Dagmar Isabell Schmidbauer

Der Tote vom Oberhaus


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Versehen?“, fragte Walter höhnisch.

      „Ja“, bestätigte Franziska und hoffte inbrünstig, dass alles nur ein Missverständnis war, dass der Mann, der sie noch vor ein paar Stunden auf so wunderbare Weise verführt hatte, nichts, aber auch gar nichts mit dem Mord an Xaver Mautzenbacher zu tun hatte.

      „Nein!“, schrie Walter so laut in ihre Gedanken hinein, dass Franziska zusammenzuckte. Für einen Moment fürchtete sie, die ganze Sängerschar würde zur Tür herein kommen, um nachzusehen, was hier los war.

      „Schrei doch bitte nicht so“, bat sie flüsternd und schaute ihn hilflos an. „Ich kann doch auch nichts dafür. Warum musst auch ausgerechnet du einen der beiden Schlüssel haben? Und warum hast du ihn überhaupt stecken lassen? Es ist doch deiner, oder?“

      Sie dachte an die leeren Hosentaschen, die Walter ihr vor wenigen Minuten noch gezeigt hatte.

      „Ja, es ist meiner. Ich habe ihn stecken lassen, weil ich es eilig hatte, ob du es glaubst oder nicht! Ich habe mich auf den Nachmittag mit dir gefreut. Da kann man schon mal vergessen, einen Schlüssel abzuziehen!“

      Franziska wollte ihn sanft am Arm streicheln, aber Walter schüttelte ihre Hand ab.

      „Auf was wollen wir uns denn jetzt einigen?“, fragte sie und unterbrach damit das eisige Schweigen.

      „Einigen?“, fragte Walter mit ausdruckslosem Blick, bis sich sein Gesicht plötzlich erhellte. „Ach, ich verstehe. Du willst nicht, dass dein Kollege weiß, dass du hier warst!“ Sein gequältes Lächeln klang bitter. „Du fürchtest dich vor seiner Eifersucht.“

      „Hannes ist doch nicht eifersüchtig!“

      Überrascht lachte Walter auf. „Ach, Franziska, ich hab doch gesehen, wie er dich anschaut!“

      „So ein Quatsch!“ Franziska schüttelte kurz den Kopf. „Hannes ist mein Kollege, mehr nicht.“

      Walter nickte resigniert. „Franziska, du würdest es doch gar nicht merken, wenn sich ein Mann nach dir verzehrt.“

      In diesem Moment kam Franziska ihr ehemaliger Chef in den Sinn. Der war von einer schönen Frau angebaggert worden, weil sie von ihm wissen wollte, wie seine Ermittlungen liefen.

      Was, wenn Walter sie auch nur benutzte?

      Was, wenn ihr das Gleiche passierte, wie Berthold Brauser?

      „Willst du unsere Freundschaft beenden?“, fragte Walter in die Stille hinein.

      Franziska schloss die Augen. Es fiel ihr sehr schwer zu sagen, was sie sagen musste. Aber Walter hatte ein Recht darauf, dass sie ehrlich zu ihm war.

      „Nein, natürlich nicht. Aber wir sollten uns nicht mehr treffen, bis ich weiß …“ Sie brach mitten im Satz ab, um die richtigen Worte zu finden.

      „Bis meine Unschuld erwiesen ist?“

      „Ja. Nein. So ein Blödsinn. Aber versteh mich doch!“

      „Ich versteh schon. Du willst deine Karriere nicht ruinieren.“ Walter nickte. Und sah dabei unheimlich traurig aus.

      Franziska gab sich einen Ruck und wandte sich zur Tür. Kurz davor blieb sie noch einmal stehen und sah sich um.

      „Ich will das alles nicht. Aber ich muss es einfach tun. Verstehst du das?“

      Dann ging sie, ohne Walter Gelegenheit zu geben, sich noch irgendwie von ihr zu verabschieden.

