Hans-Georg Hohlbein

Flüchtige Verstrickungen


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aber nie mit ihm über mein Erlebnis mit Gitti gesprochen.

      Sieht man einmal vom gesellschaftlichen Hintergrund meiner illustren Gästerunde ab, der man wohl alles andere als einen vom Kapital dominierten Hintergrund zurechnen konnte, so wehte über diesem Abend auch ohne die Macht des Geldes ein zarter Hauch von dolce Vita. Es war ganz einfach eine Nacht voller Ausgelassenheit, voller Lebensfreude und grenzenloser sexueller Freiheit, was zu dieser Zeit in der kleinen Republik keinesfalls symptomatisch und schon gar nicht selbstverständlich war.

      Gittis animalische Nähe nahm mir an diesem Abend all die tief eingegrabenen Ängste, die Hemmungen und Verklemmungen, und mit jedem ihrer Blicke wurde sie mir vertrauter. Je enger sie sich an mich schmiegte, und je mehr ich die Wärme ihres Körpers spürte, umso mehr spürte ich ihre Energie, von der allmählich auch mein Körper vereinnahmt wurde. In meinem tiefen Inneren rumorte zwar noch ein winziges Zittern, die noch vorhandenen Rudimente meiner chronischen Ehrfurcht vor dem weiblichen Körper, vielleicht aber auch der aus dem Elternhaus stammende religiös geprägte, genetische Defekt, der mitunter in Restbeständen durch mein Unterbewusstsein geisterte. Irgendwann aber konnte ich mein Verlangen sie zu küssen, nicht mehr länger unterdrücken.

      Gitti musste meine Verklemmungen gespürt haben, denn ihre mandelförmigen Augen vollzogen plötzlich einen Wandel, sahen mich geradezu herausfordernd an. Tief in ihnen konnte ich für einen Moment ein schwaches Licht ausmachen, wie eine winzige Kerzenflamme, die in einem dunklen, engen Raum flackerte. Ängstlich versuchte ich anfangs noch Gittis verlangendem Blick standzuhalten bis ich merkte, dass mich die um meinen Hals verschränkten Arme mit spürbarer Hingabe enger an ihren warmen Körper zogen, einfach keinen Widerstand mehr duldeten. Gleichermaßen spürte ich, wie sich ihr heißer Atem meinem Mund näherte, und als gäbe es Nichts um uns herum, wiegten wir uns, als wären wir ganz allein auf der Welt unter dem schwachen Schimmer meiner Deckenlampe im Rhythmus der Musik. Als Gittis Lippen mich jetzt zärtlich berührten, waren all meine Hemmungen wie ein Windhauch verflogen, ich fühlte mich dazu bereit, wollte mich ihr allein hingeben, von nun an ihre Zärtlichkeiten zulassen.

      Ganz vorsichtig schob sie ihre Zunge in meinen halbgeöffneten Mund und mir war, als fechte sie in mir ein Duell, und als die Verschlingungen zunehmend heftiger wurden, ergab ich mich einfach dem Sog des Verlangens. Vielleicht waren es auch nur wenige Sekunden, sie erschienen mir in diesem Augenblick wie eine Ewigkeit. Bei dieser intensiven oralen Vereinigung spürte ich irgendwo tief in mir einen unsagbar süßen Schmerz. Während all dies mit mir geschah, flammte in mir brennendes Begehren auf, ein Gefühl wie ich es bisher so nicht gekannt hatte. Dabei drehten wir uns weiter im Kreis, wiegten uns harmonisch im Takt dieser überaus sinnlichen Musik, ließen unsere Körper geradezu miteinander verschmelzen, jeden Tropfen Körperflüssigkeit aus uns heraussaugend, so als wären wir am Ertrinken, bis die Kraft des Zungenschlags allmählich erlahmte, ihre Lippen sich langsam von meinem Mund lösten, und sanft über mein Ohr gleitend zu flüstern begannen.

      Obwohl ihr heftiges Atmen etwas abgeklungen war, schien ihre Erregung wieder anzusteigen, als sie begann leise von Gero zu erzählen. In ihrem Flüstern schwang sogar ein wenig Traurigkeit mit, als sie mir anvertraute, wie ihre Beziehung schon nach dieser kurzen Zeit des Zusammenlebens wieder unmerklich zu zerbröckeln begann, wie sich anfängliches Begehren in schlichte Alltagsgewohnheit verwandelt hatte. Ich erfuhr, dass er total unsensibel im Umgang mit Gefühlen geworden sei, dass sie sich oft über Kleinigkeiten stritten, dass bei jeder Gelegenheit der typisch mecklenburgische Sturkopf in ihm durchkam, an dem sich ihre fein gegliederte Sensibilität stets aufs Neue aufrieb. Der winzig verbliebene Rest von Zuneigung drohte an seiner nüchternen, geradezu unterkühlten Auffassung von Partnerschaft beinahe zu zerschellen. Knisternde Erotik, wie ich sie gerade erleben durfte, hatte es zwischen ihnen eigentlich nie gegeben. Sex war etwas Beiläufiges, Notwendiges, gehörte eben einfach zu einer normalen Beziehung, und war ohnehin, so Geros Auffassung, Bestandteil der ehelichen Pflichten.

