Janet Borgward

Das Mädchen mit dem Flammenhaar


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oder emotional?“

      „Beides wäre interessant zu wissen.“ Er rollte Felldecken für das Nachtlager aus, die sich warm und weich anfühlten, für Schafwolle waren sie allerdings zu dünn.

      „Hm. Einerseits bin ich traurig, Gullorway verlassen zu haben und nicht zu wissen, wann ich es wiedersehe. Andererseits bin ich neugierig darauf, was mich erwartet.“

      „Neugier ist immer ein guter Weg für Veränderung.“

      Wir ließen uns auf die Decken nieder, Rücken an Rücken. Ich starrte in die rabenschwarze Nacht, genoss die erfrischende Kühle. Hier war es so friedlich. Skyler drehte sich zu mir um, einen Arm um meine Schultern legend. Unwillkürlich spannte ich meine Muskeln an.

      „Ist es so schlimm?“

      „Was?“

      „Das ich dich berühre?“

      „Durchaus nicht“, stammelte ich.

      „Und – was ist mit diesem Garlow?“, fragte er herablassend.

      „Was soll mit ihm sein?“

      „Er spielte sich jedenfalls mächtig vor dir auf.“

      „Nicht mehr als du. Sind die Javeérs eigentlich Frauen?“, wechselte ich abrupt das Thema.

      „Was ist das denn für eine Frage?“

      „Ich dachte nur, weil du es dort so lange ausgehalten hast.“

      „Lass dich überraschen.“

      Statt einer Antwort strich er mir sanft über die Wange, zog mich näher zu sich heran. Sein Atem kitzelte am Hals, bevor seine Lippen erst zaghaft, dann fordernd in heißen Bahnen über die sensibilisierte Haut strichen. Scheu erwiderte ich seine Küsse, was ihn nur noch mehr beflügelte. Skylers Hände glitten unter mein Hemd, erforschten meinen Körper. Siedend heiß fielen mir Jodees braune Perlen ein, die sie mir mitgegeben hatte. Sollte ich sie jetzt nehmen?

      Ich wollte etwas sagen, doch er presste seine Lippen leidenschaftlich auf meine. Mein Herz schlug Purzelbäume. Nichts wollte ich in diesem Moment sehnlicher als diese Zärtlichkeiten mit ihm auszutauschen, seine Nähe körperlich spüren, doch mit einem Mal war es vorüber. Schweratmend rollte er sich auf die Seite und rammte seine Faust mit aller Kraft in die Decke.

      „Verflucht!“, stieß er aus. Mit bebender Hand strich er sich die Haare aus dem Gesicht.

      „Was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht?“ Meine Emotionen schlugen Kapriolen. Mein Hirn wollte nicht funktionieren.

      „Nein, nicht du. Ich hätte …“

      „Falls du … also, wenn du … Jodee hat mir was mitgegeben“, stotterte ich herum. Ich spürte, wie heiße Röte mein Gesicht überzog. Mit den Fingerspitzen begann ich ihm beruhigend über die Brust zu streichen, doch hielt er mit eisernem Griff dagegen.

      „Ich hätte mich nicht hinreißen lassen dürfen.“

      Er rückte ein Stück von mir ab. Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr.

      „Na ja, ich habe mich ja auch nicht gerade gewehrt“, versuchte ich zu scherzen, wobei ich seine Reaktion von soeben immer noch nicht einzuschätzen wusste.

      „Du bist noch zu jung, ich meine …“

      „Seit wann dieser Sinneswandel? Als du mich das erste Mal in deinem Baumhaus rumzukriegen versuchtest, war ich sechzehn“, echauffierte ich mich. „Und du machtest mir nicht den Eindruck, als wäre das ein Problem für dich!“ Jetzt schrie ich, enttäuscht über seine unverhoffte Zurückweisung. „Nun bin ich fast achtzehn und du bekommst Gewissensbisse?“

      Erste Funken begannen bereits aus meinem Finger zu sprühen. Skyler bemerkte es und umschloss ihn mit beiden Händen.

      „Damals wusste ich noch nicht, wer du bist,“ gab er gequält von sich.

