Larissa Schwarz

Zauberhaft - Victoria


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Ich habe mir erlaubt ein paar Fälle anzuführen, bei denen klar war, dass Fehlentscheidungen des BGH auf diesem Prinzip beruhten. Dass es dafür nicht nur Applaus von oben gab, war abzusehen, schlussendlich aber konnte ich die Arbeit sehr gut verteidigen und ich denke, dass meine Versetzung hierher auch ein bisschen damit zu tun hatte.« Magnus hatte inzwischen die Vermutung, dass auch Tobias‹ Vater die Finger im Spiel gehabt haben könnte.

      »Und was daran war jetzt so schlimm, dass du mir ausgewichen bist? Etwa die Tatsache, dass Eschberg für dich erst mal nur ein Durchgangsbahnhof ist?« Es klang nicht böse, eher sachlich, nüchtern.

      »Eher die Tatsache, dass ich das noch nicht so genau weiß. Ich bin seit zwei Tagen hier im Amt, meine Welt steht Kopf und ich hab noch den berühmten ›Koffer in Berlin‹, den ich am liebsten erst mal auf Weltreise schicken würde, bevor ich mich da ran traue.« Seine Stimme war brüchig geworden. Die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.

      »Leichen im Keller, Koffer in Berlin ... Wir beide sind schon seltsam ...« Victoria fasste sich ein Herz und küsste ihn. Schüchtern. Auf den Mund. Nur kurz.

      »Wir!?«, fragte er leise.

      »Nicht?«

      »Doch. Gern ein ›wir‹.« Ebenso schüchtern und flüchtig küsste er sie zurück.

      »Duuu ...«

      »Hm?«

      »Ist es schlimm, wenn ich ein bisschen zurückhaltender bin, als ich gern wäre?« Magnus hielt sie immer noch im Arm, in den letzten Minuten war die Umgebung um sie herum vollständig verschwommen, es gab im Café Daily nur sie und ihn.

      »Nein, ganz und gar nicht. Ich mag es, dass du so überlegt bist. Und, um ganz offen zu sein, es kommt mir auch ein Stück entgegen.« Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.

      »Inwiefern?«

      »Ich hatte ein paar Dates in den letzten Monaten und in Summe würde ich sie alle als ›negative Erfahrung‹ abstempeln. Also rein juristisch kein Handlungsbedarf, aber emotional nicht gerade aufbauend.«

      »Verstehe. Woran lag es, liegt es?«

      »Es liegt an mir. Du hast es ja gerade selber erlebt, die Sache mit dem Doktortitel binde ich halt nicht jedem bei erstbester Gelegenheit auf die Nase. Meine Autos parke ich auch lieber um die Ecke und laufe den restlichen Weg zu Fuß –«

      »Moment, Autos? Plural?«

      »Ja. Neben dem Shelby fahre ich noch einen Landrover. Und über die Firma habe ich Zugang zu diversen anderen Autos. Irgendwie muss ich ja meinen Hofstaat von Mittelaltermarkt zu Mittelaltermarkt transportieren.«

      »Klar, eine Anhängerkupplung am Sportwagen sieht auch sehr bescheiden aus.«

      »Siehst du.« Und wieder erlaubte sie sich einen dieser flüchtigen Küsse, die signalisierten, dass sie ihn wollte, mehr wollte, aber auch, dass die Zeit noch nicht gekommen war.

      »Also, Doktortitel und zwei Autos. Aber das macht noch lange keine beziehungsunfähige Schreckschraube aus dir.«

      »Nein. Das nicht. Ich habe ja nur schon erwähnt, dass ich viel arbeite. Teilweise auch sehr lange und sehr konzentriert. Aber ich verdiene eben auch gut, meistens mehr, als die Männer, die ich gedatet habe. Und das hat dann in der Regel zur Konsequenz, dass sie entweder zu schnell zu großes Interesse hatten oder aber damit nicht umgehen konnten.«

      »Und bei mir befürchtest du genau was?«

      »Das ist eine fiese Frage.«

      »Ist sie das?«

      »Menno ... Ich hab Angst, das, was sich hier gerade so vorsichtig aufbaut, kaputt zu machen. Mit meiner Art.«

      Magnus hielt sie fest und sicher im Arm. »Ich finde deine Art ganz zauberhaft.«

      »Noch.«

      »Ja. Noch. Und irgendwann werde ich sie lieben.«

      Dass Victoria mit den Tränen kämpfte, konnte Magnus nicht sehen, ihr Kopf lag immer noch an seiner Schulter und er gab ihr einen Kuss ins Haar. Es roch nach ihrem Parfum und unwiderstehlich nach Süßwarenladen. Noch unwiderstehlicher war aber das Gefühl, das sich in ihm ausbreitete, als sie so vertraut und nah bei ihm im Arm lag. Verstohlen blickte er auf ihr Handgelenk, sie trug die Uhr rechts. Er konnte erkennen, dass es weit nach 22 Uhr war. Das Daily schloss unter der Woche um elf.

