Caroline Sehberger

LEBENSAUTOBAHN


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zu. Verstanden habe ich all das nicht und begriffen erst recht nicht. Das unsichtbare Band zwischen uns habe ich mir nicht eingebildet, falls sie verstehen, was ich damit meine. Wir kommunizieren völlig ohne Worte. Wir erfühlen, wenn der eine, dem anderen intensive Schwingungen sendet. Wir wünschen eine SMS oder einen Anruf herbei. Nur mit den festen Gedanken des Herzens. Ob in den Besprechungen und anderswo. Unsere Blicke treffen sich und wir erkennen die Gedanken des Anderen. Reine Intuition. Es ist schwer zu beschreiben für Außenstehende. Beispiele hierfür sind: Wir bestellten beim Italiener das gleiche Essen, ohne uns vorher besprochen zu haben. Ich wünsche mir einen Anruf herbei und Sekunden später klingelt das Telefon. Nicht gelogen. Und jetzt das? Wohin steuert uns das Schiff der Liebe? Sitzen wir nach dem Vorfall immer noch im selben Boot und schauen in die gleiche Richtung? Eine Freundin, der ich die Geschichte damals so erzählte, staunte nicht schlecht und meinte, dass ich mir das alles nur einbilden würde, weil das Zuhause nicht mehr meine Heimat ist. Mir fällt hierzu spontan eine Situation ein, die ich bis heute für das treffendste Ereignis halte, was das unsichtbare Band, absolut untermauert: Es war kurz nach unserem Anfang in eine ungewisse Beziehung, da erkrankte er an einer Grippe und fehlte logischerweise. Er wurde eine Woche krankgeschrieben und ich hatte tierische Sehnsucht. Mein Dienst hörte um 17.00 Uhr auf, die Anderen waren schon in den Feierabend gefahren. Ich hatte intensivste Gedanken an Thomas und hoffte auf schnelle Genesung. Das Telefon summte. Im Display leuchtete eine „0“. Viele unserer Kunden unterdrückten ihre Rufnummer mit einer „0“ im Telefondisplay. Mir wurde bei dem Anblick äußerst warm ums Herz und zu meiner Verwunderung meldete ich mich nicht mit Firma und Nachnamen, sondern ich sagte nach dem Abheben des Hörers schlicht und einfach nur: „Hallo Thomas, toll dass Du Dich meldest! Es klappt. Das unsichtbare Band. Habe gerade an dich gedacht!“ Darauf antwortete er gelassen und mit einer rauen Erkältungsstimme: „Das habe ich tief in mir gespürt. Ich habe Sehnsucht!“ Solche Vorfälle gab es genug. WIR SIND EINS! Einer von 80 Millionen und genau dieser EINE ist der NEUE in unsere Firma! Warum heiratet man, bekommt seine Wunschkinder und begegnet dann erst der Liebe seines Lebens? Das ist doch nicht fair. Was ist hierfür der tiefere Sinn? Bitte erklärt mir das jemand?! Der Montag nach dem „Lionel-Konzert“ war angebrochen und ich fuhr wie jeden Tag ins Büro. Aber dieses Mal mit einem komisch aufgewühlten Gefühl. Was war am vergangenen Wochenende bei ihm passiert? Spätestens am Mittag, in unserer Pause, würde ich es erfahren. Sein Wagen hielt auf dem Parkplatz vor meinem Bürofenster. Thomas stieg aus und sah wie immer zum Anbeißen aus. Unsere Blicke trafen sich, er lächelte und kam kurz zu mir herein. Er wünschte mir, mit einem entgegengehauchten Handkuss, einen liebreizenden Morgen und erweckte nicht den Eindruck, dass sein Wochenende furchtbar verlaufen war. Doch weit gefehlt. In der Mittagspause erzählte er mir die Einzelheiten. Nach langem Hin und Her und mit seinem Erstgeborenen auf dem Schoß hatte er dann den entscheidenden Satz erneut fallen lassen: „Im Augenblick liebe ich zwei Frauen.