J.D. David

Sternenglanz


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War es gerecht, dass sie alle heute den Tod fanden? War es richtig? Oder musste er Reue haben? Doch dann erinnerte er sich, was aus dieser Gnade entstanden war. Gnade war Schwäche. Und Schwäche führte zu Chaos. Jenem Chaos, das sich im Krieg gegen Valorien gebildet hatte. Hunderte, Tausende Leben wären verschont worden, wenn ihre Truppen damals siegreich gewesen wären, oder die Valoren sich einfach ergeben hätten. Heute würden viele Menschen für den kaiserlichen Frieden sterben. Doch der kaiserliche Frieden schützte Tausende, Zehntausende, Hunderttausende im ganzen Kaiserreich. Er würde nicht erlauben, dass sie an diesem Tag Schwäche zeigten. Dass das Chaos wieder die Oberhaupt gewinnen konnte. Nein, er musste diesen Krieg führen, um den Frieden des Kaisers zu bringen.

      „Soldaten des Kaisers, die Feinde des kaiserlichen Friedens stehen vor uns. Gewährt keine Gnade!“, befahl er laut und deutete dann mit der Klinge nach vorne. „6. Banner. Marsch!“, gab er den Angriffsbefehl. Dann setzten die Musiker ein und gaben den Takt des Vormarschs an. Den Takt des Todes für Gründau.

      Kapitel 9

      Yatane hatte mittlerweile aufgehört zu zählen, wie oft sie sich abends mit den Gefährten an ein Lagerfeuer gesetzt hatte, um sich zu Wärmen. In einem so langen Leben mochten wenige Tage wie ein Augenschlag wirken. Für Yatane fühlte sich ihre Flucht aber nun schon wie eine Ewigkeit an. Nicht wegen ihr. Sie hatte schon Jahre am gleichen Ort verbracht, ohne dieses Gefühl zu haben. Nein, es war die Angst um Luna und ihr ungeborenes Kind, die sie jeden Tag wünschen ließ, dass sie die Reise bald überstanden hatten. Bevor sie sich einen Lagerplatz gesucht hatten, hatte Adrian gesagt, dass sie vielleicht noch ein, zwei Tage bis Härengar brauchen würden. Es war ein Hoffnungsschimmer.

      Obwohl sie nun in deutlich dichter bevölkerten Landstrichen waren, wollten sie nicht das Risiko eingehen in ein Wirtshaus einzukehren. Aber die Kälte erlaubte nicht, nur mit Fellen und Decken zu schlafen. Ein Feuer war dennoch das geringere Risiko, das sie eingehen mussten.

      „Yatane? Schläfst du eigentlich jemals?“ Die müde Stimme der Königin klang an das Ohr der Elfe. Yatane drehte sich zu Luna um.

      „Weniger als du auf jeden Fall. Und wenn wir morgen eine ordentliche Strecke zurücklegen wollen, dann solltest du nun genau das wieder tun.“, mahnte sie die Königin mit einem Zwinkern.

      „Ich kann gerade nicht. Alles dreht sich in meinem Kopf.“, antwortete sie.

      „Ist es wegen…?“, fragte Yatane, aber die Königin schüttelte den Kopf.

      „Nein. Es ist eher wegen all dem, was vorgefallen ist. Arthur hatte mir die besten seiner Männer ausgesucht. Handverlesen aus Freital und anderen freien Dörfern während der Besatzungszeit. Er hat sie alle verloren. Zuletzt Rogard. Aber auch davor. All diese Menschen in Sonnfels. Innerhalb eines Augenschlages wurden sie getötet.“, sagte sie nachdenklich. Yatane nickte verständnisvoll, kam aber nicht zu einer Antwort, bevor Luna weitersprach. „Aber weißt du, was mich am meisten beschäftig?“

      Die Elfe schüttelte den Kopf. „Nein, sag.“

      „Wenn ich das Schwert in der Hand habe – Zeitensturm – dann fühle ich mich, als könnte ich ähnliches vollbringen. Als könnte ich solche Mächte haben, wie dieser Mann in den Schatten.“, sprach sie leise. Dann blickte sie Yatane in die Augen. „Sag, kanntest du den Mann? Diesen Elf? Wieso ist er mit dem Kaiser verbündet?“

      Yatane wandte den Blick wieder ab und schaute ins Feuer. Sie zögerte. Luna war natürlich eine Freundin. Aber auch ein Mensch. So jung. Sie konnte nicht verstehen, was es hieß, so vieles schon gesehen zu haben. Und diese Wahrheit…

      Sie seufzte. „Sein Name ist Tanatel.“, sagte sie.

