Dagmar Isabell Schmidbauer

Der Tote vom Oberhaus


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Irgendwas Billiges.“

      „Kein BMW?“

      Geiler wieherte vor Lachen. „Naa, wo denken Sie hin? Wie soll sich denn unsereins einen BMW leisten, Herr Kommissar?“

      Er griff wieder nach der Bierflasche und merkte, dass sie noch immer leer war. Dann tippte er sich auf einmal an die Stirn. Er beugte sich so weit nach vorn, dass Hannes schon fürchtete, mit ihm und einem der Kaffeeflecken auf seinem Unterhemd zusammenzustoßen.

      „Ich weiß schon, was Sie meinen. Sie haben den Schlüssel gefunden.“ Den letzten Satz flüsterte Geiler mit verschwörerischer Stimme. „Und haben Sie auch die Uhr gefunden? Eine echte Rolex. Oder? Sie haben es geglaubt, stimmt’s?“ Er lehnte sich wieder zurück, stellte die Bierflasche auf den Tisch zu den anderen und kratzte sich weiter sein Brusthaar. „Der Xaver, der wusste, wie es geht. Meinte: Mehr Sein als Schein, darauf käme es an. Oder war das jetzt anders herum? Ach, egal! Ich hab mich ja nur gefragt, warum der keinen Job kriegt, wo der doch so schlau ist.“ Geiler klang nachdenklich.

      „Und was sollte das mit dem Schlüssel?“ Hannes wurde aus dem ganzen Gefasel nicht schlau, vielleicht fehlte ihm einfach der Alkoholpegel von Geiler, um das alles zu verstehen.

      „Na, ist doch klar“, setzte der prompt zu einer Erklärung an. „Der Xaver, der gab damit an. Der tat so, als könne der sich eine echte Rolex und einen echten BMW leisten. Vielleicht haben ihm die Weiber das ja sogar geglaubt!“ Wieder beugte er sich bedenklich weit nach vorn, sodass Hannes seinen abgestandenen Bieratem roch. „Die glauben nämlich viel, wenn du es ihnen erzählst. Ich würd so was allerdings nicht machen. Weil dann wollen die nämlich immer, dass du bezahlst. Und wenn sie nicht selber zahlen müssen, dann saufen die Weiber wie die Löcher!“ Geiler schlug sich mit der flachen Hand auf den nackten Oberschenkel und freute sich wie ein kleines Kind über seinen Witz.

      Hannes stand auf. Er wusste noch nicht, ob ihn das alles wirklich weiter gebracht hatte, auf jeden Fall verstand er jetzt die Sache mit den Anzügen und der Wohnung. Xaver Mautzenbacher war ein Blender gewesen. Das erklärte allerdings noch nicht, woher er zwanzigtausend Euro hatte und warum die Handtücher fehlten.

      „Kennen Sie zufällig das Kennzeichen von dem roten Flitzer?“

      „Nee! Tut mir leid, Herr Kommissar. Das müssen Sie schon selber herausfinden. Ha, haha!“ Wieder schlug sich der Nachbar auf den nackten Oberschenkel, dann stand er auf und ging zur Küche. Als er die Tür erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um und zwinkerte Hannes verschwörerisch zu. „Sie entschuldigen mich, aber ich habe eine Verabredung! Mit einer kühlen Blonden“, erklärte er mit schwerer Zunge und zwinkerte Hannes zu, bevor er in der Küche verschwand.

      „Ist Walter noch da?“, fragte Franziska und hoffte dass Carlos sie auch zum zweiten Mal an diesem Tag kommentarlos einlassen würde. Doch die Proben waren beendet, und Carlos war in Plauderstimmung.

      „Schon wieder Walter! Warum besuchst du nicht mal mich?“

      Er nahm eine Pose ein, die Franziska beeindrucken sollte, und bedachte sie dann mit einem zweideutigen Blick.

      Franziska verkniff sich zu sagen: Es ist nicht so, wie du denkst. Denn dieser Satz war absolut verbraucht. Sie selbst konnte sich an Dutzende Situationen erinnern, in denen ein Zeuge zu ihr gesagt hatte: „Es war nicht so, wie Sie denken, Frau Kommissarin!“

      „Ich muss ihn sprechen. Es ist wichtig“, gab Franziska patziger als beabsichtigt zurück.

