Larissa Schwarz

Zauberhaft - Victoria


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Und von der Mutter hat man nie wieder was gehört oder gesehen.«

      »Sehr traurig ...« Magnus war berührt. Hatte er Victoria bisher nur als liebens- und begehrenswert kennengelernt, überwog gerade das Mitleid.

      »Ja, Sie sagen es. Wie man als Mutter so was tun kann. Das wäre mir mit meinem Sebastian und dem Kurt im Traum nicht eingefallen. Aber was soll ich sagen, Dr. Engwald hat sich rührend um die Kleine gekümmert, nie auch nur eine Schulaufführung versäumt, nebenbei dieses Imperium aufgebaut und ... Herrje, ja. Die beiden sind so bodenständig geblieben. Reich, ja. Aber immer freundlich, großzügig und vor allem nahbar. Nicht so, wie man das so aus der Zeitung kennt von solchen Leuten ... Aber was rede ich ... Sie haben Victoria ja selbst kennengelernt.« Irene Scharnweber war aufgestanden. Blickte erschrocken auf die Uhr und rief: »Sie müssen los!«

      Magnus schmunzelte. »Ja, sofort. Aber erst möchte ich mich noch bei Ihnen für das Gespräch bedanken.« Er nickte ihr zu und lächelte: »Danke.«

      »Aaaach, da nicht für.« Kopfschüttelnd und mit geröteten Wangen verließ sie das Amtszimmer.

      Magnus gönnte sich noch einen Moment für die Reflexion. Frau Scharnweber hatte sein Bild von Victoria nur bestätigt, was ihn sehr beruhigte. Dennoch lastete die Situation schwer auf seinem Gemüt, Victorias plötzliche Abreise war wie ein unerwarteter Schlag in die Magengrube. Dazu noch die unerfreuliche finanzielle Lage. Es fühlte sich an, als sei sein Leben ein Fisch, den er mit bloßen Händen zu fangen versuchte. Kalt und glitschig, flink und wendig. Und für einen Moment überlegte er, ob er ihn nicht einfach schwimmen lassen sollte.

      Victoria würde es vielleicht gar nicht so eng sehen, aber die Welt in der sie lebte, war ihm fremd. Sehr fremd. Seine Eltern lebten seit jeher zur Miete, sein Vater war früher Bergmann gewesen, als die Zeche schloss machte er eine Umschulung und arbeitete seitdem als Fachberater in einem Baustoffhandel. Seine Mutter war seit Jahr und Tag Bäckereifachverkäuferin. Die beiden hatten immer zu ihm und Anna gesagt: »Seht zu, dass ihr es im Leben zu etwas bringt, das euch ernährt, Spaß macht und womit ihr glücklich seid.« Er und seine Schwester hatten es beherzigt. Zu würdigen wusste er die Leistung seiner Eltern erst jetzt. Und schämte sich umso mehr, dass er zumindest einen Teil seines Lebens so in den Sand gesetzt hatte. Ich muss die beiden dringend mal wieder besuchen.

      Nachdem Magnus ihr Büro verlassen hatte, setzte sich Victoria an den Schreibtisch, kaute auf dem Rand der Red-Bull-Dose herum und versuchte, sich zu konzentrieren. Er war hier gewesen. Ihr Herz stolperte immer noch vor sich hin. Der Worst Case war eingetreten und entpuppte sich als Glücksfall. Es hatte sich alles von allein ergeben.

      Sie schloss die Augen, erinnerte sich an das Gefühl, das seine Lippen auf ihrer Haut hinterlassen hatten, sein Lächeln. Der Abschied war beiden extrem schwergefallen. Was Magnus über sie und das Bild gesagt hatte, hatte sie aus dem Konzept gebracht. Er hatte sie danach ein letztes Mal fest in die Arme geschlossen und sie lang auf die Stirn geküsst. Für den Bruchteil einer Sekunde hatten sich daraufhin ihre Lippen zu einem Kuss gefunden, als sie auch schon wieder voneinander ablassen mussten, weil der Fahrer an die Tür klopfte.

      Victorias Handy schellte. Elisabeth von Eschberg.

