Caroline Sehberger

LEBENSAUTOBAHN


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Weg! Vollkommen egal, wie dieses Spiel der Liebe ausgehen wird. Meine Ehe weiterführen, würde Seele und Herz nicht ertragen. Mein Herz begehrte nur Thomas. Kein Lebenszeichen in seiner letzten Urlaubswoche, nicht einmal eine SMS. Dafür aber erneut die blöden Kontrollanrufe der Kollegin, die null Ahnung hatte, zu wem die Nummer gehörte. Am Schreibtisch sitzend sehnte ich mich nach dem Ende des Tages, dem Ende der grausamen Woche und wurde mit jedem Tag aufgeregter. Das Lionel Richie Konzert im Ohr und seine Worte unter Tränen: “Truby in Love with you girl“, brachten mich auf eine geniale Idee. Ein Willkommensgeschenk in Form einer gebrannten CD mit den Lovesongs von Lionel. Die Aufschrift auf dem Rohling war: „For Eternity“. Seine Worte bei unserem sommerlichen Picknick. Alles wurde liebevoll verpackt. Dann suchte ich nach Feierabend in der Stadt eine Karte aus. Menschen mit dem Gemüt und der Seele ähnlich der meinen lieben es, dem geliebten Partner stets aus dem Herzen Worte zu schenken. Und so fand ich eine Karte für Thomas: „Erich Fried – Es ist, was es ist, sagt die Liebe.“ Zum Schluss schrieb ich zusätzlich einen eigenen, kleinen, liebevollen Text auf die Rückseite, packte alles zusammen in einen Umschlag, klebte ihn zu und wartete sehnsüchtig auf den Montag. Leider lag das Wochenende dazwischen, was die Spannung deutlich erhöhte. Der Freitag Feierabend war angebrochen. Die arbeitsreiche Woche zu Ende. Ab zu meinen Mädels, Zeit totschlagen. Eine einzige Nacht nur und Thomas ist wieder da! Morgen, Samstag, wird er mit dem Flieger am Mittag landen. Die unendlich langen zwei Wochen waren vorüber. Die Angst wich allmählich einer immer stärker werdenden Sehnsucht. Der Bauch füllte sich wieder mit den liebend umherflatternden Schmetterlingen. Es kribbelte im ganzen Körper bei dem Gedanken an Thomas. Nur einmal schlafen, dann halte ich meine Liebe wieder in den Armen. Die Nacht war kurz, weil ich vor lauter Angst und Aufregung kaum ein Auge zu bekam. Samstagmorgen. Freundin Claudia, logischerweise eingeweiht, kam mit ihrem Sprössling zum Zeitvertreib vorbei und wir saßen am Morgen, Kaffee trinkend, vor der Gartenhütte. Die Kinder planschten quietschvergnügt im großen Schwimmbecken. Ja, die Ablenkung war genau das Richtige. Das Wetter war perfekt und der Mittag wurde mit eifrigem Klappern von Geschirr und Besteck vorbereitet. Grillnachmittag. Sein letzter Urlaubstag, heute Mittag landete er. Am Vortag hatte Thomas aus Zypern per SMS mitgeteilt, dass der Flieger um ca. 13.00 Uhr wieder in Deutschland den Boden erreichen wird. Er lebte und hatte mich nicht vergessen. Aber wen liebte er nach diesem Urlaub? Die Aufregung war irre groß. Ich trank an dem Morgen mehr Kaffee. Das war so gar nicht ich. Die Gedanken kreisten nur um Thomas. Die Sehnsucht wurde von Minute zu Minute immer stärker. Da, das Handy piepste, 13:02 Uhr MEZ. Ja, das wird nur er sein. Mein Herz klopfte so laut, so schnell, dass man es an den Schläfen bei Berührung ertastete. Er ist wieder da. Zitternd nahm ich mein Handy in die Hand, hastete alleine in die Grillhütte, um ungestört zu sein, drückte den Button SMS und las seine Nachricht. „Zypern, super Urlaub, wunderbar. Bis Montag.