J.D. David

Sternenglanz


Скачать книгу

zurück zur Kaimauer. Berlan erkannte, wie sich auch auf dem Schiff einige Männer an der Reling sammelten und finster auf die Geschehnisse schauten. Auch neben sich spürte er Unruhe.

      „Bringt sie zur Garnison.“, befahl der Vierte schließlich und die drei Soldaten stellten sich um die Frau, während der letzte Soldat ihr gerade die Hände fesselte, obwohl sie weiter zeterte und sich wehrte.

      Als der Offizier allerdings losgehen wollte war da noch die Menschentraube. Und niemand schien Anstalten zu machen, aus dem Weg zu gehen.

      „Macht Platz, im Namen des Kaisers!“, befahl der Vierte und legte die Hand an das Heft seines Schwertes, als nichts geschah. Er schaute die Menschen düster an, aber diese verharrten. „In Ordnung. Soldaten des Kaisers. Zieht Blank!“, befahl er und die vier Männer zogen fast gleichzeitig ihre Schwerter und hoben ihre Schilde. Sofort wich die Menge einen Schritt zurück, blieb aber geschlossen.

      Auch Berlan ging einen Schritt zurück. So viel Ärger hatte er nicht erwartet. Aber die Geschehnisse zeigten viel über die Stimmung der Stadt. „Halt dich hinten!“, murmelte er Sivert zu. Das hier hatte volles Potential, böse zu enden. Vorsichtig nahm er die rechte Hand unter den Umhang und löste die Befestigung seiner Axt.

      „Bürger, tretet zurück, oder ihr werdet als Verräter sterben!“, brüllte der Vierte erneut, doch die Reaktion war genau die Gleiche. Niemand wich. Niemand trat vor. Die Menge blieb als homogener Block bestehen. Doch der Offizier schien nicht entschlossen, mit den wenigen Männern entschieden gegen die Menschen vorzugehen. Er schaute sich etwas unsicher um, schien nach einem Ausweg zu suchen. Schließlich schüttelte der Kopf.

      „Dann also nicht.“, sagte er. Berlan wollte gar nicht glauben, dass sie einfach abziehen wollten. Aber dies war anscheinend auch nicht der Fall. Stattdessen drehte sich der Vierte zu der Frau um. „Auf die Knie mit ihr!“, befahl er einem Soldaten, der sie mit einem Tritt in die Kniekehlen zu Boden schickte. Sofort ging ein Raunen durch die Menge.

      „Au. Verdammt. Seid ihr bekloppt?“, fauchte die Frau. „Lasst mich jetzt frei, und beendete diese Scharade, bevor noch jemand verletzt wird!“, befahl sie dem Vierten. Doch dieser schüttelte nur den Kopf und richtete dann die Spitze seiner Klinge in Richtung der Menschen. Er fuhr mit seiner Klinge einmal den Halbkreis entlang.

      „Ihr habt mich dazu gezwungen, Bürger von Tengemünde.“, sagte er und drehte sich dann zur Frau. „Inka Kresswein. Du bist des Hochverrates an Kaiserreich und Kaiser beschuldigt und für schuldig befunden. Die Strafe ist der Tod. Hast du letzte Worte?“

      „Das wagt ihr nicht!“, zischte die Angesprochene und blickte hoch. Doch Berlan hörte in ihrem Tonfall und sah in ihren Augen die Angst, die sie nun hatte.

      „Das Urteil wird sofort vollstreckt.“, sagte der Vierte und hob seine Klinge.

      Kaum jemand hätte wohl so schnell reagieren können. Aber Berlan war kein einfacher Jemand. Er hatte die Situation richtig eingeschätzt. Es hatte zur Eskalation kommen müssen. Nun halfen ihm seine Reflexe als Krieger, die er trotz seines Alters behalten hatte. Mit einem kräftigen Wurf schmiss er seine Axt, die krachend den Schädel des kaiserlichen Offiziers spaltete, bevor dieser zuschlagen konnte. Die Klinge viel noch vor dem Leichnam klirrend zu Boden. Doch Berlan zögerte nicht.

      Sofort sprang er nach vorne. Mit einem kräftigen Tritt gegen den Brustpanzer eines Soldaten schickte er diesen in das kalte Hafenbecken. Dann beugte er sich herunter, entging dadurch dem Schlag eines Soldaten, und griff zur Klinge des Vierten. Im Aufstehen richtete er die Klinge nach vorne und durchbohrte die Brust des Mannes. Dann stellte er sich schützend vor Inka, und wollte gerade die weiteren Feinde abwehren. Aber da waren keine Feinde mehr. Die anderen Soldaten waren ebenso überrascht wie ihr Offizier gewesen. Die Kraft des Mobs, der sich sofort auf sie gestürzt hatte, als Berlan angegriffen hatte, hatte sie schnell überwältig.

      Also steckte Berlan die Klinge in den schlammigen Boden und drehte sich zur Frau um. Er hockte sich hinunter und löste mit seinem Dolch die Fesseln. Dann stand er auf und reichte ihr die heile rechte Hand.