      „Ja, und? Jetzt weißt du es eben. Macht das einen Unterschied?“

      „Versprichst du mir, nicht mit deinem Finger auf mich zu zeigen?“

      „Mit dem hier?“ Kaum hatte ich es ausgesprochen, da stob ein rotglühendes Kügelchen daraus hervor und streifte ihn an der Schulter. Vor Schreck schlug ich mir die Hand vorm Mund.

      „Das, das habe ich nicht gewollt“, stammelte ich panisch.

      „Und genau das ist der Punkt.“

      „Was?“

      „Deine Emotionen, deine Fähigkeiten. Du hast sie nicht unter Kontrolle!“ Er sprang auf und lief unruhig umher, ohne dass ich seine Schritte hörte. „Wenn du von Gefühlen geleitet wirst, egal in welcher Form, gerätst du außer Kontrolle!“

      Er war wieder an meiner Seite.

      „Bedeutet dies jetzt etwa, dass ich jedes Mal Funken sprühe, wenn du mich berührst, küsst oder …“ Meine Stimme kippte, ein Kloß im Hals drohte mir die Luft abzuschnüren.

      „Scht, scht, beruhige dich, Montai.“

      Trotz meiner Gefährlichkeit wagte er es, mich in die Arme zu nehmen?

      „Was hat dir Jodee eigentlich zu den Kugeln gesagt?“, fragte er wie nebenbei.

      „Dass sie gegen unerwünschten Kindersegen schützen. Woher weißt du davon?“

      „Ich habe sie ihr für dich gegeben, an dem Abend, als du nicht gekommen bist.“

      „Aha.“

      „Avery, du …“

      „Ja?“

      „Nichts.“

      „Du sprichst wieder mal in Rätseln. Darf ich erfahren warum?“

      „Du bist die Tochter einer Magierin, einer dunklen Magierin.“

      „Und das bedeutet automatisch, das ich auch Böses im Sinn habe oder haben werde?“

      „Du vielleicht nicht, aber dein Kind, wenn es geboren wird. Unser Kind, wenn wir jemals eines haben sollten.“ Der letzte Satz war nur noch geflüstert.

      „Sagt wer?“

      „Dein Lesestein – liest du eigentlich nie darin?“

      Er jedenfalls schien ihn auswendig gelernt zu haben.

      „Das ist ja lächerlich“, wies ich seinen Einwand von mir. „Wo ist denn deine untrügliche Vernunft geblieben? Erst reden dir die Javeérs ein, dass Amarott noch am Leben ist und jetzt lässt du dich von uralten Zeilen eines dummen Steins beeinflussen?“

      „Er enthält viele Wahrheiten, mit denen du dich besser heute als morgen vertraut machen solltest.“

      Das Tor von Merdoran

      Skylers seltsames Verhalten und seine Worte hatten mich nachdenklich gestimmt. Weiteren Fragen verschloss er sich, indem er mir einfach den Rücken zukehrte. Alsbald schlief er ein. Wie konnte er jetzt schlafen? Ich dagegen war viel zu aufgewühlt. Als die Kälte unerträglich wurde, rückte ich enger an ihn heran. Er murmelte etwas im Schlaf, wies mich aber nicht ab. Stunden später fiel auch ich in einen unruhigen Schlaf.

      „Wir müssen los“, drang Skylers Stimme ungeduldig und dennoch zäh wie Brei an mein Ohr. Langsam kam wieder Leben in meine verspannten Glieder. Alles tat mir weh, von dem unbequemen Nachtlager. Mit steifen Beinen stand ich auf, streckte mich und konnte gerade noch erspähen, wie er seinen Blick rasch abwandte.

      „Sind wir heute schlecht gelaunt?“, fragte ich ihn, erhielt aber keine Antwort. „Na toll“, fluchte ich vor mich hin, fuhr mir mit den Fingern statt einer Bürste durchs Haar, um die Locken zu bändigen. Ich suchte den steinigen Untergrund nach meinem Lederbeutel ab, doch Skyler hatte unser Gepäck bereits auf das Lapendor geschnallt, längst im Sattel sitzend.

      „Wie ist dein Plan?“, startete ich erneut den Versuch, eine Unterhaltung in Gang zu bringen.

      „Wir machen uns auf den Weg nach Merdoran zu den Javeérs.“

      „Was für eine Überraschung.