Larissa Schwarz

Zauberhaft - Victoria


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      »Ja, natürlich. Ich wollte jetzt auch auf nichts anderes hinaus als einen Gute-Nacht-Kuss und eine klitzekleine Antwort auf eine klitzekleine Bitte.« Sie zeigte mit Daumen und Zeigefinger das »klitzeklein«, woraufhin Magnus ihr einen flüchtigen Kuss gab.

      »Ja, immer. Aber erst die Frage, dann das Vergnügen.« Er zog sie näher an sich heran und schlang seine Arme um ihre Taille, legte seinen Kopf an ihre Schulter und hörte zu.

      »Versprichst du mir, mich nicht zu googeln, bis morgen Mittag?« Sie sah ihn skeptisch an.

      »Ja. Auch wenn du mich damit jetzt erst recht neugierig gemacht hast.« Er hob den Kopf an und sah in ihre Augen.

      »Ich weiß, ich habe schlafende Hunde geweckt. Aber wenn du morgen nach Düsseldorf kommst, werde ich anders sein als hier. Hier bin ich privat, Düsseldorf ist Business. Wir gehen gern zusammen was essen und ich hoffe, dass nichts dazwischen kommt. Aber im Internet steht eine Menge Unwahrheiten über mich, meine Arbeit. Ich wollte nur sichergehen, dass du nicht mit falschen Informationen in die Stadt kommst und dich wunderst, warum ich so komisch bin. Falls ich komisch werde.«

      »Du bist so süß, wenn du dich rechtfertigst, obwohl nichts passiert ist.« Er wiegte sie in seinem Arm. »Versprichst du mir auch was?« Es brach ihm jetzt schon das Herz, obwohl er sie noch gar nicht gefragt hatte.

      »Ja!?«

      »Dass wir uns erst wirklich näherkommen, wenn du aus Dubai zurück bist?«

      »Der Koffer in Berlin?« Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte, die Tränen zu unterdrücken, die ihr gerade in die Augen stiegen.

      »Auch. Nichts Gefährliches, Ansteckendes oder Illegales. Nur eine Baustelle, die ich gern vorher abschließen würde.« Er atmete tief, sog wieder den Duft ihrer Haare ein und seufzte.

      »Ja.«

      »Ja? Einfach nur ja?«

      »Ja.« Sie nickte. »Ich werde in Dubai auch einen Flughafen BER zu Ende bauen.«

      »Der Fairness halber hake ich jetzt nicht weiter nach. Scheherazade.«

      »Ich auch nicht ... Sofern ich einen klitzekleinen Gute-Nacht-Kuss bekomme!?«

      Sie bekam ihn. Und wenn er noch so klitzeklein war, stellte er doch alles in den Schatten, was sie je zuvor gefühlt hatte.

      Magnus fiel erschöpft in den Autositz. Sein Herz schlug wie wildgeworden und als er sich angeschnallt und den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt hatte, drehte er zunächst das Radio leiser. Dann wieder lauter. Chicago – You’re the Inspiration. Ein Blick zur Seite. Victoria hatte die Scheibe auf der Fahrerseite ihres Wagens bereits heruntergelassen. Er öffnete seine auf der Beifahrerseite. Sie sah ihn an. »Hörst du?«

      »Ja, ich höre.«

      Die letzten zwei Minuten des Songs blieben sie selig lächelnd und sich immer wieder ansehend in ihren Autos nebeneinander stehen. Erst, als der letzte Takt verklungen war, heulte der Motor des Shelbys auf und auch Magnus trat den Heimweg an.

      Victoria rief noch an der ersten Ampel ihren Vater an.

      »Liebling, ist alles in Ordnung?«

      »Ja, ich sitze im Auto. Kann ich noch kurz rumkommen? Ich brauche deinen Rat.«

      »Immer. Du weißt doch, dass ich nie vor eins ins Bett gehe. Wann bist du hier?«

      »In ein paar Minuten.«

      »Bis gleich.«

      Sie parkte den Wagen in der Tiefgarage unter der Villa und lief die wenigen hundert Meter zu ihrem Vater zu Fuß. Etwas frische Luft konnte nicht schaden.

      Wilhelm Engwald stand bereits in der Tür, als seine Tochter das schmiedeeiserne Tor durchschritt und den kleinen Weg zum Haus hinauflief. Er hatte gerade die Abendrunde mit den Hunden Justus und Jonas beendet; die beiden hellen Weimaraner lagen im Flur, die Köpfe auf den Pfoten, und warteten. Als sie Victoria sahen, sprangen sie auf und wedelten freudig erregt mit den Schwänzen.

