Caroline Sehberger

LEBENSAUTOBAHN


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Selbstzweifel kamen auf. Das Kopf-Teufelchen war wieder da und sagte: „Wenn das nicht das Ende bedeutet!“

      Samstagmittag, Thomas war weg. Urlaub auf dem Bauernhof. Wie reizvoll! Aber besser Kühe hüten und Stall ausmisten für alle, anstatt Sommer, Sonne, Sand und Meer, und das alte Feuer entflammt neu, oder das, was MANN meint, das da wäre. Mit solchen Gedanken verbrachte ich das gesamte Wochenende. Klar kam eine liebevolle SMS, logisch hat er geschrieben. Und die Kinder lenkten mich mit ihrer Fröhlichkeit ab. Aber all das war ein dürftiger Trost: THOMAS IST NICHT DA! Und: ER IST MIT IHR WEG! Das änderte sich nicht. Im Grunde hatte ich ja alles. Man fährt nicht der Kinder wegen mit demjenigen in Urlaub, den man nicht mehr liebt. Ich dachte immer, dass der Andere so reagiert und handelt, wie man selbst. Das ist Folter für die Seele. Er streift seinen Ehering ab. Schläft nicht im Ehebett und liebt seine Frau nicht mehr. Warum macht er das? Was ist der Grund? Ich verstehe es bis heute nicht. Der nächste Tag, ein Sonntag, war ein Ticken bedrückender. Warum? Na, weil dieser Wochentag so ein gewisser „Familientag“ ist, an dem die Sonne scheint und jeder glücklich gelaunt ist. Alle, aber nicht ich! Thomas ist weg! Gefahren mit einer anderen. Wie bekomme ich diese Stimmung in den Griff? Zusammenreißen für die Kinder, die bei strahlendem Sonnenschein in Ihrem Schwimmbecken planschten, war der letzte Gedanke. Ich brachte das Wochenende, so gut, wie es in meiner Macht stand, herum. Immer mit dem Blick auf das Handy, wartend auf die nächste SMS von Thomas. Die kam dann am Nachmittag. Das Piepsen des Handys weckten die Schmetterlinge in meinem Herzen. Die Sehnsucht wurde belohnt. Aufgeregt griff ich nach dem Handy und drückte die SMS-Taste. Meine Augen lasen Thomas Text: „Bett kaputt. Stimmung unterirdisch. Habe umgebucht. Inselurlaub. Wir fliegen morgen Mittag. Bis bald, dein Bär.“ Ein seltsames Gefühl beschlich mich. „Na prächtig!“, sagte ich. Da ist es: Sommer, Sonne, Sand und Meer. Jetzt bekommt die Glut erneutes Feuer! Der optimale Nährboden für das alte Schätzchen, sich ihren Mann wieder zurechtzubiegen. Ihn zurückzuerobern, indem sie für zwei Wochen eine perfekte Rolle spielt. Was im Alltag so grauenhaft ist, wird in der Inselatmosphäre, mit den drolligen Kleinen schon klappen. Mann oh Mann, was mir alles an Gedanken durch den Kopf floss. Ich versuchte, Herr der Situation und nicht wahnsinnig zu werden, unterdrückte meine Fantasiebilder. Nein, ich ertappte mich sogar dabei, mir vorzustellen, was Sommer, Sonne, Sand und Meer so alles anstellen werden. Ich wünschte, dass er jetzt genauso charakterfest blieb, wie ich in den Wochen zuvor. Ganz nach dem Motto: Mit der Sache, dem Menschen bist du durch, das ist nicht deine Zukunft. Urlaub hin oder her. Bei mir war und ist das so. Ausgelebt ist ausgelebt. Die Seele zieht weiter, erst recht, wenn das Einssein, wie bei uns, sich so anfühlt. Das Anfühlen heißt Liebe. Mein Entschluss war längst besiegelt, ohne Thomas je davon erzählt zu haben. Jeder entscheidet für sich, damit der andere nicht unter Druck gerät. Das Einzige, was in einer solchen