Ruth Broucq

Frauenfalle Orient


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sich, sie müsse nach Kerem sehen. Hektisch zog Nabir mich ins Innere seines Ladens, schloss die Tür hinter uns, verlangte zweitausend zweihundertundfünfzig Pfund. Erschrocken fragte ich, wieso das so teuer sei, damit habe ich nicht gerechnet. Er erklärte, er habe einen, für mich, sicheren Vertrag ausarbeiten lassen, der mir erlaube, mich jederzeit wieder problemlos zu trennen. Dies sei, in der Regel, nur den ägyptischen Männern erlaubt, weil die Brautgabe recht hoch sei. So müsse die Frau eine hohe Abstandssumme zahlen, wenn sie sich trennen wolle. Doch mein Vertrag sähe vor, dass die Brautgabe ausgelassen werde, so dass ich ohne diese Hürde, jederzeit wieder frei sein und ausreisen könne. Das schien mir sinnvoll und die Zahlung wert. Ich gab ihm den gewünschten Betrag, wunderte mich dennoch, dass ich dem Notar das Geld nicht selbst geben konnte.

      Zum Notar waren es nur ein paar Meter, doch zu meinem Erstaunen, führte Nabir uns in ein kleines Schuhgeschäft. Was sollte das denn? Ich brauchte keine Schuhe. Der Notar habe leider Stromausfall in seiner Kanzlei, deshalb müsse er diesen Raum als Ersatz nutzen, erklärte Nabir die kuriose Situation. In dem kaum acht Quadratmeter kleinen Lädchen gab es außer den vollgestopften Schuhregalen und der winzigen Verkaufstheke noch zwei gegenüberstehende Stuhlreihen, mit jeweils drei Stühlen. Im Sitzen berührte man fast die Füße seines Gegenübers. Sady, Walit und ich nahmen auf der Einen, Mario und Nabir auf der anderen Seite, Platz und warteten auf den Notar.

      Mario amüsierte sich köstlich über das ungewöhnliche Trauzimmer, und ich musste über seine albernen Sprüche mitlachen. Der Ladeninhaber schien es auch lustig zu finden, obwohl er Marios Flachserei nicht verstand, lachte er ebenfalls. Die anderen Drei konnten sich unserer Heiterkeit nicht anschließen, fanden die Sache wohl ernst genug um die Umgebung zu ignorieren.

      Als der Notar dann erschien, ging alles sehr schnell. Pässe abgeben, deren Daten auf einem vorbereiteten Papier niedergeschrieben wurden, die Frage beantworten, ob wir noch ledig seien, den Vertrag mit Unterschriften und vollständiger Adresse ergänzen, Trauzeugen (Nabir und Walit) unterschreiben. Fertig. Der Notar ging ohne Gruß oder Gratulation, Nabir hinterher. Wir saßen wie die Hühner auf der Stange, wussten nicht was noch kam, bis zu Nabirs Rückkehr. Der überreichte meinem frisch angetrauten Ehemann und mir je ein Dokument und gratulierte. Die Zeremonie war vorbei, die Braut durfte geküsst werden. Sady verzichtete darauf, natürlich wegen der Öffentlichkeit. Lächerlich! Von Mario bekam ich zwei dicke Schmatzer auf die Wangen, der Schuhverkäufer schüttelte kräftig meine Hand und von Walit die Mahnung auf den Weg: „I hope, it is for ever.“

      Alle strahlten, nur mein frisch Angetrauter blieb ernst. Auf meiner Heirats - Urkunde konnte ich nur meine Adresse lesen. Alles andere war in Arabisch. Trotzdem zweifelte ich keine Sekunde an der Richtigkeit dieser Urkunde.

      Auf dem Weg zurück wollte Mario in ein Textilgeschäft, er bräuchte ein Tshirt. Also gingen wir alle mit hinein. Auch die anderen Männer sahen sich die Angebote an und ich entdeckte ein hübsches giftgrünes Poloshirt, was ich mir an Sady gut vorstellen konnte. Mal was Anderes, nicht immer nur sein übliches schwarz oder weiß. Ich bat ihn, das Shirt zu probieren. Ungeschickt wollte er die Pendeltüre der Umkleidekabine hinter sich zuziehen und klemmte sich den Finger. Grade wollte ich darüber lachen, als er mit wehleidiger Miene zurück kam, mir seinen Finger zeigte und nach einem Pflaster fragte. Verwundert fragte ich wozu, denn ich sah kein Blut an seiner Hand. Nachdem Nabir mir Sadys Wunsch noch einmal auf Deutsch wiederholte, kramte ich das Gewünschte aus der Handtasche. Tatsächlich ließ er sich das Pflaster auf seinen Finger kleben, an dem gar keine Verletzung zu sehen war. Oh Schmerz, mein Ehemann erwies sich schlimmer als ein wehleidiges Kind.

      Danach konnte ich mir den Flachs nicht verkneifen: „Hilfe, Mario, kaum verheiratet, da wäre ich schon fast Witwe geworden. Mein Mann ist schwer verletzt. Er hat sich den Finger geklemmt.“ Dann konnte ich das Lachen nicht mehr zurückhalten. Sady schob sich beleidigt in die Kabine zurück.