“ Was war das denn bitte jetzt wieder? Offene Konfrontation? Wird er ihr alles erklären und die Dame verlassen? Oder war ich schlicht und ergreifend nur Mittel zum Zweck, um die Liebste zu Hause wieder auf Vordermann zu bekommen? Mein tiefstes Inneres, das Teufelchen, sagte: „Es ist Aus!“ Das Engelchen in mir fragte vorsichtig: „Oder doch nicht? Er fängt an, es ihr zu sagen!“ Ich war nervlich fast am Ende. Mir fehlte der Durchblick, kein klarer Gedanke. Erst zog er seinen Ehering sowas von schnell aus, transferierte Geld auf andere Konten, suchte schon Schulen für die Kinder und war voll auf Trennung programmiert und dann das unmögliche, „absichtliche“ Missgeschick mit dem Koffer? Tausend Fragen, keine einzige konkrete Antwort aus seinem Mund. Mein Teufelchen sagte erneut: „Er wird sie nicht verlassen.“ Der Bauch und das Engelchen in mir hatten nur einen Wunsch: „Zukunft mit der Liebe meines Lebens.“ Doch war das ebenfalls der Lebenswunsch von Thomas? Die kommende Zeit würde es hoffentlich zeigen. Wir verabredeten uns an dem Montag, direkt nach Feierabend, zum Ausflug in die Umgebung. Er nannte es Spazierfahrt und reden. Und wie wir so durch die nahe gelegene Waldlandschaft kurvten, redete er und ich hörte ihm aufmerksam zu. „Du hast doch bald Geburtstag, Caroline. Was hält mein Herz von dem entzückenden Gedanken, mit unserem Lieblingsmenschen ein Wochenende in der Stadt der Liebe zu verbringen?“ Fragte er vorsichtig. „Meinst du das ehrlich?“ Antwortete ich. „Klar. Dein Geschenk für meine Dummheit des Lebens. Die Entschädigung für den Kofferfehler. Du buchst alles und ich bringe dir dann den Anteil mit,“ so seine Worte. „OK, ich nehme dich wörtlich. Das klingt herrlich, mit dir nach Paris. Werde mir morgen alles raussuchen und dir durchgeben. Und wenn es ebenfalls deinen Vorstellungen entsprechen, wird gebucht. Und keinen Rückzieher, junger Mann,“ sagte ich mit Nachdruck. „Exzellent. Du schaffst das schon,“ antwortete er jetzt gelassener. Das Herz und das Engelchen in mir, bekamen erneut Oberwasser im Kampf zwischen Kopf-Teufelchen und Herzengelchen. Im Augenblick war die Welt wieder in bester Ordnung. Alles war rosarot. Die Aussicht auf eine unvergessliche Liebesreise mit Thomas hob meine Stimmung und die Bedenken der letzten Tage und Stunden waren verflogen. Am darauffolgenden Tag setzte ich das Versprechen um und suchte Hotel und Bahnfahrt heraus. Thomas war mit der Wahl einverstanden. Er hatte ebenfalls nichts dagegen, dass uns meine damalige Freundin Helga, die er schon kennengelernt hatte, begleitete. Nicht, dass ich die französische Sprache nicht beherrschte. Aber Helga redete fließend Französisch. Das würde uns beiden deutlich hilfreicher sein. Am Abend verabredete ich mich mit ihr, um alles zu buchen. Wir drei warfen die Reiseanteile zusammen in eine Kasse und Helga bezahlte die komplette Tour recht zeitnah. Jetzt fieberte ich dem Geburtstag entgegen. Doch bevor ich mit meiner Liebe Paris eroberte, standen die großen Ferien und unsere Urlaube mit den aktuellen Familien an. Arbeitsreich und anstrengend nahm der Juni ein Ende. Die Sommerferien im Juli waren mittlerweile 2 