“ Mir stockte der Atem. Mein Herz hörte mit einem Schlag auf zu pochen. Die Angst der letzten beiden Wochen erreichte den Magen, drückte tonnenschwer auf meine liebende Seele. Ich schaute mir die geschriebenen Worte ein zweites Mal an. Laut las ich es mir erneut vor: „Zypern, super Urlaub, wunderbar, bis Montag.“ Bis Montag? Das war alles? Kein: „Dein Bär“? Was war passiert? Ich hatte es die ganzen gottverdammten 14 Tage befürchtet und gefühlt. Weit bevor diese SMS das Handy erreichte. Ich stand wie versteinert in der Hütte. Eine gefühlte Viertelstunde verging bis zur nächsten Regung. Mein Atem stockte immer wieder. Ich hatte förmlich das Gefühl zu ersticken. Das ist sterben, sagte ich. Claudia kam herein und sah meinen Gesichtsausdruck. Der erklärte alles. Sie kannte mich zu lange schon, um den Ausdruck komplett anders zu interpretieren. Wir schauten uns stumm an und nach einer kleinen, großen Weile hauchte ich nur leise: „Da fehlt DEIN BÄR – das war’s.“ Seine SMS war so endgültig. Das Ende einer Liebe. Das Bauchgefühl betrügt mich nicht! Absolut nie! Den gesamten restlichen Tag verbrachte ich mit Reden, soweit es eben möglich war. Claudia wurde der Seelentröster, der seelischer Mülleimer. Keine klaren Gedanken flossen durch meinen Kopf. Und. Oh Gott! Morgen ist erst Sonntag. Das überlebe ich nicht. Sonntag, was für ein blöder Tag. Ich hasse Sonntage, immer! Aber der morgige wird seine eigene Bedeutung haben! Er wird lang sein, unglaublich lang und voller sterbender Gefühle. Mit Gedankenchaos im Kopf, Kinderlärm, Sonne, zu heiß. Eben grausam!

      Sonntag! An dem Tag hatte ich mit Claudia so oft über SMS geredet wie nie. Meine Ablenkung und weil ich mich dem Weltschmerz in mir hingab, beschloss ich, alleine Cabrio zu fahren. Ich fuhr unsere bekannten Strecken ab mit der Kassette von ihm. Liebeslieder à la Thomas. Meine Lieder! Ich parkte an irgendeiner Stelle im nirgendwo. Stand dort fast den halben Nachmittag, vollkommen durch mit Kopf, Herz und Seele. Jeder kennt das Gefühl, von Abschied nehmen bei einem geliebten Menschen. Opas, Omas und bei einigen sogar schon die eigenen Eltern. Mein Herz, mein Körper bekamen keine Luft mehr. Ich weinte unaufhörlich. Das ist Exitus. Das ist der schlimmste Abschied, den jemand zu verarbeiten hat. Es fühlte sich genauso an, wenn der Lieblingsmensch einen verlässt, der dein ganzes Herz in seinen Händen hält. Das kostbarste, was er einem anderen schenkt, der ihn liebt. Die Sonne schien hell. Die Luft war honigsüß und streichelte meine schlimmsten Schmerzen weg. „Zusammenreißen, Mädchen,“ sagte ich unter Tränen leise. Es hörte mir ja niemand zu. „Du hast Kinder. Lasse dir ihnen gegenüber bitte nichts anmerken. Fahr nach Hause. Sie brauchen dich!“ Schweren Herzens fuhr ich zurück und nahm die beiden in die Arme. Der Abend war gar nicht erquickend. Rotwein mein bester Freund. Die Nacht war grauenhaft. Voller Trauer und totale Leere im Kopf. Herzschmerz dominierte die Dunkelheit. Die Seele wurde schwer. Das kleine, große Sterben in mir setzte ein………

