J.D. David

Sternenglanz


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eine ganz schöne Reise habt ihr da hinter euch.“, antwortete Sinja nachdenklich. „Gut, dass ich euch gefunden habe, und nicht die Soldaten. Oder jemand anderes, der euch für viel Geld verkauft hätte.“

      „So wie deine Freunde?“, fragte Yatane skeptisch aus der Ecke.

      „Einige von ihnen, bestimmt.“, antwortete Sinja ehrlich.

      „Sinja, Königin Hega hat sich für dich und die anderen Kargatianer verbürgt. Also beweise, dass sie damit nicht falsch lag.“, sagte Arthur eindringlich. Die junge Frau lehnte sich zurück und nickte.

      „Ja, klar. Ich bin die letzte, die euch in den Händen der Kaiserlichen sehen will. Aber Härengar war keine besonders gute Idee.“

      „Ein Schiff erscheint mir immer noch eine bessere Chance als die Brücken über den Calas.“, widersprach Arthur.

      „Ja, nur werdet ihr hier kein Schiff finden. Am besten reist ihr weiter nach Norden. Meidet die Städte. Wenn ihr kurz vor dem Calas seid, in den Ausläufern der Nebelberge, dann solltet ihr nach Fischerdörfern suchen. Vielleicht findet ihr dann jemand, der euch bis nach Lyth Valor nehmen kann.“, schlug Sinja vor.

      „Kannst du uns sicher aus der Stadt bringen?“, fragte jetzt Yatane. Die junge Frau nickte.

      „Ja, das sollte kein Problem sein.“

      „Gut.“, sagte Arthur und lehnte sich wieder zurück. „Sag Sinja, deine ‚Freunde‘, wer ist das eigentlich? Und wie viele?“

      Sinja neigte leicht den Kopf und lächelte. „Sie sind der Stiefeldreck, auf den jeder Herrscher hinunterschaut. Der Bodensatz der Stadt. Aber es sind einige Arbeiter hier im Hafen, die sich gerne etwas dazuverdienen wollen. Söldner und Leibwächter, die fast jeden Auftrag annehmen. Und all die Schatten, die die Nacht regieren. Ich bin hier aufgewachsen, während mein Vater für das ruhmreiche Königreich kämpfte, und erkennen musste, dass dem Adel sein Fußvolk scheißegal ist. Also kenne ich hier einige Leute. Und wer kann meinem Lächeln schon widerstehen?“, sagte sie und grinste.

      „Wenn wir den Angriff auf Kargat starten, würdet ihr euch gegen die kaiserlichen Soldaten erheben?“

      „So wie das Berlan und sein Sohn gerade versuchen?“, stellte Sinja eine Gegenfrage und lächelte über die verwunderte Reaktion ihres Gegenübers. „Tut nicht so überrascht, Herr Ritter. Wenn man über ein Jahr an der Seite der gleichen Menschen ist, wächst man zusammen. Berlan hat mir von dem Plan erzählt, noch bevor er ihn der Königin unterbreitet hat. Eigentlich eine gute Idee. Aber ich glaube hier in Härengar wird das nicht so einfach.“

      „Wieso das nicht?“, fragte Arthur.

      „Weil die Menschen genug vom Krieg haben und sich nicht viel ändert, wenn jemand anderes gerade die Krone auf dem Kopf hat. Ob König, Kaiser, oder Königin. Wer im Dreck lebt, wird auch weiter im Dreck leben. Viele meiner Freunde haben den Machtwechsel gar nicht gespürt. Was sie bemerkt haben, war das brennende Härengar, als die kaiserlichen Soldaten mordend durch die Stadt gezogen sind. Glaubst du, das wäre anders, wenn Valorien den Krieg erneut über uns bringt? Die Menschen im Norden mögen darüber anders denken. Oder auch die aus Karkliff, wie euer Freund Adrian Kilfort. All diese Städte – Tengemünde, die Zwillinge, Fendheim – haben kapituliert und die Tore geöffnet, als sie vom Fall Härengars gehört haben. Ja, selbst Wulfricshafen mit all seinen Soldaten und Matrosen hat die weiße Fahne gehisst, als kaiserliche Schiffe den Hafen und die kargatianische Flotte blockiert haben. Nun sitzen sie alle im Kerker und verrotten langsam. Aber sie haben auch nicht gesehen, was wir hier in Härengar gesehen haben. Sie können alle noch nach dem Krieg streben, den ihr über Kargat bringen werdet. Aber erwartet hier nicht allzu viel Unterstützung. Für die Kargatianer wird Luna nur eine weitere Königin sein, die auf sie hinabschaut. Und ich ziehe die Klinge für euch nur aus Verbundenheit zu Taskor und Hega.“

      Arthur stutzte ob des Monologs von Sinja, in dem sie sich immer mehr in Rage geredet hatte. Doch bevor er etwas antworten konnte hörte er eine andere Stimme. „Das ist nicht wahr.“ Der Ritter drehte sich um und erkannte die Königin, die sich aufgesetzt hatte.