Wochen alt. Meine Urlaubszeit war gekommen. Wir blieben in dem Jahr zu Hause. Allein der Gedanke, mit dem Mann in Urlaub zu fahren, der sich Ehemann nannte, war mir nicht geheuer. Die Kinder hatten einen großen Garten und jede Menge Spielkameraden in der Nachbarschaft. Pool und Spielplatz nannten sie ihr Eigen. Und so blieben wir zum ersten Mal in den Ferien zu Hause. Im Garten bei den Kindern hatte ich wenigstens meine Ruhe und Abwechslung. Keine Streitereien. In Anbetracht des riesigen Grundstückes, der zu dem Haus gehörte, dem großen, aufgestellten Schwimmbecken, fehlte den Kindern nicht physisch irgendetwas. Ihre Spielkameraden kamen täglich. Die tobenden Schreihälse genossen sichtbar ihre Ferien. Jedes Mal, wenn die Sehnsucht aber zu groß wurde, rief ich Thomas an und wir verabredeten uns in der Mittagspause oder nach Feierabend. Die beiden Urlaubswochen vergingen schnell und weil wir den Urlaub nahtlos im Wechsel aneinandergereiht hatten, trafen wir uns an meinem letzten Urlaubstag auf dem bekannten Parkplatz. Am Ende seiner Mittagspause unternahm er so gar keine Anstalten wieder ins Büro zu fahren. Er sagte nur: „Warum fährst du nicht mit? Dann kümmert die sich um ihre Kinder und wir haben einen liebestollen Urlaub. Könntest du doch nur mitfahren. Habe total keine Lust. Wir fahren auf einen Bauernhof an die Küste. Hoffentlich vergehen die 14 Tage schnell!“ „Mann“ bekommt eben nicht alles im Leben: Kinder, Ehefrau und Freundin. Niemand nimmt dir die Lebensentscheidung ab. Die triffst du alleine, in absehbarer Zeit. Ich habe mich entschieden. Meine Zukunft heißt Thomas. Die Antwort hörst du garantiert heute gerne, oder? Aber, wenn du so keine Lust auf 14 Tage Urlaub mit der Frau hast, die du angeblich nicht mehr liebst, warum fährst du dann?“„Ich fahre wegen der Kinder,“ sagte er. Das war mir zu hoch. Eine Frau ist in der Hinsicht wahrlich ein wenig konsequenter. Ich bin nie der Kinder wegen mit dem Ehemann in den Urlaub gefahren. Unsere Blicke verharrten für Minuten und wir starrten beide geradeaus. Das Herzengelchen sprach: „Er ist Mann. Und Männer reagieren und agieren anders. Glaube ihm seine Worte.“ Ich vertraute auf mein Herzgefühl. Schmiegte mich an seine breite Schulter. Kuschelnd im Wagen sitzend, den Abschied für die kommenden zwei Wochen in weite Ferne rückend, sah er mich verliebt an und schenkte mir zum Schluss eine von ihm selbst aufgenommene Kassette mit unseren Liebesliedern. Trotzdem war mir bei dem Gedanken an seinen bevorstehenden Urlaub etwas unbehaglich. Mir graute vor dem Wochenende. Ein inniger Kuss von Thomas unterbrach das Szenario in meinem Kopf. Jeder seiner Küsse sind das Eintauchen in seine Seele und sein Herz. Wir verschmolzen immer ineinander. Ich liebte seine Lippen, seinen Geruch, seine schützenden Umarmungen, seine Haut bei jeder liebenden Vereinigung. Alles. Kurz vor dem Ende der Mittagspause sagte Thomas: „Nimm es nicht schwer. Wir haben doch das Telefon und die zwei Wochen ändern nichts an unserer tiefen Liebe. Ich liebe Dich abgöttisch und das wird bei mir immer so bleiben!“ Seine Worte streichelten die Seele, berührten mich zutiefst im Inneren des Herzens. Die Sehnsucht nach ihm stellte sich jetzt schon ein. Er stieg aus und warf mir eine Kusshand zu.