Tobias Fischer

Veyron Swift und der Orden der Medusa


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      »Sie meinten wohl, die Sicherheit einer ganzen Welt. Ich fürchte, es ist zu spät. Ich habe der Prinzessin bereits zugesagt, mich ihres kleinen Problems anzunehmen.«

      Fellows rührte einen Moment lang mit dem Löffel den Kaffee um.

      »Sie haben nicht den Hauch einer Ahnung, mit wem Sie sich hier anlegen, Mr. Swift«, warnte er, nun um einen deutlich bedrohlicheren Tonfall bemüht.

      Veyron schüttelte mit einer Geste der Enttäuschung den Kopf. »Ich fürchte, Sie sind derjenige, der nicht die geringste Ahnung hat, mit wem er sich anlegt.«

      Er maß den Blick mit Fellows. Sein Gesicht nahm einen Schein von Belustigung an, als er über Veyrons Worte nachdachte. In der Tat: Mit jemand seines Kalibers hatte es Fellows in seiner ganzen Karriere wohl noch nie zu tun. Veyron konnte erkennen, dass sie beide zu vollkommen gegensätzlichen Einschätzungen bezüglich seiner Fähigkeiten gelangt waren. Für Fellows war Veyron nichts weiter, als ein Spinner; ein wenig größenwahnsinnig und unberechenbar vielleicht, aber im Grunde nur ein harmloser Wicht.

      »Mich interessiert nur die Summe, die man mir auf den Tisch legt. Alle meine Klienten bezahlen gut, Morgan ebenso wie jetzt Consilian. Vielleicht werfen Sie einmal einen Blick auf das hier«, sagte er und legte einige Fotos von Tom auf den Tisch; aufgenommen auf dem Schulweg.

      »Mein Klient meinte bereits, dass Sie sich nicht so leicht einschüchtern lassen. Aber Sie sollten immer daran denken, dass es bei Zuwiderhandlung nicht zuerst Sie erwischen wird, sondern Ihre Freunde, Ihre Nachbarn. Einfach jeden, nur nicht Sie

      Er drohte mit einem derartig kaltschnäuzigen Ton, dass Veyron sich ernsthaft zu fragen begann wie viel von Fellows Menschlichkeit noch übrig war.

      »Ich weiß nicht, ob Sie wirklich richtig ticken, Mr. Swift, aber vielleicht sollten Sie anfangen es herauszufinden. Wie viel bedeutet Ihnen Toms Sicherheit, wie viel empfinden Sie für Ihre Freunde bei der Polizei, zum Beispiel diese nette Miss Willkins? Sie hat Probleme mit ihrem Freund, wussten Sie das? Vielleicht sollte ich sie von dieser Qual befreien, was meinen Sie? Oder Ihre rührige Nachbarin, wie war doch wieder ihr Name … Sarah Fuller, nicht wahr? Glauben Sie, es würde ihr gefallen, mit zwei gebrochenen Beinen im Krankenhaus aufzuwachen«, fragte er im gemütlichsten Plauderton, freche Lachfältchen um die Augen.

      Veyron sagte dazu gar nichts, nickte nur, griff nach vorne und nahm Fellows Kaffeetasse in Hand. Demonstrativ trank einen er einen Schluck daraus. Sein Gegenspieler war ob dieses Misstrauens ehrlich amüsiert. Er lachte verhalten, nahm seinerseits Veyrons Tasse und nahm einen kräftigen Schluck. Dann stellte er die Tasse wieder ab und zuckte mit den Schultern.

      »Kein Gift, sehen Sie? Machen Sie sich nicht in die Hosen, Swift. Ich habe nicht vor, Sie auszuschalten – zumindest jetzt noch nicht«, versicherte er. »Wie lautet also jetzt Ihre Entscheidung?«

      Unbewegt saß Veyron da, ebenso berechnend wie Fellows. Alle möglichen Szenarien geisterten durch seinen Verstand, Pläne und Schachzüge, die er allesamt wieder verwarf. Es gab kein Zurück mehr, die Schlachtlinien waren gezogen. Das Spiel hatte begonnen, jetzt war Veyron am Zug.

      »Bei einer finanziellen Entschädigung könnte ich mir ein Stillsitzen durchaus vorstellen. Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit«, sagte er, sichtlich bedrückt ob der chancenlosen Alternativen.

      Fellows schien endlich zufrieden. Er hob noch einmal Veyrons Tasse an, der die Geste unwillig erwiderte. Sie stießen an, jeder nahm noch einen kräftigen Schluck.

      »Goodbye, Mr. Swift. Ich denke, wir sehen uns bald wieder«, meinte Fellows. Er stand auf und schickte sich zum Gehen.

      »Nein, werden wir nicht«, erwiderte Veyron finster. Das entlockte seinem Gegner ein weiteres, amüsiertes Lächeln. Veyron wartete, bis Fellows verschwunden war, dann bezahlte er die Rechnung. Fellows würde zuschlagen, genau wie befürchtet. Er würde ihm keine vierundzwanzig Stunden lassen.

