf den ersten Blick nicht vermutet. Beide verwitwet sagst du?«

      »Ja, Moritz‹ erste Frau starb an einem Hirntumor und Elisabeths damaliger Mann bei einem Flugzeugabsturz. Moritz war zu dem Zeitpunkt aber dauerhaft beurlaubt. Dass er jahrelang unter falscher Identität