Larissa Schwarz

Zauberhaft - Victoria


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er, wie eine Hand über seinen Rücken strich. Wie in Zeitlupe drehte er sich zur Seite und blickte in Victorias Gesicht. Die Augen gerötet und blass um die Nase. Sie sah verweint aus. Aber lächelte. »Hi«, sagte sie leise.

      Magnus stand auf und nahm ihre Hand, die sie noch auf seinem Jackett verweilen ließ.

      »Hi ...«

      Sie tat ihm so unendlich leid, wie sie dort stand; ein kleines Häufchen Elend in High Heels. Kein Zweifel, sie hatte seinetwegen geweint. Unsicher strich er über ihre Finger.

      »Kommst du bitte mit?«, fragte sie ebenso leise, wie sie ihn begrüßt hatte.

      »Ja, wenn es dir nichts ausmacht und ansonsten auch okay ist!?«

      »Ja ... Mach dir keine Sorgen.« Sie zwinkerte ihm zu und deutete ihm den Weg Richtung der großen Treppe am Ende der Lobby.

      Wollte sie ihn nur in Sicherheit wiegen und dann in ihrem Büro auseinandernehmen oder was sollte das hier werden?

      »Du hast kalte Hände ...«, sagte sie mitleidig, als sie die ersten Stufen genommen hatten.

      »Ich habe auch ein wahnsinnig schlechtes Gewissen und bin ein bisschen nervös ...«, entgegnete Magnus ihr.

      Victoria blieb auf dem Treppenabsatz stehen und sah ihn an. »Das habe ich auch und das bin ich auch.« Sie zog ihn näher zu sich heran, ein paar Mitarbeiter kreuzten ihren Weg und schauten sie fragend an. Victoria nickte stumm aber freundlich und sah Magnus mit festem Blick direkt in die Augen.

      »Ich kann mir denken, dass du mich überraschen wolltest, leider lockt mich das jetzt unvorhergesehen aus der Reserve.«

      »Was meinst du?«

      »Shhhh.« Victoria legte ihm den Finger auf die Lippen. »Wir gehen jetzt in mein Büro und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du es erst wieder verlässt, wenn wir uns ausgesprochen haben.«

      »Du machst mir gerade Angst ...«

      »Ich mir auch. Ich mir auch ... Komm!«

      Wenige Schritte weiter zückte Victoria ihren Mitarbeiterausweis aus der Blazertasche, öffnete über die Kartenleser noch zwei Türen und nahm Magnus wieder bei der Hand.

      Vor einem weiteren kleinen Empfang blieb sie stehen.

      »David, ich möchte nicht gestört werden. Egal, was passiert.«

      »Sehr wohl.«

      Magnus sah, wie verdutzt der junge Mann auf seine Hand schaute, die immer noch in ihrer lag und wie er offenbar im Geiste noch einmal wiederholte, was Victoria gerade gesagt hatte.

      Sie schloss die Glastür und auf einen Fingerstreich hin verwandelte sie sich in eine Milchglasscheibe, zwei Handbewegungen später waren die Jalousien leicht geöffnet und das vorher steril wirkende Büro wurde in ein wärmeres Tageslicht getaucht. Es war riesig. So groß wie der Hauptgerichtssaal in Eschberg. Und außen an der Tür hatte er ein Namensschild erspäht.

      Dr. Victoria Berg, Chief Executive Officer.

      Sein Herz rutschte ihm in die Hose.

      Victoria wandte sich Magnus zu, seine Hand hatte sie die ganze Zeit nicht losgelassen, aus Angst, er könnte weglaufen.

      »Was möchtest du trinken? Dr. Pepper?«

      »Ja, gern.«

      Sie öffnete die Tür noch einmal, steckte den Kopf hindurch und sprach mit ihrem Assistenten. »David, bringst du uns bitte ein großes Dr. Pepper und ein großes Bull?«

      »Ja, sofort. Ich weiß, ich soll nicht stören –«

      »Aber?«

      »Erstens kann ich die Getränke schlecht unter der Tür durchschieben und zweitens ist das Büro von A.M. auf Leitung zwei.«

      »Klopf einfach an, bevor du reinkommst!«

      »Und was mache ich mit A.M.?«

      »Ich rufe zurück.«

      »Aber ...«

      »Kein aber. Ich setze hier die Prioritäten. Immer noch.«

      »Tja, herzlich willkommen in meiner Welt ...«, sagte Victoria seufzend. »Lass es uns da vorn in der Sitzecke gemütlich machen ...«

      Sie deutete auf den kleinen Tisch mit der edlen Ledergarnitur. Zwischen den Pflanzen wirkte die Ecke tatsächlich gemütlich, das Gemälde, welches darüber an der Wand thronte, zeigte eine mittelalterliche Turnierszene, den Tjost. Magnus fühlte sich magisch von diesem Bild angezogen und vergaß für einen Augenblick, was ihn in dieses Büro geführt hatte. Wer ihn in dieses Büro geführt hatte.

