Christine Schöpf

Mein Leben mit dir hat bereits begonnen


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tut -das du ihr weh tust! Ich kann das hier nicht, ist das bei dir angekommen?!“

      Hanna fuchtele mit ihren Armen in der Luft herum, um deutlich zu machen, was sie mit dem hier meinte.

      „Sie ist gerade nicht in der besten seelischen Verfassung und ich bin mir sicher, dass sie das hier wirklich nicht braucht!“

      „Sie braucht mich“, Ron sprach so ruhig und leise, aber bestimmt, das Hanna zögerte und dann doch leise weitersprach:

      „Nellys Lebenspartner stirbt. Die Ärzte geben ihm noch maximal 3-4 Monate.“

      Hanna schluckte und ließ ihre Worte wirken. „Nelly geht mit ihm sehr bald schon in die Schweiz, in ein Spital, sie wird ihn beim Sterben begleiten -ihm dabei zusehen, wie er stirbt!“

      Hanna sah Aaron direkt in die Augen.

      „Meinst du immer noch, dass sie das hier alles braucht?“

      Ron schaute Hanna überrascht an.

      „Das habe ich nicht gewusst, ich…“ er verstummte.

      „Fuck, natürlich hast du das nicht gewusst, zum Henker auch. Woher solltest du das auch wissen, du kennst sie ja nicht!“

      Hanna hatte große Schwierigkeiten ihre Stimme in den Griff zu bekommen. Wenn sie ihn nicht besser kennen würde, würde sie glauben in seinen Augen Tränen zu sehen. Aber Hanna hatte noch nie jemanden getroffen, der so abgebrüht und emotionslos war wie Ron.

      „Was zum Teufel ist zwischen dir und Nelly? Oder besser gesagt, was glaubst du, was das ist zwischen euch beiden? Meinst du wirklich, dass hier tut ihr gut?“

      Ron blickte zu Boden.

      „Ich hole ihr ein frisches T-Shirt von mir aus dem Wagen. Warte hier“.

      Ron ging an ihr vorbei zu seinem Auto und Hanna sah ihm sprachlos nach. Sie sah wie er den Kofferraum aufschloss und eins seiner schwarzen Shirts -sauber gefaltet- aus dem Kofferraum holte und wieder auf sie zukam.

      „Hier, gib es ihr, sie wird es brauchen“.

      Hanna nahm es entgegen und Ron ging wieder zum Clubhaus zurück. Dann drehte er sich zu ihr um und sagte:

      „Das mit ihrem Freund wird nichts, aber auch rein gar nichts daran ändern und auch du wirst es nicht verhindern können“, dann steckte er die Hände in seine Hosentasche und ging zurück ins Clubhaus.

      Hanna stand mit dem Shirt in der Hand da und wusste nicht, ob sie ihm hinterherrennen sollte. ,Ich könnte ihm von hinten eine drüberziehen,‘ dachte Hanna, vielleicht würde er dann zur Besinnung kommen. Hanna schüttelte den Kopf und ging dann aber ebenfalls rein, um sich den Weg ins Damen Klo zu bahnen.

      Dana saß vor Nellys Klotür und spielte an ihrem Handy rum. Als sie Hanna sah packte sie es schnell weg und sprang auf.

      „Ich wollte zu ihr rein, aber sie wollte das nicht. Ich habe ihr aber feuchte Tücher unter der Tür durchgereicht…“

      „Verpiss dich!“ schnauzte Hanna sie an und Dana sah zu, dass sie so schnell wie möglich wegkam.

      „Nelly -mach die Tür auf“.

      „Ich kann nicht“, jammerte Nelly durch die Tür. „Ich habe mir meine Bluse vollgekotzt und mein Reißverschluss der Sweetshirt Jacke habe ich mir auch gerade kaputt gemacht“.

      Hanna schaute auf das T-Shirt in ihrer Hand, „Mach die verdammte Tür auf, ich habe ein frisches Shirt für dich.“

      Sie hörte wie Nelly die Klospülung betätigte und dann die Türe einen Spalt öffnete und ihre Hand rausstreckte.

      „Kannst du meine Jacke halten -sie ist noch sauber.“

      Hanna nahm im Tausch die Jacke entgegen und während Nelly sich umzog, versuchte sie den Reißverschluss zu reparieren.