      Während sie mir all diese Offenbahrungen ins Ohr flüsterte, spürte ich, wie ein Schauern meinen Körper durchlief, denn im Gegensatz zu Gittis Mann empfand ich ein Knistern, wie es erotischer nicht sein konnte. Mein ganzer Körper vibrierte geradezu. Von diesem Moment an hatte ich keinerlei Zweifel mehr an Gittis Zuneigung, war sogar der festen Überzeugung, dass die in mir aufgekommene Hochspannung zeitgleich auch mein Gegenüber erreicht haben musste und gerade im Begriff war, wie ein Stromstoß tief in sie einzudringen. Das Zuraunen all dieser Vertrautheiten verdrängte in mir auch den kleinsten Hauch von Zweifel, deutlich konnte ich jetzt spüren, wie Gittis Schlangenkörper mich umzingelt hielt und sich ganz eng an mich schmiegte.

      Wie vom Blitz getroffen verlor ich aus heiterem Himmel auf einmal die Kontrolle über mich und meinen Körper, war wie benommen, wollte erst dagegen ankämpfen, mich aufbäumend dagegen wehren, musste jedoch erkennen, dass alle Anstrengung, meine aufkommende sexuelle Erregung zu unterdrücken, vergeblich war. Mein ohnmächtiger Versuch, schnell noch die Notbremse zu ziehen, im allerletzten Moment wenigstens eine winzige Distanz zwischen unseren Hüften herzustellen, weil ich eine solch auffällige Begehrlichkeit von mir überhaupt nicht kannte, sogar als zutiefst unangenehm empfand, scheiterte schlicht an der realen Existenz meines plötzlich erwachten Sexualorgans.

      Gitti hatte diese begehrliche Veränderung an meinen Unterkörper sofort bemerkt, löste ihren rechten Arm von meinem Hals, ließ ihn über meinen Hintern gleiten und drückte mich kraftvoll mit beiden Händen ganz fest an ihren Körper:

      „Lass nur, ich mag es, wenn du mich begehrst!“ Diese sehr bestimmend in mein Ohr geflüsterten Worte wirkten auf mich geradezu ermunternd, zumal mich ihre zarten Hände dabei mit ganzer Kraft eng an ihren warmen Schoss gedrückt hielten. Taumelnd registrierte ich irgendwann das Schwinden meiner Sinne, merkte gerade noch, wie sich alles in mir aufzulösen schien.

      In einem letzten wachen Moment dachte ich kurz daran, mit ihr hinter meine künstliche Wand zu verschwinden, so wie Spatz und Wolf es getan hatten, irgendetwas aber hielt mich letztlich davon ab. War es wieder einmal dieser respektvolle Umgang mit der tiefen Zuneigung, mit der allzu großen Achtung vor dem Phänomen Frau, vor dem weiblichen Körper, oder war es eher das Festhalten dieses wunderbaren Augenblicks? In diesem Moment wusste ich einfach gar nichts mehr. Alles rationale Denken hatte aufgehört, wurde jetzt ungebremst und ausschließlich von Emotionen gesteuert. Ich verlor mich, Körper an Körper mit Gitti vereint, ließ mich fallen, hinein in einen Sinnesrausch, benommen, trunken, einfach nur süchtig nach Liebe.

      Gittis Lippen glitten über mein glühendes Gesicht, hauchten in mein Ohr, saugten sich förmlich an ihm fest. Ihre Zunge bohrte sich tiefer und tiefer in meine Höhlung, heftiger werdend ihr Atem. Gleichzeitig aber spürte ich ihre rechte Hand, die sich ganz vorsichtig zwischen unsere aufgeheizten Körper schob, mein Spannung geladenes Körperteil erreichte, und merkte ganz deutlich, wie ihre Finger mit sanftem Druck über meine sensibelste Stelle hinweg glitten. In der Bewegung ihrer Hand lag jetzt etwas Geheimnisvolles, so als gingen von ihren Fingerspitzen unsichtbare Fäden aus, die in mir einen völlig neuen Zeitbegriff webten. Zärtlich wiederholte sie ihre Streicheleinheiten bis ich, erst zögerlich dann aber mit Nachdruck begann, meine rechte Hand gefühlvoll zwischen ihren Venushügel zu schieben. Zentimeter für Zentimeter näherten sich meine zitternden Finger ihrer aufgeheizten Vulva, der vorsichtigen Versuchung erlegen, durch langsam auf und abgleitendes Streicheln in ihre tiefsten Geheimnissen vorzudringen.

      Durch die dünnen Nylons hindurch erfühlte meine zittrige Hand, wie die feuchte Wärme ihres Schosses nach und nach auch meinen ganzen Körper durchströmte, sich mit meiner aufgestauten Hitze zu vereinen drohte. Im gleichen Moment aber musste ich erkennen, dass alle Bemühungen meine Beherrschung rational steuern zu wollen, mit einem Schlag außer Kraft gesetzt wurden. Gleich einem Vulkan schoss ein heißer Strom durch mich hindurch, der den ganzen Hitzestau implodierend in sich zusammenfallen und meinen ganzen Körper erzittern ließ. Gleich einem Lavastrom, suchte er sich den nicht mehr zu unterbindenden Weg nach außen.

      Es war der unvermeidbare Samenerguss, der mich jäh aus dem Trancezustand herausriss und mit einem Schlag wieder in die Wirklichkeit zurückkatapultierte. Im selben Augenblick wünschte ich in den Boden zu versinken, so peinlich war mir in diesem Moment das unbeherrschte Reagieren meines Körpers. Gitti hielt mich noch immer fest umschlungen, unternahm alles Erdenkliche um mich wieder zu beruhigen, flüsterte