      Luna nickte erst und grübelte dann kurz. „Tanatel? Wie der Elfenfürst von dem du mir erzählt hast?“

      Yatane nickte nur, aber Luna setzte sich schlagartig auf und schaute die Elfe verwirrt an. „Aber… wenn er… wieso? Wieso sollte er dem Kaiserreich helfen?“

      Yatane schüttelte erneut den Kopf und blickte noch immer ins Feuer. „Das weiß ich nicht.“, sagte sie. Dann schaute sie in den Wald. „Willst du dir ein bisschen die Füße vertreten, bevor du weiterschläfst. Vielleicht hilft das?“, bot sie der Königin dann an. Luna nickte. Obwohl sie den ganzen Tag marschierten, fühlte sie sich in diesem Moment in der Tat danach, sich etwas zu bewegen. Vielleicht würde es dann wieder besser funktionieren, mit dem Schlafen. Immerhin waren die Nächte lang, und es gab keinen Grund, übermäßig zu eilen.

      Sie standen auf, Yatane legte Luna einen weiteren dicken Mantel um, und liefen dann langsam in den Wald. Die Elfe nickte einem der vier Männer von Adrian, die sie begleiteten, beruhigend zu, als er auf sie zukam. Er war gerade zur Wache eingeteilt. „Wir sind gleich zurück.“, sagte die Elfe beruhigend und ging dann ohne weitere Worte mit Luna an ihm vorbei.

      „Aber es muss doch einen Grund geben.“, sagte Luna schließlich, als sie schon mehrere Schritte gelaufen waren.

      „Pass auf, wo du hintrittst.“, mahnte Yatane. Man konnte den Waldboden im Schein von Mond und Sternen gut sehen, denn der schneebedeckte Boden schien im Licht der Nacht fast zu leuchten.

      „Ich meine, wenn er ein Fürst der Elfen ist, sollte er nicht Alydan dienen? Oder einen Spross des Weltenbaums schützen?“, hakte Luna nach.

      „Ja, das sollte er. Aber für Tanatel ist alles anders gekommen.“, antwortete Yatane.

      „Was meinst du damit?“, fragte Luna nach. „Was ist anders gekommen?“

      Yatane schüttelte den Kopf. Sie konnte eine gewisse Traurigkeit nicht verbergen. Die Geschehnisse waren hunderte Jahre her, hatten sich aber fest nicht nur in ihr Gedächtnis, sondern in das Gedächtnis ihres ganzen Volkes festgesetzt.

      „Seine Kraft wurde im gestohlen. Der Spross ist tot.“, sagte sie leise.

      „Wie…?“, wollte Luna fragen, als sie sich auf einmal daran erinnerte, was ihr Elian und Siliva kurz nach ihrer Ankunft in Valorien gezeigt hatten. Ein Spross des Weltenbaums. Tot. „Liamtal.“, sagte sie leise.

      Yatane nickte. „Ja. Tanatel war einst Fürst all dieser Länder, auf denen wir schreiten. Von Valorien bis zu allen Meeren reichte seine Heimat. Doch dies ist lange her.“

      „Wie konnte der Spross getötet werden?“, fragte Luna nach.

      Yatane hielt inne und drehte sich zu Luna. Sie lächelte die Königin an, aber es war ein trauriges Lächeln. „Durch eine Klinge. Die Macht der Magie wurde aus dem Land gezogen und ging in das Schwert über. Tanatel konnte sich nur einen Bruchteil der einstigen Kraft bewahren.“

      Luna wollte gerade die nächste Frage stellen, als sie die Antwort schon erkannte. Sie blickte an sich hinunter. Wie selbstverständlich trug sie Zeitensturm an ihrem Gürtel. Seit der Nacht, in der es ihr der Wächter übergeben hatte, schien sie die Klinge nicht einmal weggelegt zu haben. „Zeitensturm. Die Magie, die ich nun wirke. Es ist seine Kraft.“

      „Nur ein sehr kleiner Teil. Es würde Jahrhunderte und noch länger brauchen, um diese Macht wahrlich hervorrufen zu können.“, sagte Yatane.

      „Aber dies war Gilberts Klinge…“, sagte Luna verwirrt. „Wieso hat er…?“

      Yatane streichelte Luna sanft über die Schulter und wies ihr dann, langsam weiterzugehen. In einiger Entfernung erkannte die Königin eine kleine Lichtung, auf die sie zugingen.

      „Einst herrschte Krieg zwischen den Menschen und uns Elfen. Ein furchtbarer Krieg. Wahrscheinlich kann man sagen, dass die Menschen gewonnen haben. Wenn es in solchen Kriegen überhaupt Sieger geben kann.“, sagte Yatane.

      Luna wirkte noch immer verwirrt. „Du meinst, wir Valoren haben gegen die Elfen Krieg geführt? Ist das der Grund, wieso Tanatel uns nun bekämpfen will?“

      „Vielleicht. Wie gesagt: Ich weiß es nicht.“, sagte Yatane.

      „Aber das muss hunderte Jahre her sein. Kein Mensch, der gegen die Elfen die Klinge erhoben hat, lebt heute noch. Wir wussten ja nicht mal mehr, dass