Margrit Lange

Mails von Marge


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Hotel.

      Als wir durch das mittelalterlich anmutende Dorf zurückgingen, stellten wir fest, dass der Ort wie ausgestorben war. Kein Mensch begegnete uns. Man hörte auch kein Kinderlachen, keine meckernden Mütter, keinen Rasenmäher, keinen Handwerker bohren und hämmern, sah keine Katze, es bellte kein Hund. Nix. Da musste der Hotelbetreiber sich ja über unsere Anwesenheit freuen.

      Als wir im Hotel ankamen, handelten die beiden anderen Gäste, die Deutsche in perfektem Französisch und spanisch, gerade die Uhrzeit für Frühstück und Abfahrt aus. Wir fanden eine Frühstückszeit um 7.15 Uhr in Ordnung, den anderen Pilgern ist das zu spät. Damit der Hotelier nicht überstrapaziert wurde, schlossen wir uns den Beiden an. Nun sollte es um 6.15 Frühstück geben und die Abfahrt um 6.45 Uhr erfolgen. Ich war fasziniert von den Sprachkenntnissen der Frau und fragte sie, ob sie Lehrerin war. Nein, sie wäre Übersetzerin gewesen, ihr Hörvermögen ließ nach und sie musste den Beruf aufgeben. Gut, dass ich in ihrer Anwesenheit kein spanisch gesprochen hatte. Mit ¡Buenas noches! gingen wir hinauf in unser “Gemach“.

      Wolfgang schrieb noch in sein Notizbuch und ich stellte noch die Weckzeit im Handy ein. Ich schrieb nicht ein Wort, dafür hatte ich aber auch zwei Moleskine Notizbücher mit, man weiß ja nie. An der frischen Bettwäsche schnüffelnd schwebte die Prinzessin, auf der Erbse ohne Erbse, beim zweiten sanften Klang der Kirchenglocken vom Schlemmerland ins Schlummerland. Auch der Schnarchbär konnte sie nicht aufhalten.

      Hornillos del Camino - Castrojeriz

      Das Handy brummte zur richtigen Zeit. Es erfolgte das “bärige“ Packritual, den blasenfreien Füßen wurde mit Hirschtalg gehuldigt. Die Magnesiumdrops wurden eingeworfen, nun kam noch das Abwürgen des Ossobuco mit dem Gummistrumpf dazu. Wir waren bereit zum Frühstück. Na wo waren denn unsere Frühstartpilger? Im Restaurant zum Frühstück waren sie jedenfalls nicht. Wir bekamen zum Abschied auch noch ein reichhaltiges Frühstück serviert. Verspätet trotteten die Beiden an, prima so konnten wir in Ruhe ohne Eile ausgiebig essen.

      Im Dunkeln wurden unsere Habseligkeiten und wir vier Pilger in das Auto unseres Gastgebers geladen und ab ging es zurück nach Hornillos del Camino. Wir wurden an der Albergue ausgeladen und mit einem ¡Buen camino! verabschiedet. Nicht nur der Bushaltestellenpapierkorb quoll über, nein, der ganze Platz vor der Herberge sah versifft aus. Die Prinzessin vermisste die Erbse nicht.

      Endlich konnten wir unsere Kuschelfleecejacken wieder tragen, unsere Rucksäcke schultern und ab ging die Post von Hornillos del Camino nach Castrojeriz 20,8 km. Die Spitzen der ersten Sonnenstrahlen lugten hinter den Hügeln hervor. Da wir in die westliche Richtung gingen, sahen unsere Schatten wie Stelzenfiguren aus. Wir fielen in unseren üblichen Paarlauf und genossen die Kühle des frühen Morgens. Es waren schon viele Pilger unterwegs, leider auch welche mit orangenen Tüchern. Munter brabbelnd liefen sie hinter uns. Vor der Abzweigung zur Quelle San Bol dachte ich, abbiegen, los biegen, Mensch, biegt doch endlich ab. Was für eine Kraft doch Gedanken haben konnten, die Truppe bog zur Quelle ab.

      27.07.2011 Allitsche meine Neuspanierin, zu dumm, um E-Mails zu lesen, zu reagieren, einen Retourantrag an uns zu senden. Ich fürchte, ich muss mich noch intensiver mit ihr auseinandersetzen. Ich werde jetzt ein Unternehmen gründen, mache ganz viel Werbung, setze unerfahrene Mitarbeiter an einen E-Mail Server. Im Programm gibt es vorgefertigte Antworten und wenn keine passt, reagiert man eben nicht. Ob sich der Kunde ärgert, interessiert mich nicht. Dann rufen sie eben weiter an oder mailen. Ich kaufe dann weitere Unternehmen dazu, sodass ich noch mehr Menschen mit Unfähigkeit beglücken kann. Später wenn ich noch ärgerlicher bin, ruf ich bei Alice an. Zurück zum Camino.