      »Träumerle ...« Victoria lachte und lehnte sich an ihn. In diesem Moment klopfte es, David stellte die Getränke ab und entfernte sich lautlos.

      »Danke!«, rief Victoria ihm hinterher. »Setz dich gern«, forderte sie Magnus auf. Sie nahmen über Eck Platz. Magnus auf dem Sofa, Victoria im Ohrensessel.

      »Okay, willst du nicht doch erst Leitung zwei verarzten?« Es klang ihm irgendwie zu wichtig, als dass er es unkommentiert stehen lassen wollte. »Ich will nicht, dass du meinetwegen einen Kunden vergrätzt.«

      Victoria lachte laut. »Du verstehst dich sicherlich super mit David ... Der zerbricht sich auch andauernd meinen Kopf. Keine Sorge, Frau Merkel kann warten.«

      »Merkel. A.M. wie Angela Merkel!?« Magnus hielt die Luft an.

      »Ja. Wie Dr. Angela Dorothea Merkel. Ruft immer dann an, wenn sie einen guten Rat braucht und ihre Wirtschaftsweisen sich uneins sind. Das hat Zeit. Glaub mir.«

      Magnus schluckte schwer. »Bis gerade war ich einfach nur beeindruckt. Jetzt mache ich mir langsam wirklich in die Hose. Du lässt die Angela Merkel meinetwegen warten?«

      »Ja. Aus gutem Grund.« Sie öffnete die Dose und trank einen Schluck. »Weißt du, ich habe gestern eine Weile mit meinem Vater gesprochen, ein paar Dinge reflektiert, insbesondere auch die Geschichte von Elisabeth und Moritz, die in diesen heiligen Hallen hier ihren Anfang genommen hat ... Und ich habe mich die halbe Nacht gefragt, wie ich dir die Firma und meinen Job irgendwie näher bringen kann, ohne dich zu überfahren. Und plötzlich sitzt du in meiner Lobby, duzt meinen Head of Legal Consulting and Compliance und bekommst das alles hier hautnah mit ...« Ihre Stimme schwankte zwischen Bestimmtheit und Schluchzen.

      »Ich .... Ich wollte hier nicht eindringen. Der Termin vorhin hat früher stattgefunden und ging so rasant, dass ich hierhergelaufen bin. Ich habe dich nicht gegoogelt, nur nach der Adresse der Firma gesucht und ...« Die Sprachlosigkeit überfiel Magnus.

      »Ich hab mir so was schon gedacht ... Weißt du, ich vertraue dir. Frag mich nicht warum, aber ich vertraue dir. Ich traue nur mir selbst nicht und der Situation. Das ist alles ...«

      »Wie meinst du das?«

      »Als ich dir gesagt habe, dass ich viel arbeite und besser verdiene als die Männer, die ich gedatet habe, habe ich das alles hier weitestgehend heruntergespielt. Ja. Aber das war ein Reflex. Eben aus der Erfahrung heraus, dass ich so oft die Falschen getroffen habe. Mir war zwar bewusst, dass du anders bist, aber ich wusste nicht, wie ich das alles erklären sollte.«

      »Hm. Es war ja auch noch nicht so viel Zeit und Möglichkeit dazu ...« Magnus meinte das ernst. Sie schwiegen. Kein peinliches Schweigen. Jeder sortierte seine Gedanken, Emotionen.

      »Hast du Hunger?«, fragte Victoria. »Mir knurrt der Magen. Es gibt heute Gefüllte Aubergine mit Reis oder Steak mit Ofengemüse und noch irgendwas Veganes ...«

      »Du denkst jetzt nicht wirklich an Essen, oder?« Magnus seufzte lachend.

      »Doch. Ständig«, gab Victoria kleinlaut zu.

      »Steak. Wann immer es zur Auswahl steht.«

      »Wieso überrascht mich das jetzt so rein gar nicht?«

      Victoria ging erneut zur Tür und trug David die Essensbestellung