zwischenmenschlichen Lage Berücksichtigung findet, sind eben die Kinder. Und die waren auf beiden Seiten vorhanden. Die Gedanken schweiften hin und her, wägten die Situationen ab, aber eine Lösung war nicht in Sicht. Zwei endloslange Wochen. Sommer, Sonne, Sand und Meer. Kein Gästezimmer mit getrennten Betten. Mir war immerzu nur hundeelend. Der Sonntag neigte sich dem Ende – Gott sei gedankt. Der Montag nahte mit riesigen Schritten und die Arbeit lenkte mich ab. Der Büroalltag beanspruchte meinen Denkapparat. Keine Zeit für quälende Fantasien. Die Abende waren kurz. Es zog mich meistens früh ins Bett. Etwas ungewohnt. Lag oft lange wach. Gedankenkreisel. Ich packte mir so viele Freundinnentermine in diese 14 Tage, wie nur möglich. Jetzt bloß nicht mit den negativen Gedanken, der bedrückten traurigen Seele, alleine sein. Jede Stunde zogen mich die Sorge um unsere Liebe mehr und mehr in die Tiefe. Erst recht abends auf der Couch mit dem Ehemann. Es hatte seit den Urlaubswochen zu Hause eh bei ihm den Anschein, dass er einen Riecher für die Situation hatte. Es gab eine Szene in den Ferien, die genau das Gefühl in mir weckte. Er kochte ausnahmsweise an einem der Ferientage für unsere beiden. Na, was „Mann“ halt so brutzelt für Kinder. Es gab Nudeln mit Fischstäbchen. Dabei stand er am Herd, ich saß auf einem Küchenstuhl und las die Tageszeitung. Wir hatten dazu ein belangloses Gespräch, die Sonne schien, die Kinder tobten im Garten, und egal wie, kamen wir auf den Neuen, Herrn Kramer, zu sprechen. Zufall oder Absicht seinerseits? Vollkommen falsches Thema jetzt, kam mir in den Sinn. Trotzdem erzählte ich von ihm, dass er so logische Strukturen in der Firma schafft, dass man endlich den roten Faden erkennt, er ein Herzerfrischender ist mit ausgeprägtem Humor, über den wir ausgiebig miteinander lachen und, dass wir perfekt zusammenarbeiten. Ich glaube, bei den Ausführungen bin ich stufenlos vom Erzählen ins Schwärmen geraten. Die Unterdrückung der Gefühle für Thomas blieben nicht verborgen. Am Blick und den Gesten erkannte mein Mann die Schwärmerei. Es verleitete ihn letztlich zu der Aussage: „Du brauchst so einen wie deinen Herrn Kramer“. „Ja“, sagte ich direkt. So bin ich halt, direkt! WG leben und leugnen, funktioniert nicht. Ist nicht ehrlich. Das bin nicht ich. Ich glaube, er wusste längst, dass Thomas schon tief in meinem Herzen war. Wer weiß, was nach dem Gespräch in seinem Kopf vorging. Es bleibt mir bis heute verborgen. Gut, dass es jetzt im Büroalltag arbeitsreich zuging. Da, das Handy schellt. Jemand ruft an. Das ist Thomas, schoss es mir freudig in den Kopf. Aufgeregt öffnete ich den Schrank an meinem Arbeitsplatz, holte das summende Handy aus der Tasche und hoffte auf den Teilnehmer Thomas. Stattdessen aber sah ich die Büronummer der Kollegin, die auf der ersten Etage im Zimmer über mir saß. Warum hat Sie mein Handy gewählt? Sie sitzt doch im Büro? Enttäuschung stand mir ins Gesicht geschrieben. Kein Thomas. Dann der Geistesblitz. Er hatte permanent mit mir mit dem Firmenhandy telefoniert, meine Handynummer logischerweise mehrfach in der Woche gewählt. Das fällt auf. „Einzelverbindungsnachweise“ heißt das Zauberwort. Die Telefonlisten der letzten Monate gaben Ausschlag über alle angewählten Rufnummern. Och nee. Mensch Thomas. So genial der Mann ist, da war er zu naiv. Warum hört grundsätzlich kein männliches Wesen auf eine Frau? Was ist nur mit den Herren der Schöpfung los. Ich sagte ihm zu Anfang: „Kauf dir ein Privathandy, das fällt über kurz oder lang irgendwann einmal auf!