      Das Gespräch mit Walter setzte Franziska schwer zu. Wie hatte sie ihm nur sagen können, dass sie ihn nicht mehr sehen wollte? Wo sie doch schon jetzt unter dieser übereilten Entscheidung litt … Wütend schlug sie auf ihr Lenkrad ein und kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder. Sie hatte einen Fall zu klären, den Tod eines Menschen, und sie war es Hannes schuldig, ganz bei der Sache zu sein. Sie musste ihre Gefühle in den Griff bekommen! Doch die kurze Fahrt von der Künstlerwerkstatt bis zur Böhmerwaldsiedlung reichte dafür kaum aus.

      Als sie den Kollegen vor der Eingangstür entdeckte, das aufgeschlagene Notizbuch in der Hand und hoch konzentriert am Lesen, überkam sie eine Welle der Zuneigung. Sie mochte Hannes, er hatte immer zu ihr gestanden und ihr bei einer Schießerei sogar einmal das Leben gerettet. Aber sie hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, ob er vielleicht mehr in ihr sah, als nur eine Kollegin. Ob Walter am Ende doch recht hatte?

      „Und, hat es sich gelohnt?“, fragte sie und schob alle Bedenken beiseite, kaum dass Hannes auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte.

      Er verstaute sein Notizbuch und schaute sie prüfend an. Dann erhellte ein Lächeln sein Gesicht. „Erzähl mir lieber, was mit Froschhammer ist!“

      Franziska verschluckte sich beinahe an ihrem künstlichen Getue. „Wie kommst du jetzt auf den?“

      „Ich weiß ja nicht, was zwischen dir und dem Typ läuft. Und das geht mich auch nichts an. Aber ich weiß, dass er etwas mit dem Mord zu tun hat, und deshalb will ich wissen, was er gesagt hat. Sonst frag ich ihn nämlich selbst!“

      Auf einmal fand Franziska sein Grinsen widerlich.

      „Nichts“, erwiderte sie daher scharf.

      „Wie, nichts?“ Nur mühsam beherrscht stöhnte Hannes auf. „Er war in dem Raum, das weiß ich zufällig, also erzähl mir nichts von Nichts!“

      Franziska räusperte sich. „Woher weißt du das?“

      „Hast du vergessen, dass ich eine Dreiviertelstunde vor dir am Tatort war?“

      „Samantha Halmgaard?“

      „Richtig.“

      „Okay. Ja, ich war bei ihm und habe ihn genau danach gefragt.“

      „Und?“

      Unwillkürlich ließ sie den Blick auf ihre Hände sinken. „Er war in Maierhof bei den Proben.“

      „Franziska, du bist so eine schlechte Lügnerin!“

      „Ich lüge nicht, er war wirklich da.“

      „Ja, klar! Bist du in ihn verknallt?“

      „Wie kommst du denn jetzt darauf?“

      „Der Kerl ist verdächtig.“

      „Denkst du, das weiß ich nicht?“

      „Er könnte der Mörder sein. Er hatte einen Schlüssel.“

      „Und hat ihn stecken lassen!“

      „Um von sich abzulenken.“

      „Oder weil er es eilig hatte!“

      „Das hätte ich auch, wenn ich gerade einen Mann erstochen hätte.“

      „Er hatte was vor!“

      „Ach! Und was?“

      „Er hatte einen Termin. Du weißt schon, es ging um ein Gemälde.“

      „Na, da bin ich ja mal gespannt, wer diesmal sein Alibi ist …“ Der junge Kommissar warf seiner Kollegin einen skeptischen Blick zu.

      „Hör mal, Hannes. Ich möchte wirklich erst dann mit solchen Verdächtigungen anfangen, wenn die Beweise das auch rechtfertigen. Zudem hat Froschhammer kein Motiv.“

      „Sagst du.“

      „Sagt er.“

      „Na gut. Aber wenn wir irgendwo seine Fingerabdrücke finden, dann hol ich ihn mir.“ Hannes grinste noch breiter.

      „Hannes, wir werden seine Fingerabdrücke überall finden. Er hatte den Schlüssel, und er hat vielleicht sogar die Lanze angefasst. Immerhin hat er bei den Umräumarbeiten mitgeholfen“, fasste Franziska mit sanfter Stimme zusammen.

      „Wie willst du ihn dann entlasten?“