      Vor uns auf der Schotterpiste hatte sich ein Schwarm kleiner strahlend blauer Schmetterlinge niedergelassen. Sie flogen auf und davon, als wir vorbeirauschten. Fangen mochte ich sie bestimmt nicht, denn sie waren von einem Kothaufen gestartet. So wunderschön anzusehen, aber leider eine verschissene Ernährungskette. Wir überholten, nur um es nachhaltiger anzumerken, wir überholten zwei junge Koreanerinnen, sie waren sehr schlank und gingen schwerfällig. Als wir mit ¡Buen camino! an ihnen vorbeizogen, strahlten uns zwei Augenpaare bei der Antwort an. Die eine Koreanerin trug eine graue Jogginghose und rosa Leinenturnschuhe von Puma. Sie musste sehr stark abgenommen haben. Das Stück der Hose, das sonst ihren Po zieren sollte, schlabberte um die Oberschenkel, die aber auch nicht ausgeprägt waren. Sie schlich gepäcklos voran, ihre Freundin trug zwei Rucksäcke, einen auf dem Rücken und den anderen vor den Bauch geschnallt. Das nenn ich Freundschaft. Ich war ja nur verheiratet, da trägt man seinen Rucksack selber. Die Koreaner waren in den Herbergen nicht so beliebt. Ihre Kochkünste erzeugten intensivste fremdländische Gerüche, die auch die Nacht in der Albergue verbrachten. Und die anderen Pilger rümpften ihre Nasen, obwohl Frikadellen Gerüche mag auch nicht jeder.

      Der Ire, den wir in Puente la Reina kennengelernt hatten, wurde ab Burgos von seiner Frau begleitet. Eine fröhliche, hellhäutige Rothaarige, sie hatte auch allen Grund, heiter über den Camino zu laufen. Von Lasten befreit tippelte sie neben ihm her, sie trug keinen Stab keine Stick´s und ihr Handtäschchen war auch daheim geblieben. Er ertrug alles, hüpfelte aber nicht mehr so mit seinem Pilgerstab die Anstiege hinauf. Ihn plagte die Ehelast. Gepäckmäßig freute er sich bestimmt auf León, dann würde seine Frau wieder abreisen.

      Die ersten Kilometer wurden immer locker abgestiefelt, so konnten meine Augen rumtrödeln und die Gedanken abschweifen. Auch auf Pilgerreise gehen. Hier faszinierte mich eine Frau besonders. Sie trug einen hellen Hut und dazu einen türkisen Anzug aus weichem Stoff. Meine Augen folgten ihren Körperbewegungen. Ihr Kopf und die Beine hatten einen anderen Rhythmus als der üppige Körper. Pendelte der Körper nach links bewegte sich der Kopf mit den Beinen nach rechts. Mir tat mein Hals nur vom Hinsehen weh. Aber auch sie lachte zufrieden, als wir grüßend an ihr vorbeiliefen. Vor uns pilgerte ein Paar, das überwiegend getrennt lief. Sie wanderte ein Stück voraus, setzte sich und machte eine Pause. Er schien bei jedem Schritt nachzudenken, ob und wie er ihn setzten sollte. Er lief ruhig, gelassen im immer gleichen Tempo. So schritt er an seiner Frau vorbei und beachtete sie nicht, er ging einfach weiter. Ob er ihr Gepäck nicht tragen wollte?

      29.07.2011 Neues von Allitsche, nach einem Telefonat, in dem ich Home TV, also die Fernseh-Flatrate gekündigt hatte, erhielt ich eine E-Mail mit Anhang (vom 28.07.2011). Wunschgemäß werden wir den Zugang zu den privaten Free-TV Kanälen für ihre Fernseh-Flatrate am 27.07.2011 wieder deaktivieren.

      Die Fernseh-Flatrate können Sie über den Receiver auch weiterhin nutzen. Kann ich nihicht!!! Der Receiver ist doch kapuhutt. Und zusätzliche Sender hatte ich auch nicht bestellt!! Dafür habe ich immer noch keinen Rücksendeschein für den defekten Receiver. Die Werbeaussage von Alice im Internet: Alle reden von Service. Wir handeln. Versprochen. Überzeugen Sie sich! Lach - ist vielleicht auch dort ein Fehler unterlaufen, müsste es nicht heißen: Wir handeln nicht. Zurück nach Spanien.

      Nach 11 km pausierten wir in dem in einer Senke liegenden Ort Hontanas. Schon lange zierten unsere Jacken die Rucksäcke. Kein Wölkchen ließ sich blicken und die Sonne hatte wieder sämtliche Heizstäbe angeschaltet. Die üblichen Rastrituale, Café con leche, Bocadillo, wurden im Schatten einer Bar vollzogen. Wuschi trank durch den schlechten holländischen Einfluss immer noch Coca-Cola. Leider dauerte der Aufenthalt der orangenen Tücher in San Bol nicht lange, auch sie besuchten dieses Café. So sehr sie sich auch bemühten, hier war nichts mit Stühle rücken. Wir liefen lieber gestärkt weiter.

      Am Ende des Ortes Hontanas stand ein Reisebus. Er war in eine fischig stinkende Urinadewolke eingehüllt. Damit die Fahrgäste während der Weiterfahrt für die Benutzung des WC abgestraft wurden, standen die Türen weit auf. Auch der restliche Businhalt war hier ausgekippt worden. Vor uns gingen zwei Frauen und einige Meter voraus zwei Männer. Die blonde Frau trug heute blassblau mit Glitzerglitzersteinchen und leichtes Schuhwerk an den Füßen. Die Dunkelhaarige trug nicht nur ein orangenes T-Shirt, sondern auch ihr Handy am Ohr. Aha, Österreicher oder wohl eher Wiener. Es wurde ins Handy gebrüllt, fast so als würde sie mit der S-Bahn durch Hamburg fahren. Bittgoarschee, Schorschi, mei der Max, mei woan der Max vor Tür ansitzt, ja eh, Schorschi. Schorschi mir laufe oan Stückl auf dem Jakobsweg. Bla-bla-bla, wir ziehen vorbei und hatten schnell die beiden Männer erreicht.

      Der