      „Das ist nicht wahr, und das weißt du. Ich will dem Volk Kargats seine Freiheit geben. Freiheit, vor den kaiserlichen Grausamkeiten und der Unterdrückung.“

      „Freiheit? Ich dachte, Ihr wolltet über dieses Land herrschen, wie Euer großer Vorvater?“, erwiderte Sinja keck, hängte dann aber noch ein „Majestät“ an.

      „Ich…“, wollte Luna erwidern, wusste aber erst keine rechte Antwort. Was sollte sie dazu auch sagen. Sie war dann nun einmal Königin. Aber was sie mit Kargat und seinem Volk machen würde, hatte sie sich natürlich noch nicht überlegt. Adelige, die sich einfach dem Kaiserreich untergeordnet hatte, würde sie bestimmt verurteilen. Aber ansonsten?

      „Wartet, wiederholt noch einmal das mit Wulfricshafen?“, hakte auf einmal Arthur nochmal auf das von Sinja gesagte nach, nachdem er einige Momente über die Worte nachgedacht hatte.

      „Also Themawechsel?“, fragte Sinja skeptisch zurück. „Was meintet Ihr?“

      „Du sagtest, in Wulfricshafen wären Soldaten und Matrosen festgesetzt worden. Sowie die kargatianische Flotte.“

      „Ja, das stimmt.“

      Mit einem Lächeln schlug der Ritter seine Faust auf den Tisch und ließ so die Anwesenden kurz zusammenzucken. „Da haben wir unser Schiff!“

      „Ihr wollt ein Schiff der Flotte stehlen?“, fragte Sinja skeptisch, aber der Ritter schüttelte den Kopf.

      „Nein, ich will die Flotte stehlen.“, sagte er und drehte sich dann zu Luna. „Majestät, stellt Euch vor, welche Möglichkeiten wir hätten, wenn wir so viele Schiffe und fähige Männer in unseren Diensten hätten? Die Garnison kann nicht groß sein, denn wir haben von Adrian gehört, dass die Kaiserlichen ihre Armee weiter östlich sammeln.“

      „Und wie wollt ihr sie befreien?“, fragte Sinja skeptisch.

      „Wir werden einen Weg finden, dass sie sich selbst befreien können. Wir werden sie anführen. Außerdem müssen ein Ritter Valoriens und eine Elfenkriegerin ja für irgendetwas gut sein.“, antwortete Arthur. „Was meint Ihr, Majestät?“

      „Es hört sich gewagt an…“, antwortete Luna skeptisch.

      „Wir haben ja wenig zu verlieren.“, sagte jetzt Yatane. „Wulfricshafen liegt sowieso auf den Weg. Wenn wir dort sind, werde ich ohne euch die Stadt auskundschaften. Wenn es eine Möglichkeit gibt, dann werde ich sie finden. Wenn nicht, ziehen wir wie geplant nach Norden weiter.“

      Sinja schaute noch immer skeptisch verwundert, nickte dann aber. „Das ist so verrückt, das könnte klappen.“

      Der Ritter wandte sich wieder an sie zurück. „Sag Sinja, auch wenn uns nicht viele unterstützen würden: Du hast nicht zufällig ein paar Freunde, die auf ein Abenteuer erpicht sind? Oder willst du uns begleiten?“

      Die Angesprochene schüttelte den Kopf. „Nein, ich bleibe hier vor Ort. Irgendjemand muss euch ja die Stadt öffnen, wenn ihr vor den Toren steht. Aber ja, ich kenne einige junge Männer, die in der Armee dienten oder deren Familien vom Kaiserreich getötet wurden. Ich denke, da sollten sich ein paar Freiwillige finden.“

      Arthur schaute wieder erwartungsvoll zur Königin, die scheinbar immer noch über den Vorschlag nachdachte. Und über die Anmerkung von Sinja, zu ihrer Herrschaft. Aber schließlich nickte sie. „In Ordnung, wir versuchen es.“

      „Gut. Dann ruht euch bis morgen aus. Ich werde sehen, was ich für euch tun kann. Wenn die Nacht dann über Härengar hereinbricht, bringe ich euch aus der Stadt.“, sagte Sinja und stand auf, um zu gehen.

      „Sinja!“, wurde sie aber von der Stimme der Königin aufgehalten. Die junge Frau drehte sich um und schaute zu Luna, die auf dem Bett saß. „Danke!“, sagte Luna nur leise.

      „Majestät.“, antwortete Sinja und verabschiedete sich mit einer Verbeugung, die etwas zu tief war, um noch vollkommen ernst gemeint zu sein.