Christine Schöpf

Mein Leben mit dir hat bereits begonnen


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uns noch heute, und wenn du mir keine Uhrzeit nennen möchtest, komme ich jetzt bei dir vorbei!“

      Hanna verstand echt keinen Spaß, anscheinend wollte sie wirklich heute noch das Gespräch mit ihr.

      „Okay“, gab Nelly nach. „Ich denke Dr. Schumacher wird so gegen 15 Uhr wieder weg sein. Danach können wir uns auf einen Kaffee treffen. Wie wäre es um 16 Uhr im ‚Sahneschnittchen‘?“

      „Okay“, Hanna atmete tief durch. „18 Uhr im Café“ und legte auf.

      Als Nelly sich gerade das Haar föhnte, klingelte es an der Tür. Patrick öffnete sie und Nelly hörte, wie er den Arzt ins Wohnzimmer bat. Schnell machte sich Nelly fertig und als sie ins Wohnzimmer kam, war Dr. Schumacher bereits mit seinen Untersuchungen im Gange.

      Als er sie sah, hob er die Augenbraue: „Guten Tag Frau Lange. Ihr Mann sagte mir gerade, dass sie etwas Schlaf gefunden haben. Sie sehen auch schon wieder etwas besser aus“.

      Nelly lachte: „Hallo Dr. Schumacher. Etwas besser aussehen, fasse ich mal als Kompliment auf.“

      Der Doktor und Benno grinsten sich an.

      „Ich höre jetzt nur noch mal die Lungen ab, wollen wir uns dann einmal zusammensetzten?“

      „Ja gerne -Patrick kannst du uns bitte einen Kaffee machen -der Doktor nimmt ihn mit einem Stück Zucker“.

      Patrick ging in die Küche und Nelly schaute noch bei der Untersuchung zu und setzte sich dann an den Tisch. Ihre Gedanken drehten sich nun nur noch um Benno und seine Krankheit.

      Benno war nur ein Jahr älter als sie. Er war immer gesund und sportlich aktiv gewesen, bis er sich bei einem Fahrradunfall vor knapp 4 Monaten das Schienbein brach. Es war ein ganz glatter Bruch, ohne Komplikationen. Im Krankenhaus stellten sie dann fest, dass seine Blutwerte nicht okay waren und ordneten beim Hausarzt weitere Untersuchungen an.

      Später wurde dann diagnostiziert, dass Benno Krebs hatte. Zu diesem Zeitpunkt konnte man schon nicht mehr sagen, wo der Krebs seinen Ursprung hatte, sein ganzer Körper war voller Metastasen.

      Der Krebs hatte gestreut und sich im ganzen Körper verteilt. Es gab kaum ein Organ, dass nicht befallen war und es war allen klar, dass Benno das nicht überleben konnte. Es war ein Schock für alle, keiner hatte je einen Gedanken daran verschwendet, dass einer von ihnen beiden zu diesem Zeitpunkt erkranken oder sogar sterben könnte.

      Krebs -das lag alles so weit weg.

      Die Ärzte hatten ihm keine Hoffnung gemacht und erst gar keine Chemotherapie in Betracht gezogen, alles was er jetzt noch einnahm waren Medikamente gegen die Schmerzen.

      Die gute und professionelle Hauspflege konnten sie sich nur leisten, weil Benno etwas geerbt hatte.

      Sie gaben Benno damals noch ca. 12 Monate, davon waren etwa 3 Monate vergangen und nun sprach man von nur noch 3-4 Monaten…

      Nelly konnte die Tränen nicht zurückhalten, wie so oft in letzter Zeit liefen sie ihr einfach über die Wangen. Oft bemerkte sie das erst, wenn ihr ganzes Gesicht komplett benässt war.

      Sie kramte ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und tupfte sich das Gesicht trocken. Ihre Augen brannten und das Gesicht juckte von den Tränen.

      Sie stand auf und wusch sich das Gesicht und trocknete es sich vorsichtig ab. Durch das häufige Weinen war ihre Haut gereizt und brannte beim Abtrocknen. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, wo bereits der Doktor und Benno am Tisch ihren Kaffee tranken.

      „Komm, setz dich zu mir“, Benno klopfte auf seine Beine und Nelly ließ sich, ohne auf den Arzt zu achten auf seinen Schoss gleiten. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und Benno strich zärtlich über ihren Rücken.

      „Wollen wir das Gespräch vielleicht ein anderes Mal führen?“ fragte Dr. Schumacher.

      „Nein“, sagte Benno leise, aber bestimmt.

