Larissa Schwarz

Zauberhaft - Victoria


Скачать книгу

hat es damals wie der Schlag getroffen. Deswegen freue ich mich umso mehr, dass die beiden jetzt so glücklich sind. Wie im Märchen.«

      »Und was denkst du jetzt?« Magnus‹ Blick war fest und ungetrübt.

      Victoria wagte sich ein Stück näher an ihn heran, flüsterte ihm ins Ohr: »Ich denke, dass du mich bitte nicht so ansehen solltest, da ich dir kaum widerstehen kann, wenn deine Augen so funkeln ...«

      Die Worte und das Gefühl ihrer Lippen auf seiner Haut jagten ihm einen sanften Schauer über den Rücken. Er schmiegte seinen Kopf an ihren und flüsterte: »Dass sie so funkeln, liegt ausnahmslos an dir. Also wirst entweder du dich daran gewöhnen müssen oder ich sollte ab sofort immer eine Sonnenbrille tragen, wenn wir uns sehen ...«

      Doch bevor sie sich noch näher kommen konnten, platzte Joachim Zeilinger völlig überraschend dazwischen.

      »Was sehen meine erstaunten Augen?«

      Victoria und Magnus fuhren hoch wie zwei Teenager, die man erwischt hatte.

      »Jo ... Musst du uns so erschrecken?« Victoria keuchte.

      Der stämmige Riese lachte. »Eigentlich war es keine Absicht ... Ich wollte nur kurz hallo sagen, nachdem mir meine Angestellte gerade die Mappe ausgehändigt hat. Vielen Dank dafür!«

      »Keine Ursache. Ich muss euch beide ja nicht bekannt machen, oder?« Sie deutete auf Magnus, dem Zeilinger zwischenzeitlich zur Begrüßung die Hand geschüttelt hatte.

      »Alles bestens, ich würde es nur begrüßen, wenn auch wir uns duzen könnten!?«

      Magnus lachte. »Klar. Magnus.«

      »Joachim, aber so nennt mich nur meine Mutter. Also, bitte Jo.«

      Zeilinger nahm sich ungefragt den Stuhl, auf dem Moritz zuvor gesessen hatte, und blickte gespannt in die Gesichter der beiden. »Victoria, wie hat er das angestellt?«

      »Wie hat wer was angestellt?«

      »Stell dich nicht dümmer an, als du bist, Frau Doktor. Gestern noch fragt mich Magnus nach deiner Nummer und heute lässt du nicht eine Sekunde die Finger von ihm?«

      »Bsssss. Böser Jo. Betriebsgeheimnis. So.« Sie verschränkte theatralisch die Arme vor dem Körper und rümpfte die Nase.

      »Ich hab sie nur einmal gefüttert .... Seitdem werde ich sie nicht mehr los ...« Magnus spielte auf die Pommes vom Vorabend an. Victoria lachte auf.

      Augenzwinkernd verabschiedete sich Jo. »Ich seh schon ... Ich gönne euch mal lieber eure Privatsphäre ...«

      Als er außer Hörweite war, zog Magnus Victorias Kopf am Kinn zu sich heran und blickte sie forschend an. »Saaaaaag mal ...«

      »Hm?« Sie wusste, worauf er hinaus wollte. Wollte aber eigentlich nicht darüber reden.

      »Was genau hat es mit dem ›Frau Doktor‹ auf sich, mit dem Jo dich gerade angesprochen hat?«

      »Was soll ich sagen ... Ich gehöre nicht zu der Fraktion, die den Titel im Namen führt. Zumindest nicht privat. Auf meiner Visitenkarte bei ECG steht es drauf, aber das ist auch schon alles. Nicht im Ausweis eingetragen und im Endeffekt auch kein Teil meines Selbstverständnisses.« Zerknirscht versuchte sie, in seinem Gesicht eine Reaktion abzulesen. »Sag bitte was ...«

      »Was!?« Magnus klang ein wenig eingeschnappt.

      »Ich hab doch gesagt, dass wir alle Leichen im Keller haben«, entgegnete sie. Ihr Herz stolperte und ein Kloß bahnte sich in ihrem Hals an. Warum reagierte er so empfindlich?

      »So, ein Doktortitel ist also eine Leiche im Keller?« Schmunzelnd gab er ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. Erleichtert lehnte Victoria sich wieder an ihn.