      Der Wecker. 07:00 Uhr, das Büro ruft. Ich schleppte mich zum Auto, packte das jetzt „überflüssige Geschenk“ für ihn in das Handschuhfach und fuhr los. „Wozu denn das Präsent,“ sagte ich. „Er beendet unsere Liebe auf jeden Fall!“ Ich parkte, wie immer, vor meinem Bürofenster, stieg aus und bemühte mich, zu lächeln. Schlich ins Büro. Die Uhr zeigte 07:30 Uhr. Nichts passierte. Kein Thomas in Sicht. Gott war mir elend. Die nette Kollegin schneite mit einem singenden „Schööönen, guten Moorgen“ herein. Mein Kopf dröhnte. Zuviel Wein am Vorabend. „Was ist bitte schön an diesem Morgen schön, geschweige denn gut?“ Blitzte der Gedanke in meinem Kopf auf. Die Sehnsucht auf Thomas wurde nicht gestillt und gekommen ist er heute ebenfalls nicht. Wo bleibt er denn? Ist ihm am Wochenende etwas passiert? Tausend Fragen rauschten mir erneut durch den Rotweinschädel. Die Kollegin verdiente keinen Vorwurf. Sie kannte das Gefühlschaos in meiner Seele nicht, zum Glück. Ich quälte ihr ein lächelndes „Guten Morgen“ entgegen und betonte intensiv, dass die Migräne des monatlichen Frauenleidens meine Stimmung heute trüben würde. Sie möge bitte Rücksicht nehmen. Das fand sie plausibel und verließ das Büro. Es wurde 09:00 Uhr und Thomas kam immer noch nicht. Auf die Nachfrage eines Kollegen am Vormittag nach der Einschulung meiner Großen auf dem Gymnasium fiel mir dann endlich ein, warum er nicht kam. Thomas hatte den Montag frei genommen. Wir beide hatten Schulwechsel unserer Kinder auf der weiterführenden Schule am morgigen Dienstag. Wie sich die Lebenssituationen doch wieder gleichen. Erlösende Erkenntnis. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Entsprechend verlief der Tag etwas entspannter, arbeitsreich, und die Vorbereitungen am Abend des Tages auf den Schulwechsel lenkten ab. Kleidchen bügeln, Schulranzen packen, Aufregung bei der Großen weg streicheln und in den Schlaf begleiten. Nur Mutter sein und geben, was Kinder am meisten brauchen: Liebe! Die Einschulung am darauffolgenden Tag war aufregend für uns. Meine Mutter und die Schwiegereltern vergnügten sich beim Anblick der ausgelassenen Kinderschar in unserem Garten. Die Spielkameraden waren ebenfalls da und alle hatten ihren Spaß. Wie gesagt, die Kinder und der Rest der Familie. Ich nicht! Mein Motto an dem Tag war nur: Freundliche Miene zum fürchterlichen Spiel. Das trifft es zwar nicht so eindeutig, aber für mich war es ein fürchterliches Spiel. Wieso hatte er mir das nicht unverblümt geschrieben, dass er seine „perfekte Ehe“ weiterleben wird? So per SMS, wie ein berühmter Tennisspieler. Soll ja heutzutage salonfähig sein! Wäre unkomplizierter und das Leiden kürzer. Das Engelchen in mir sagte immer wieder: „Aber Caroline, es war im Urlaub alles vollkommen anders. Dein Bauchgefühl spricht Optimismus. Bitte junge Frau, optimistisch bleiben.“ Und doch hatte ich vor dem morgigen Tag eine irre Angst. Wird es ein Abschied? Schluss, aus und vorbei? Oder überdauerte unsere Liebe diesen Urlaub? Was sprach dagegen? Morgen, nach Feierabend, werde ich es wissen. Mittwochmorgen. Und wieder war es ein Mittwoch. Ein weiterer Sommertag mitten im August. Thomas kam, parkte und lächelte wie immer. Mein Herz öffnete sich. Die Schmetterlinge tanzten, trotz Angst. Wir hatten kaum Gelegenheit, uns im Betrieb