      »Ich hab leider nichts für euch mitgebracht«, rief sie und kraulte die beiden an den Ohren. Ihren Vater begrüßte sie mit einer angedeuteten Umarmung und Küsschen. Er dirigierte sie ins Wohnzimmer, wo sich Victoria in den ledernen Ohrensessel schwang. Alsbald lagen die beiden Hunde zu ihren Füßen.

      »Du strahlst so, das ist schön. Was ist der Anlass?«

      »Was soll ich sagen? Ich bin verliebt. Wahnsinnig. Und das ist auch der Grund, warum ich dich um deinen Rat ersuche.«

      »Ah, das freut mich für dich. Ich dachte zunächst, es ginge um die Firma!?«

      »Nein, ECG läuft wie ein Schweizer Uhrwerk. Keine Sorge. Aber in vier Wochen ist ohnehin Aufsichtsratssitzung, dann kannst du dich persönlich davon überzeugen.« So ganz losgelassen hatte er immer noch nicht, aber wie auch. Sein Herzblut steckte in der Firma und sein Fleisch und Blut leitete sie.

      »Ich vertraue dir, Liebling. Das weißt du auch. Nun erzähl, was gibt es, beziehungsweise, wen gibt es?«

      »Es gibt Dr. Magnus Brandt.«

      »Den neuen Direktor des Amtsgerichts?«

      »Ja. Genau den.«

      »Das musst du mir jetzt aber erklären, der ist doch noch gar nicht so lange hier ...«

      Und Victoria erklärte. Berichtete von ihrer ersten Begegnung. Ihrer zweiten. Und dem heutigen Abend. Sie umschrieb die Gemeinsamkeiten, die sich in den letzten zwei Tagen aufgetan hatten und Wilhelm hörte aufmerksam zu, ließ sie erzählen, ließ sie schwelgen und spürte, dass es ihr ernst war.

      »Und in welchem Detail bist du so unsicher, dass du meinen Rat möchtest?«

      »Ich weiß nicht, wie ich ihm ECG erklären soll. Weißt du, ich habe dir von den meisten Dates in der Vergangenheit ja erzählt und bei Magnus habe ich einfach das Gefühl, dass er richtig zurückschreckt, wenn er ungefähr abschätzen kann, auf was und wen er sich da einlässt.«

      »Was heißt auf wen ...? Er hat dich privat kennengelernt, das heißt, wen er sich da angelacht hat, wird er also jetzt schon wissen. Und was damit verbunden ist, kannst du ihm ja schonend beibringen. Ich bin übrigens sehr beruhigt, dass es diesmal keiner von der anderen Sorte ist.«

      »O ja ... Ich auch. Nur wird er mich morgen in Düsseldorf zum Essen treffen. Ich habe Angst, dass das mit ECG zu schnell zu groß wird. Ich weiß, dass Magnus aus normalen Verhältnissen stammt, ich will ihn weder anlügen noch allzu lange im Unklaren lassen. Am liebsten würde ich ihn noch vor Dubai einweihen. Aber irgendwie hat er auch noch ein paar Sachen in Berlin zu klären. Wir haben noch nicht darüber gesprochen.«

      »Hm. Was denkst du, könnte das sein?«

      »Keine Ahnung. Ex-Freundin? Schulden? Schlimmstenfalls ungeklärte Vaterschaftsverhältnisse. Aber ganz im Ernst: Das ist mir ziemlich egal.«

      »So?«

      »Ja. Frag mich nicht, woher ich diese Sicherheit nehme oder warum ich nicht, wie üblich, anfange, ihn zu googeln, einen Privatdetektiv auf ihn ansetze oder sonst was.«

      »Du vertraust ihm!?« Wilhelm Engwald rieb sich das Kinn.

      »Ja. Er hat so eine äußerst besonnene, ruhige Art. Und auch völlig losgelöst davon, dass er Richter ist, habe ich bei ihm einfach das Gefühl, dass ich ihm blind vertrauen kann, ja.«

      »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich so etwas noch nie von dir gehört.«

      »Siehst du, ich auch nicht. Und das macht mir Angst.«

      »Warum? Das ist doch etwas Schönes.«

      »Ja, nur ... Ich kann es momentan noch nicht genießen.«

      »Dubai?«

      »Dubai.«

      »Du magst Hakim immer noch?«

      »Ja.«

      »Liebst