      »Na ja, so würde ich das nicht sagen. Aber ich leg halt keinen gesteigerten Wert darauf. Und da du dich ja auch nicht mit Dr. jur. Magnus Brandt vorstellst, dachte ich, dass es keine Rolle spielt.«

      »Tut es auch nicht.« Magnus küsste ihren Hals und strich über ihre Hand. »Wobei mich schon interessiert, worüber du promoviert hast.«

      »Asymmetrische Information.«

      »Alles klar.« Magnus lachte. »Beschimpf mich ruhig.«

      »Okay. Die Langversion: Adam Smith hat belegt, dass es keinen freien Markt gibt und der Kapitalismus dazu tendiert, dass sich Monopole und oder Preiskartelle bilden. Aus staatlicher Sicht höchst problematisch und nur extrem schwer vernünftig zu kontrollieren. Insbesondere, wegen der asymmetrischen Information. Im Klartext bedeutet das, dass die Kontrolleure weniger wissen, als die zu kontrollierenden Unternehmen. Ein Wissen-Machtgefälle; für die Kartellbehörden gibt es kaum eine Möglichkeit, ein Unternehmen realistisch und angemessen zu taxieren. Mein ehemaliger Doktorvater hat inzwischen eine Theorie entwickelt, wie man dieses Problem lösen kann.«

      »Ist es schlimm, wenn ich bei ›Kapitalismus‹ den Faden verloren habe?«

      »Nein. Wenn du öfter und länger mit mir zusammen bist, wirst du irgendwann fließend Ökonomisch sprechen. Ich wette, dass ich dir auch nicht folgen kann, wenn du mir von deiner Dissertation erzählst ...« Sie küsste ihn zur Ermunterung auf die Wange.

      »Hm. Um es in zwei Worte zu fassen ›Ungenaue Richter‹.«

      »Auch schön.« Victoria kicherte. Magnus zwinkerte ihr zu, sie blickte fragend. »Aber im Ernst, worüber hast du geschrieben?«

      »Aaalso«, blickte er auf die Uhr, »gut, dass die hier noch ein Weilchen aufhaben. Es war einmal ...«

      Victoria lachte, Magnus wog nachdenklich den Kopf hin und her: »Urknall ... Unendliche Weiten ... bla bla ... De Bello Gallico ... globale Erwärmung ... bla bla ... Ist das so wichtig?« Er wurde ausweichend. Karlsruhe? Jetzt?

      »Na ja, wichtig nicht. Aber warum zierst du dich so?« Victoria beschlich ein ungutes Gefühl.

      »Ich muss ein bisschen weiter ausholen.« Er zog sie näher zu sich heran, sicher ist sicher.

      »Wie du schon angemerkt hast; wir haben Zeit. Und nicht nur du bist neugierig.«

      »Gut. Also: Ich wusste schon relativ früh, dass ich Jura studieren wollte. Keine Ahnung warum, ich war nie der klassische Gerechtigkeitsfanatiker oder praktizierender Pazifist oder so. Meine Eltern sind ganz normale Leute, für die war das schon ein Highlight, dass der Erstgeborene ein Einser-Abitur gemacht hat. Von der Welt an der Uni haben sie nie viel verstanden, ganz anders als die Eltern meines Freundes Tobias. Er hat mit mir studiert, ist inzwischen Anwalt mit eigener Kanzlei an einer der besten Adressen in Hamburg. Sein Vater ist Richter am Europäischen Gerichtshof, seine Mutter Staatsanwältin. Der ist in diese Welt geboren und über ihn und seine Familie habe ich glücklicherweise viele Erfahrungen sammeln können, als Student und auch in den ersten Berufsjahren. Nach dem ersten Staatsexamen – und da kommt jetzt der erste Bogen Richtung Dissertation – habe ich mich ein bisschen orientieren müssen, wo die Reise hingehen soll und nach ewigen Gesprächen mit Tobias und auch seinem Vater war klar, dass ich gern nach Karlsruhe wollte.«

      »Bundesgerichtshof. Verstehe. Wollte oder will?«

      »Kann ich die Frage aufschieben?«

      »Darfst du.«

      »Alles was ich dann beruflich unternommen habe, zielte darauf ab, irgendwie dorthin zu kommen. Dass das nicht mal eben so passiert, muss ich dir ja nicht explizit erklären. Nach dem Abschluss habe ich erst mal ein halbes Jahr nur gearbeitet und dann mein Promotionsstudium aufgenommen. Nächtelang durchgemacht, um irgendwie fertig zu werden. Letztlich ist meine Dissertation eine Kritik an der Arbeitsweise des BGH.«

      »Mutig.«

      »Na ja, nichts, was nicht inzwischen auch die Boulevardpresse erreicht hätte. Bei jeder Revision, von denen mehr als 90 % übrigens rein schriftlich entschieden werden, müssen fünf Richter das Urteil gemeinsam fällen. Aber: Gelesen und bearbeitet werden die Fälle nur im Vier-Augen-Prinzip, die anderen drei Richter werden vom Vorsitzenden und dem Berichterstatter über die Aktenlage