      „Na klar, war ja auch nur ein Versuch. Komm rein!“ Carlos schenkte ihr ein beschwichtigendes Lächeln und gab die Tür frei. Mit dem Kopf zeigte er nach nebenan. „Er ist in der Werkstatt, zumindest hab ich ihn dort noch vor ein paar Minuten gesehen.“

      Franziska ging den kurzen Gang entlang, blieb vor den beiden Türen stehen und lauschte. Hinter der rechten glaubte sie den Mezzosopran der Katharina Eschenbacher zu hören, war sich aber nicht ganz sicher. Die linke Tür stand einen Spalt offen. Ohne zu zögern, drückte sie die Tür zur Werkstatt auf, schlüpfte hinein und schloss sie sorgfältig hinter sich.

      „Das ging aber schnell.“

      Walter kam auf sie zu, lächelte erfreut und wollte sie gerade umarmen, als Franziska ihn anfauchte: „Warum hast du mir nichts davon gesagt?“

      Verwirrt zog er seine Hände zurück und schaute sie fragend an. „Von was hab ich dir nichts gesagt?“

      „Dass du im Oberhausmuseum arbeitest!“

      „Hätte es dich interessiert?“Walter wich einen Schritt zurück. Er lächelte unsicher.

      „Ja!“

      „Warum?“ Der Bühnenkünstler schüttelte verwirrt den Kopf.

      „Weil dort heute ein Mann erstochen wurde und du in den Fall verwickelt bist!“

      „Spinnst du?“, keuchte Walter und sah Franziska ungläubig an.

      Dann drehte er sich weg und begann, einige Dinge auf der Werkbank hin und her zu rücken. Franziska beobachtete ihn bei dieser nutzlosen Tätigkeit, wartete aber, bis er sich wieder zu ihr umdrehte.

      „Ein Toter im Oberhaus. Und du glaubst, dass ich etwas damit zu tun habe?“, fragte er schließlich.

      „Du hattest einen Schlüssel zu der Tür, hinter der er gefunden wurde“, erklärte sie und versuchte, ihre Emotionen herauszuhalten.

      Walter nickte, schob seine Hände in die Taschen seiner Shorts und holte sie verwundert wieder heraus – sie waren leer.

      „Und was soll das beweisen?“

      „Erst einmal nichts“, lenkte Franziska ein. „Aber nur, wenn du ein Alibi hast!“

      „Dich.“ Walter lächelte unsicher.

      „Hast du vielleicht noch ein besseres?“ Franziska fand das alles überhaupt nicht spaßig.

      „Ein besseres als dich? Die Oberkommissarin?“Walter grinste anzüglich, gerade so, als habe sie nur einen Spaß gemacht. Dennoch lehnte er sich unsicher an der Werkbank an.

      „Ganze zwei Stunden nach der Tat“, fuhr sie ihn genervt an, weil jetzt einfach nicht die richtige Zeit für seine Spielchen war.

      „Du hast mich in der Hand.“ Er lächelte bitter, und als sie noch immer nichts sagte, fragte er: „Macht dir das wenigstens Spaß?“

      „Nein, es macht mir überhaupt keinen Spaß!“, rief Franziska enttäuscht. „Aber vielleicht machst du das ja mit Absicht! Vielleicht ist es dir gar nicht ernst, und du bist heilfroh, wenn du dich nicht auf mich einlassen musst!“

      Walter löste sich von der Werkbank und kam auf Franziska zu. Er nahm ihre Hände in die seinen und schaute sie ruhig an. „Also gut. Ja, ich habe ein Alibi. Ich war hier.“

      Er schenkte ihr eines seiner bezaubernden Lächeln und wartete darauf, dass sie sich damit zufriedengab.

      „Kann das jemand bezeugen?“ Franziska schluckte schwer an ihren Gefühlen für ihn.

      „Carlos, Katharina, Nina … Ich weiß nicht, wer noch alles bei der Probe war.“

      „Und haben die dich auch alle gesehen?“

      „Das musst du sie schon selber fragen.“ Er ließ ihre Hände so plötzlich los, dass sie wie bei einer Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hatte, nach unten fielen. „Aber sag mir eines: Warum hätte ich so etwas tun sollen? Warum sollte ich jemanden erstechen? Und womit überhaupt – mit meinem Langhaarpinsel?!“

      „Mit einer Partisane!“

      „Mit einer was?“

      „Er wurde mit einer Art Stoßlanze getötet.“ Franziska wusste, dass sie Walter mit Informationen versorgte, die sie ihm in dieser Situation nie hätte geben dürfen.

      „Das