      »Hallo Liebelein. Wie geht es euch?«

      »Oh, frag nicht. Ich bin positiv auf müde getestet worden ... Und ich kann gar nicht so viel frische Luft atmen, wie mir übel ist ... Ich bin müde, mir ist speiübel und ich bin müde. Erwähnte ich bereits, dass ich müde bin?«

      »Du Arme. Kann ich dir was Gutes tun?«

      »Nicht nötig, Moritz trägt uns auf Händen, wo er kann. Aber gegen die Schwangerschaftssymptome ist noch kein Kraut gewachsen. Ich wollte dir eigentlich auch nur kurz hallo sagen und dich und Magnus zum Abendessen bei uns einladen, irgendwann nächste Woche.«

      »Oh, das ist nett. Ich flieg aber heute Abend nach Dubai und werde vor dem 01.08. wohl nicht zurück sein.«

      »Ach herrje. Wie hält Magnus das aus?«

      »Gute Frage ... Ich hoffe, er hält es überhaupt aus.«

      »Hm, so eine junge Liebe direkt derart auf den Prüfstand zu stellen ist aber auch gemein ...«

      »Ich weiß ja, dass du aus Erfahrung sprichst.« Victoria seufzte. »Sag mal, wie sehr hattest du damals damit zu kämpfen, dass Moritz ... nun ja ...«

      »Du meinst ›so reich ist, ein Prinz und Erbe von Eschberg‹?« Elisabeth klang völlig entspannt.

      »Ja. Ich meine, eigentlich wollte ich dich das nicht fragen, aber ich zermartere mir das Hirn ...«

      »Liebelein, ich war total geschockt, als das herauskam. Und habe mir Bedenkzeit erbeten. Uns beiden war ja klar, dass wir zusammen sein wollten, zusammengehören. Aber ich hatte mächtig Angst davor, Prinzessin von Eschberg zu sein. Ich kam mir vor wie Cinderella ... Und du weißt, dass das nicht mein Ding ist. War. Aber weißt du, Georg hat mich damals beinahe mehr aufgefangen als Moritz. Der war noch ein bisschen zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Irgendwie ging das auch alles etwas schnell, zu schnell. Deswegen ja auch die unrühmliche Trennung zwischenzeitlich. Aber das vorläufige Ende vom Lied kennst du ja.«

      »Ja ...« Victoria seufzte erneut. »Danke, dass du mir das noch mal so vor Augen geführt hast. Magnus war nämlich heute hier und hat quasi ›die volle Dröhnung ECG‹ bekommen.«

      »Auweia.«

      »Ja. Ich hatte mich im Büro eingeschlossen, um abzuschalten. Dann kam die Nachricht von Hakim, dass ich dringend eher kommen muss und plötzlich steht Markus vor meinem Schreibtisch und faselt was von Magnus. Ich hab das erst gar nicht kapiert.«

      Elisabeth lachte laut. »Nein ... Und dann?«

      »Na ja, dann habe ich Magnus in mein Büro geholt, wir haben was gegessen, ein bisschen geredet und dann musste er auch schon wieder los.«

      »Und jetzt hast du Angst, dass er über die zeitliche und räumliche Trennung auf zu viele komische Ideen kommt?«

      »Ja.«

      »Ich hatte aber den Eindruck, dass du ihm vertraust. Und dir ziemlich sicher seinetwegen bist. Jetzt mal unter uns Pastorentöchtern; du hast noch nie jemanden mit ins Daily gebracht. Ihr habt ja quasi auf dem Präsentierteller gesessen ... und Magnus scheint mir auch niemand zu sein, der sich mit dir in die Öffentlichkeit wagen würde, wenn er sich nicht bereits sicher wäre.«

      »Will heißen?«

      »Liebelein, auch wenn du das noch nicht so siehst, ich bin mir sicher, dass ihr beide zusammengehört. Punkt.«

      »Du bist so weise.«

      »Und so müde ...« Elisabeth gähnte wie zum Beweis. »Liebelein, melde dich einfach, wenn du aus den VAE zurück bist. Entweder zum Abendessen zu viert oder, wenn du seelischen Beistand möchtest, auch gern allein. Hm?«

      »Mach ich. Dann legt euch mal fein hin und ruht euch aus ...«

      »Machen wir, machen wir.«

      Magnus sah auf die Uhr. Zehn nach neun.

      In einer Viertelstunde würde Victoria fliegen. Er saß immer noch in seinem Büro, hatte Unmengen an Urteilen gefällt, Beschlüsse unterzeichnet und sich durch sechs Gürteltiere gearbeitet. Der Stapel wurde kleiner. Die Unsicherheit wuchs. Vor zwei Stunden hatte sie ihn noch einmal angerufen. Er war froh, ihre Stimme zu hören, aber es schürte die Sehnsucht nach ihr schon so sehr, dass er sich ernsthaft fragte, wie er die nächsten vermutlich zweieinhalb Wochen überleben sollte.

      💎 Hey, gleich bin ich für die nächsten knapp 6,5 h offline. Ich werde versuchen, zu schlafen, und dir schreiben, wenn ich in DXB angekommen bin. Du fehlst mir.

      🎓 Du mir auch. Habe Dubai bereits in der Weltzeituhr gespeichert, damit ich immer weiß, wie spät es bei dir gerade ist. Bin noch im Gericht. Pass auf dich auf 😚

      💎 Mache ich. Und du sei schön fleißig! Wenn ich wieder da bin, wäre es schön, wenn wir ein bisschen Zeit für uns haben.