      Mit Einkaufstüten beladen kamen wir wieder in Nabirs Geschäft an. Unser geplantes gemeinsames Dinner musste dann ohne Nabir und Walit stattfinden, denn der Eine musste nach Hause, zu Frau und Kind, der Andere hatte noch was zu erledigen. Beide versprachen später zur Feier zu kommen. Wir deponierten unseren Einkauf bei Nabir. Wieder gingen wir in das >Mamas – Haus<. Diesmal aber weder Parterre ins >Mamas> noch in den Cofeshop in der Ersten, sondern in die zweite Etage. Dort fanden wir ein sehr schönes Dachgarten- Restaurant, in dem man sehr gut essen konnte.

      “Was du unter ´gut essen` verstehst, möchte ich mal gerne wissen.“ Maulte ich Mario an, während ich mir, auf dem zähen Steak, fast mein bildschönes >Ersatzteil< zerbiss. Mario flachste: „Musst dir mal ein anständiges >Kläpperchen< machen lassen, nicht auf dem AOK Schrott herumkauen. Dann kannst du auch das Fleisch beißen.“

      Sady verstand, Gott sei Dank, nicht Marios Amüsement. Ich schwieg angenickelt.

      “Nun sei nicht beleidigt,“ wollte Mario einlenken. „Es stimmt doch, du gibst so viel Geld für manchen Plunder aus, und an wichtigen Dingen sparst du.“

      Ärgerlich stellte ich richtig: „Das stimmt eben nicht. Ich kaufe immer preisbewusst. Und erstens habe ich kein Kläpperchen, sondern nur eine Teilprothese am Unterkiefer, bei der ich übrigens genügend zugezahlt habe. Außerdem ist mein Ersatzteil bildschön, im Gegensatz zu anderen Leuten, die mit hübschem Lochmuster im Gebiss rumlaufen, wie du zum Beispiel. Und zweitens gebe ich nicht für unnötige Sachen zu viel Geld aus, wie Andere, für huren, kiffen, saufen und zocken. Ich brauche ja wohl keine Beispiele zu nennen.“

      Er lachte nur, war nicht einmal gekränkt, obwohl ich ihm deutlich gemacht hatte, dass er damit gemeint war. In solchen Momenten fragte ich mich, mit was dieser Mann zu beleidigen war. Alles glitt an ihm ab. Als ich die Speise - Rechnung bezahlte, die ich sehr hoch fand, einigten sich die beiden Männer darauf, unsere Hochzeit im Stockwerk darunter zu feiern. Das kam meiner Vorstellung sehr entgegen, da dieses ägyptische Lokal normale zivilisierte Preise hatte. Den enormen finanziellen Unterschied zwischen den Hotel-Lokalen, oder die europäischen Inhabern gehörten, und den ägyptischen, hatte ich bis dato ausreichend kennen gelernt.

      Walit und Nabir saßen bereits an einem Tisch am Rand der leicht erhöhten Tanzfläche. Walit hatte Sadys neue Videokamera mitgebracht. Sofort bedauerte ich, dass wir die Kamera bei unserer Trauung nicht dabei hatten. Auch Mario fand das ärgerlich, sicher wären die Aufnahmen ein lustiges Andenken gewesen. Wer war schon in einem Schuhgeschäft getraut worden. Zu Hause würde uns das niemand glauben. Wie üblich bestellte ich Cola, während die Männer Bier bevorzugten. Die Stimmung war ein wenig lahm, deshalb sagte ich auch gerne zu, als mein Ehemann mich fragte, ob es mir recht sei, wenn er noch ein paar Freunde einladen würde. Bis zu deren Eintreffen redete Mario ausschließlich über unser geschäftliches Vorhaben und das wir die Wohnung in Edit und Nabirs Haus doch mal erst nehmen könnten, bis sich was Besseres gefunden habe. Ich war dagegen, hatte eigentlich wenig Lust, zu diesem Zeitpunkt über diese Angelegenheiten nachzudenken. Die drei Einheimischen schnatterten in ihrer Sprache miteinander.

      Gleichzeitig mit Sadys vier Freunden, bei denen auch der lange dürre Schwarze Towelboy war, füllte sich das Lokal zusehends. Plötzlich wurde die Musik lauter, eine Bauchtänzerin betrat die Tanzfläche und begann, unter begeistertem Applaus, ihren ersten Auftritt.

      Jede Menge Gläser, Cola und eine Flasche Whisky wurden gebracht, und obwohl es ja gegen ihren religiösen Glauben verstieß, tranken alle moslemischen Männer, an unserem Tisch, den Alkohol wie Wasser. Sie waren so durstig, das die zweite und dritte Flasche Whisky bald nachgeliefert werden mussten. Mit zunehmendem Alkoholkonsum wurde die Stimmung immer ausgelassener. Sie schwatzten, lachten, tranken und tanzten auf der Bühne, sowie im Raum herum. Am ausgelassensten und beweglichsten, war der Schwarze. Selbst Mario und ich amüsierten uns über seine schlangenartigen, rhythmischen Bewegungen. Auf der Tanzfläche war er so in Ekstase, dass die Tänzerin, neben ihm ungeschickt wirkte, ja unscheinbar wurde. Als er endlich eine Pause einlegte, um wieder Whisky zu tanken, versuchte sie, wieder in einem besseren Licht zu erscheinen, in dem sie andere Gäste auf die Bühne holte. Wiederholt bat sie mich, mit ihr zu tanzen, was ich jedoch strikt ablehnte. Ich hatte keine Lust, mich zum Affen machen zu lassen, denn obwohl ich immer gerne tanzte und auch sicher nicht unbeweglich war, konnte ich deren Hüftschwung nicht nachahmen. Schließlich war sie Profi und ich reine Amateur Tänzerin. Sady rettete