      Der Schulgong konnte gar nicht früh genug kommen. Endlich Freitagmittag, endlich Wochenende, endlich zurück nach Elderwelt. Blitzschnell hatte Tom seine Sachen zusammengepackt. Rasch verabschiedete er sich noch von seinen Freunden, dann flitzte er auch schon hinaus auf die Straße.

      Er stopfte sich die kleinen Kopfhörer seines Smartphones in die Ohren und aktivierte die Musikdateien, so wie jeden Tag. Gangnam Style, zurzeit sein absoluter Favorit. Der Nachhauseweg führte die Straße runter, vorbei an ein paar gepflegten Gärten und alten Backsteingebäuden, bis zur nächsten Bushaltestelle. Von dort schnurstracks in die Wisteria Road, alles in allem etwa zwanzig Minuten – zwanzig Minuten, die ihn noch von Elderwelt trennten.

      Er bog gerade um die Ecke in die High Street, als er für einen Moment nicht aufpasste und mit drei anderen Jugendlichen zusammenprallte. Sie waren ungefähr ein bis zwei Jahre älter als er, einer von ihnen auch bedeutend größer.

      »Hey, hast du Penner keine Augen im Kopf?«, herrschte ihn der Große an und stieß ihn grob in den alten Maschendrahtzaun gegenüber. Tom zuckte vor Schmerz zusammen und wich zurück.

      »Hast ja ein nettes Telefon. So eins will ich auch«, meinte der Große. Seine beiden Kumpels lachten. Sie begannen Tom einzukreisen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sich in ernsten Schwierigkeiten befand. Vor ihm standen drei schulbekannte Schläger – und er hatte nicht aufgepasst. Weglaufen war jedoch schon lange nicht mehr sein Vorgehen, nicht mehr seit seinem Elderwelt-Besuch. Dort hatte er sich mit schlimmeren Kreaturen geprügelt, als es diese drei je sein könnten. Er ballte die Fäuste, bereit seine Haut teuer zu verkaufen.

      Plötzlich übertönte Veyrons Stimme den Gangam Style in den Ohrstöpseln.

      »Greif nach hinten in deinen Rucksack«, wies er ihn streng an.

      Toms Gedanken schwirrten wirr herum. Wie um alles in der Welt kam Veyron in seine Musikdateien? Was sollte er mit seinem Rucksack?

      »Nun greif schon nach hinten, oder die drei nehmen dich auseinander«, drängte die Stimme. Tom befolgte die Anweisung instinktiv. Tatsächlich spürte er plötzlich einen kühlen, runden Griff. Etwas steckte in seinem Rucksack, unsichtbar, aber zweifellos vorhanden. Er erkannte diesen Griff, spürte, wie er unter seinen Fingern wärmer wurde. Er fühlte den verschnörkelten, metallenen Schutzkorb drum herum. Das Daring-Schwert, das Zauberschwert aus Elderwelt!

      »He, Kleiner, ich rede mit dir«, grölte der Große wütend. »Hörst du mir nicht zu? Rück dein Telefon raus! Ich will’s haben!«

      »Das da kannst du haben!«, gab Tom zurück und zog den Griff aus seinem Rucksack. Vor den Augen der verblüfften Schläger wuchs eine fast ein Meter lange, funkelnde Schwertklinge aus dem Griff, beschlagen mit blauen Juwelen.

      »Scheiße! Nichts wie weg! Der Typ ist ja krank!«, schrien die drei Banditen um die Wette und rannten davon. Tom wollte nachsetzen und ihnen die Hosen aufschlitzen, besann sich aber sofort wieder. Erstaunt starrte er das Zauberschwert an. Wie um alles in der Welt, war es überhaupt in seinen Rucksack gekommen?

      »Gut gemacht, die bist du los. Aber jetzt ist Eile angesagt. Steck das Schwert weg und sieh dich um. Etwa zwanzig Meter entfernt siehst du ein schwarzes Auto, einen brandneuen Jaguar. Der folgt dir schon, seit du das Schulgebäude verlassen hast. Siehst du ihn?«, dröhnte Veyrons Stimme in seinen Ohren.

      Tom steckte das Schwert in den Gürtel. Ohne Vorwarnung löste es sich in Nichts auf. Für einen Moment war er verblüfft, doch das war Teil jenes Zaubers, der auf dieser Waffe lag. Er drehte sich um und entdeckte die besagte Limousine.

      »Siehst du die beiden Fahrer?«, fragte Veyrons Stimme.

      »Ja, zwei Anzugträger, sehen wichtig aus. Was ist mit denen?«

      »Sie sind hier um dich zu entführen. Eventuell sogar um dich zu foltern, im schlimmsten Fall um dich zu töten. Lauf um dein Leben! Lauf, lauf, lauf!«

      Toms Herz schlug bis zum Hals. So schnell er konnte, warf er sich herum und rannte. Hinter ihm wurde ein Motor gestartet, er hörte ihn aufbrüllen. Sie waren wirklich hinter ihm her!

      »Verfluchter Mist, verfluchter Mist, verfluchter