      „Seid Ihr verletzt?“, fragte er und half ihr aufzustehen.

      „Nein. Nein, ich glaube nicht. Dank euch.“, antwortete sie. „Wer seid Ihr?“, fragte sie.

      „Berlan.“, antwortete er. „Einfach nur Berlan. Das hier wird nicht einfach das Ende sein.“, sagte er und deutete auf die toten Soldaten. „Was wollten sie von Euch?“

      „Von mir? Mein Schiff. Sie haben schon mein Lagerhaus beschlagnahmt, und viele meiner Waren. Ich habe mit dem Schiff neben der Handelsgüter immer wieder Korn und andere Lebensmittel aus dem Süden hierhergebracht, damit diese Stadt irgendwie leben kann. Ihr seht, dass die Bürger darüber auch nicht erfreut gewesen wären.“, antwortete sie und lächelte Berlan an. „Danke. Inka reicht.“

      „Was jetzt?“, fragte Berlan die Frau, die doch die Stadt gut zu kennen schien. „Entweder wir versuchen zu fliehen. Oder...:“, sagte sie und blickte den Hafen entlang. Erst jetzt merkte Berlan, dass sich seit ihrem Eintreffen noch mehr Menschen eingefunden hatten. Viele hatten mittlerweile Äxte, Speere, Knüppel oder andere mehr oder weniger provisorische Waffen in der Hand. Dann erkannte er auch, was Inka meinte. Auch er sah einen Kampf am anderen Ende des Hafens. Offensichtlich Bürger gegen eine kleine kaiserliche Patrouille.

      „Ich glaube, wir können es nicht mehr aufhalten.“, sagte Inka. Berlan schüttelte den Kopf und lächelte.

      „Dann müssen wir es eben anführen. Und gewinnen.“, antwortete er. Die Kauffrau lachte auf.

      „Gerade in der Stadt und schon einen Aufstand?“

      „Ich habe wohl keine Wahl.“, sagte Berlan. Denn diese hatte er nicht. Entweder er ließ die Bürger nun allein ihrem Schicksal, was eine schlimme Rache der Kaiserlichen sein würde, oder er half ihnen, ihre Stadt zurück zu erobern. Wenn sie letzteres schafften, dann würden sie sie auch noch halten müssen, bis im Frühjahr die Invasion begann. Aber eins nach dem anderen

      „Wir müssen zur Garnison. Dort werden sich schnell die Menschen und Soldaten sammeln.“, sagte Inka und dann noch einmal lauter. „Zur Garnison!“

      „Für Tengemünde!“, hörte Berlan die ersten Rufe. „Nieder mit der Sonne!“ – „Nieder mit dem Kaiser!“ – „Für Kargat!“

      Als Berlan, Sivert und Inka mit den anderen Bürgern die Garnison erreichten, waren sie nicht die ersten. Der Funke der Rebellion schien schneller auf die Stadt übergesprungen zu sein, als sie hatten laufen können. Das Tor der Garnison wirkte kaputt, offensichtlich von einem ersten Ansturm. Dennoch hatten die kaiserlichen Soldaten die Masse bisher draußen halten können. In dem engen Torbogen bildeten sechs Soldaten einen undurchdringlichen Schildwall, trauten sich aber nicht, nach draußen zu gehen, um die Meute anzugreifen. Mehrere Tote zwischen den Soldaten und den wütenden Bürgern von Tengemünde zeigte, dass es bereits Kämpfe gegeben hatte.

      „Verschwindet von hier!“ – „Gebt uns was zu essen“ – „Verdammt soll euer Kaiser sein!“

      Die wütenden Rufe hallten durch die Straßen, als sich Berlan mit Inka einen Weg nach vorne bahnte. Er erkannte allerdings, dass die Menschen zurücktraten, als sie die Kauffrau erkannten. Anscheinend war diese bekannt. Und beliebt. Oder zumindest respektiert.

      „Was jetzt?“, fragte Inka leicht außer Atem an Berlan gerichtet. Sie wusste nicht genau, aber der große Mann schien solche Situationen besser zu kennen als jeder der hier Anwesenden. Berlan beobachtete die Pattsituation. Die Soldaten trauten sich nicht vor, um zu kämpfen, denn dann waren sie zahlenmäßig so unterlegen, dass sie keine Chance hatte. Auf dem Weg hatte er einige Patrouillen gesehen, die von wütenden Bürgern gelyncht worden waren. Die Truppe der Besatzer konnte nicht groß sein. In der befestigen Garnison waren vielleicht noch dreißig, vierzig Soldaten. Aber ein Frontalangriff würde dennoch verlustreich, denn der Mob war alles andere als gut ausgebildet oder gerüstet. Er blickte sich um. Und erkannte dann eine Lösung.

      „Da!“, sagte er und deutete auf das Schild einer Taverne, die in der Straße lag, die zur Garnison führte.

      „Du