“ Aber nein, stur wie er ist, hielt er es nicht für nötig. Das merkt so schnell keiner,“ sagte er damals. Just in diesem Moment hatten wir den Salat. Der Mann ist nicht nur bei dem Thema beratungsresistent. Und wie gehe ich jetzt mit der neuen Situation um? Ich stellte das Handy auf lautlos. So hörte ich das Klingeln nicht mehr und lief nicht Gefahr, das Gespräch anzunehmen. Meine Handynummer kannte im Betrieb niemand. Zusätzlich ein unschuldiges Gesicht aufsetzen und alles wird funktionieren. Kein Verdacht fällt auf mich. Ich setzte mein Vorhaben in die Tat um. Jetzt nur nicht nervös werden und weitermachen wie bisher. Na ja, der Tag endete mit leichter Aufregung vor Feierabend und die Zeit schlich voran. Die erste Woche ohne Thomas war fast zu Ende. Das kommende Wochenende nahte und ich hatte es mir vollgepackt mit Freunden, Grillen, Wein und eine ganze Menge Ablenkung. Nur nicht über Urlaube am Mee brüten, oder an gebräunte Körper denken, die bei Nacht in entspannter Atmosphäre zueinanderfinden. Zuviel Denksport macht traurig. Leider ließ der Kopf mir keine Ruhe und ich grübelte in jeder freien Minute, und davon gab es viele. Er hatte in der ersten Urlaubswoche eine SMS geschickt, in der stand: „Meer warm. Wetter sonnig. Bis bald, dein Bär.“ Das klang beruhigend, denn solange da zum Schluss „Dein Bär“ auftauchte, hatte sich nichts geändert. Trotzdem gelang es mir an keinem Tag, die Vorahnungen, das Kopf- Teufelchen, aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich war froh, dass die Mädels mir ihre Zeit opferten und wir am Sonntagnachmittag endlich Gelegenheit fanden, uns auszutauschen. Freizügig und wissend, dass dies unter dem Mantel der Verschwiegenheit bei ihnen bestens aufgehoben war, erzählte ich von allem, was mich beschäftigte. Ich berichtete von den fürchterlichen Gedanken, von den Tagen und Monaten der Liebe, den Stimmungen und Zweifeln, seinen Handlungen, die auf einen Neuanfang mit mir hindeuteten, so eindeutig. All das hatten sie sich in einer Seelenruhe angehört und meldeten ihre Bedenken an. So kamen wir alle einstimmig zu dem Entschluss, nicht vorschnell zu urteilen, es ist ja nur ein Urlaub. Zwar hatte ich mir sämtliches von der Seele geredet, aber weiter mit meiner Erkenntnis war ich nicht gekommen. Helga, eine der Mädels, hatte Thomas Wochen zuvor bei einem Feiertagsausflug im Juni kurz beim Frühstück kennengelernt. Er erzählte Ihr damals offenherzig und freizügig von seinen ehelichen Problemen und der Liebe zu mir. Er geriet förmlich ins Schwärmen. Nach dem offenen Gespräch stellte Helga schnell fest und war der Überzeugung, dass sein altes, jetziges Leben keinen Fortbestand mehr hatte. Der Nährboden war verbraucht. Ich hoffte an dem Tag inständig, dass sie Recht behielt. Ihr Urteil war mir wichtig, da sie den Beruf einer Seelsorgerin ausübte und Paare betreute. Sie hatte genug Erfahrung auf dem Gebiet und beurteilte seine Situation nicht emotional, sondern