      „Mir bleibt nicht mehr viel Zeit und man weiß ja nie, ob es ein nächstes Mal gibt.“

      Nelly versteckte ihr Gesicht in Bennos Halsbeuge, sein Geruch hatte sich verändert. Er roch nicht mehr nach Sommer und Sonne, sondern nach Medikamenten und Desinfektionsmittel. Nelly versuchte doch noch den Duft zu erschnuppern, aber da war nichts mehr. Ihr traten wieder die Tränen in die Augen.

      „Herr Schrimpf, wie ich bereits Ihrer Frau gestern mitteilte, ihre Krankheit schreitet viel schneller voran als angenommen. Ihre Blutwerte sind erschreckend und sie hier im Rollstuhl zu sehen grenzt schon fast an ein Wunder.“

      Der Arzt räusperte sich: „Ich möchte ehrlich sein, wir dürfen davon ausgehen, dass dies nicht mehr lange so bleiben wird, ihre Organe werden nacheinander versagen. Ihre Frau hat bereits mit dem Spital Kontakt aufgenommen und heute Morgen erhielt ich den Anruf, dass sie in 4 Wochen dort aufgenommen werden können.“

      Nun schluchzte Nelly haltlos, ihr Körper schüttelte sich unter den Tränenausbrüchen. Hätte Benno sie nicht gehalten, wäre sie erschöpft von seinem Schoss gerutscht. Sie hatte schon so viel geweint, dass sie gar nicht wusste woher die Tränen überhaupt noch kamen.

      Benno strich ihr weiter sanft über den Rücken und wiegte sie wie ein kleines Kind auf seinem Schoss hin und her. Das beruhigte sie etwas und das Schluchzen wurde leiser.

      „Ich habe bereits für Sie den Termin bestätigt -für Sie und ihre Frau. Frau Lange kann die Unterlagen nächste Woche abholen. Falls Sie noch Fragen haben, ich bin jederzeit für Sie da“, der Doktor stand auf und reichte Benno seine Hand. Benno verabschiedete sich und bedankte sich für alles was der Arzt für sie bereits getan hatte und versprach, bei Fragen ihn zu kontaktieren.

      Nelly war so müde vom Weinen, dass sie den Kopf nicht hob und sich auch nicht vom Arzt verabschieden konnte und wollte. Sie hörte wie Patrick den Doc zur Tür brachte und wäre so gerne einfach auf Bennos Schoss sitzen geblieben -sie war so unendlich traurig und unendlich müde -alle Kraft war aus ihrem Körper gewichen.

      „Nelly?“, sie hörte Patricks Stimme.

      „Nelly -du musst aufstehen. Ich glaube, Benno benötigt seine Schmerzmittel“.

      Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass Benno weder ihren Rücken streichelte noch etwas sagte. Erschrocken schaute sie auf. Benno saß bleich und mit geschlossenen Augen da.

      Nelly sprang von seinem Schoss.

      „Benno -Patrick bringt dich jetzt zu Bett und gibt dir deine Medikamente – okay?“

      Benno nickte unmerklich und Patrick war bereits dabei das Schmerzmittel in den Zugang zu spritzen. Das Medikament wirkte schnell und Bennos von Schmerzen verzogener Gesichtsausdruck entspannte sich.

      „Ich bringe ihn ins Bett, bevor er mir aus dem Rollstuhl fällt“.

      Nelly nickte zustimmend und Patrick schob Benno ins Schlafzimmer, wo er mit ihm leise sprach.

      Nelly sackte auf der Couch zusammen, wie konnte ihr Kopf so leer sein und doch gleichzeitig so betonschwer? Sie saß noch da, als Patrick Minuten später ins Wohnzimmer kam.

      „Es war wohl sehr anstrengend für ihn. Ich habe ihm das Maximum an Morphium gegeben -er wird die Nacht bestimmt nicht mehr wirklich klar werden. Lina kommt gleich -möchtest du dich auch hinlegen“, besorgt schaute Patrick sie an.

      Nelly schaute auf die Uhr, es war kurz nach 15 Uhr.

      „Nein, ich treffe mich noch mit Hanna. Kannst du mit Lina die Übergabe machen? Sag ihr bitte, dass ich noch nicht weiß, wann ich wieder da bin, aber jederzeit erreichbar bin.“

      Patrick nickte und Nelly machte sich für das Treffen mit Hanna fertig.

      -5-

      Hanna wartete bereits im ‚Sahneschnittchen‘ als Nelly mit dem Taxi ankam. Nelly konnte bereits von der Tür aus sehen, wie Hanna dort saß, wie angespannt sie augenscheinlich war. Sie ging auf den Tisch zu und Hanna sprang direkt auf und umarmte Nelly kurz.

      „Ich