      „Scheiße, wie haste das denn schon wieder hinbekommen? Ich dachte du musstest nur kotzen und nicht dir dabei die Klamotten vom Leibe reißen“.

      Sie hörte Nelly leise auflachen.

      „Ich bekomm den Scheiß nicht repariert. Ich glaube von der kannst du dich verabschieden“, sagte Hanna und in dem Moment kam Nelly leichenblas aus dem Klo.

      „Wer war das an Aarons Seite?“ fragte Nelly unvermittelt und ging zum Waschbecken.

      „Wahrscheinlich irgend so eine Schlampe mit der Ron mal was hatte,“ antwortete Hanna absichtlich härter als notwendig.

      Nelly schluckte.

      „Doch noch eine Runde kotzen, oder geht’s?“ Hanna schaute Nelly besorgt an und es tat ihr fast leid, Nelly so hart geantwortet zu haben.

      „Nein, geht schon wieder“.

      Nelly betrachtete ihr Gesicht im Spiegel, sie sah so aus, wie sie sich fühlte -zum kotzen. Das Shirt war ihr viel viel zu groß, aber sie fühlte sich trotzdem in diesem Shirt geborgen, es roch unglaublich gut.

      „Können wir uns noch ein paar Minuten nach draußen an die frische Luft setzten? Ich glaube nicht, dass ich mich jetzt ins Auto setzten kann.“

      Nelly stützte sich am Waschbecken ab.

      „Kein Problem“, Hanna warf sich die Jacke über die Schulter und nahm die schmutzige Bluse, die Nelly auf dem Handtuchpapierhalter abgelegt hatte.

      „Schaffst du es allein raus, dann besorge ich dir noch ein Wasser.“

      Nelly nickte, „Vielleicht mit einer Scheibe Zitrone…?“ schob Nelly nach.

      Hanna schaute sie an: „Aber sonst geht’s noch, oder?“

      Hanna klopfte ihr auf die Schulter und beide verließen zusammen das Damen-WC.

      Nelly war so mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht die neugierigen Blicke um sich herum bemerkte. Draußen setzte sie sich auf eine der Bänke, die auf der Außenterrasse standen und holte tief Luft. Sie schloss die Augen und erst als sich alles um sie herumdrehte, öffnete sie diese wieder.

      Sie zuckte zusammen, vor ihr stand Aaron mit einem Glas Wasser in der Hand. Sie hatte ihn nicht kommen hören und sie wusste nicht, wie lange er da schon stand. Obwohl es ihr so schlecht ging, blieb die gewohnte Reaktion bei seinem Anblick nicht aus.

      „Trink“, er hielt ihr das Glas hin und setzte sich neben sie.

      Nelly nahm das Glas und trank ein paar Schlucke.

      „Da ist Zitrone drin“, stellte Nelly überrascht fest.

      „Du magst keine Zitrone?“ Aaron sah sie fragend an.

      „Doch, ich liebe Wasser mit einem Spritzer Zitrone“, antwortete Nelly leise. Sie spürte, wie Aaron sie von der Seite beobachtete. Nelly mochte sich nicht zu ihm umdrehen, sie wusste wie schlecht sie aussah und schämte sich dafür.

      „Geht’s dir jetzt besser?“ fragte Aaron sie und seine Stimme klang so weich, dass sie sich zu ihm umdrehen musste.

      Sie wollte ihn sehen und am liebsten hätte sie sich an ihn gelehnt. Er schaute ihr in die Augen und der Blick von ihm war so weich wie seine Stimme.

      Er hob die Hand und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Nelly schloss die Augen und diesmal war das Schwindelgefühl unglaublich süß und angenehm. Seine Bewegung war so langsam wie eine Liebkosung und sie genoss es hier einfach nur neben ihm zu sitzen und seine Hand an ihrem Haar zu spüren.

      „Nelly?“ hörte sie ihn mit rauer Stimme sagen.

      „Hmm?“ Nelly wollte ihre Augen nicht öffnen, sie war hier im Jetzt und sie wollte nicht weiter. Wenn es nach ihr ginge, könnte die Welt nun stehen bleiben und sie würde hier bis an ihr Lebensende mit Aaron auf dieser Bank sitzen.

      „Nelly?“ Nelly öffnete widerwillig ihre Augen.

      „Ich wollte dir nur sagen, dass das Mädchen mit der ich reingekommen bin, nur eine Bekannte ist. Ich