      »Du weißt, dass die hier gleich zu machen?«, flüsterte er.

      »Ja, leider. Wobei Jo uns sicherlich niemals rausschmeißen würde. Aber du hast ja recht. So laaaaangsaaaam sollten wir vielleicht an den Aufbruch denken.«

      »Hab ich eigentlich erwähnt, dass ich morgen Mittag in Düsseldorf bin?«

      »Nein. Hast du nicht. Was führt dich dorthin?«

      »Immer noch wegen des Amtsantritts. Ein paar Dokumente unterschreiben und Hände schütteln. Um elf muss ich dort sein und gegen zwölf ist der Spuk vorbei.«

      »Sollen wir uns dann in der Stadt treffen? Wir könnten zusammen was essen?«

      »Klingt gut. Wenn du es irgendwie in deinem Terminkalender unterbringen kannst!?«

      »Ja, bestimmt. Ich schreib dir sonst frühzeitig. Apropos früh ... fahr bloß früh genug los, damit du pünktlich bist, ich weiß, wovon ich rede.«

      »Ich hab schon gesehen, bei dichterem Verkehr fast anderthalb Stunden. Warum tust du dir das eigentlich jeden Tag an?«

      »Tja, das frage ich mich auch seit Jahr und Tag. Aber ich kann nicht anders. Die Firma gehört zu mir und ich gehöre in die Firma.« Bitte, stell keine Nachfragen jetzt, schoss es ihr durch den Kopf.

      »Ah ja. Wenn das so ist. Du hast aber nicht irgendwie ein Verhältnis mit deinem Chef oder bist durch einen Sklavenvertrag an die Firma gebunden?« Magnus griente.

      Lachend antwortete Victoria: »Nein ... Definitiv nicht. Wobei, meine Seele hab ich schon mehrfach für den Laden verkauft, aber das bringt der Job so mit sich und ich denke, dass es anderswo nicht anders wäre.«

      »Na, solange du dein Herz nicht anderswo anderswie verschenkst ...« Und wieder funkelte das Grün seiner Augen ihr entgegen und stahl sich den Weg in ihr Herz.

      »Nein, niemals.«

      Magnus versank in diesem Moment in ihrem Blick. Sein Herz klopfte wie wild und seine Hand zitterte, als er ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht strich und sich ihr näherte.

      »Ihr Turteltäubchen, ich störe nur ungern, aber wir schließen jetzt gleich.« Die Kellnerin grinste die beiden an. Sie war aus dem Nichts aufgetaucht und sammelte die leeren Gläser ein.

      Magnus und Victoria seufzten beide; wieder so kurz davor, wieder unterbrochen, wieder ein Moment dahin. »Liebe Grüße von Jo übrigens, ihr seid heute eingeladen.«

      »Ah, okay. Danke und liebe Grüße zurück«, entgegnete Victoria. Im Aufstehen zog sie ihre Kleidung zurecht und nahm die Rose aus dem Wasserglas. Sie roch daran und sah Magnus an. »Danke übrigens ...«

      »Sehr gern. Nur ich finde ja, dass du viel besser riechst ...«

      »Meinst du?«

      Er nickte. »Mhm. Dein Shampoo riecht nach Süßwarenladen und dein Parfüm hat so etwas ... Zauberhaftes. Aber nur an dir. Ich weiß, dass ich das schon mal irgendwo gerochen habe, aber es damals nicht mochte.«

      »Hypnotic Poison. Ich habe dich also nicht verzaubert, sondern vergiftet.« Lachend griff sie seine Hand und verließ mit ihm das Café. Magnus hielt kurz inne. Hypnotic Poison. Ilona hatte es eine sehr lange Zeit sehr häufig verwendet. Ihm wurde für einen Augenblick schlecht. Und Victoria sah es ihm an.

      »Ex-Freundin?«

      »Nicht ganz, aber so ähnlich. Was aber nicht heißen soll, dass ich es an dir nicht mehr riechen mag. Im Gegenteil, es passt sehr gut zu dir.«

      »Danke.« Augenzwinkernd hielt sie vor den Autos