Margrit Lange

Mails von Marge


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letzten Kilometer bergab zogen sich. Meine Füße meinten auch, dass es für diesen Tag genug ist. Ich müsste vielleicht meine Füße überprüfen, ob eine Tageslaufleistung eingestanzt ist. Da es für Füße auch keine Bedienungsanleitung in Papierform gibt und ich leider keinen Internetzugang mit hatte, konnte ich derartiges leider nicht nachsehen. Wir schotterten bis zum Ortseingang. Dort gab es einen Dorfladen und gegenüber ein Hostal. Leider hatte dieses Hostal einen Zettel ”komplete“ an den Butzenscheiben hängen. Die dunklen Scheiben ließen einen noch nicht mal einen Blick hinein werfen.

      Mein Mann holte uns Getränkedosen. Ich hatte nicht nur keine Lust auf Wasser, sondern auf nix mehr – fertig – einfach völlig fertig. Setzte mich auf die kleine im Schatten stehende Bank vor den Laden. Um meinen gesamten Körper vor der Sonne zu schützen, hätte ich mich tief in die Sitzfläche gedrückt hinlegen müssen. Ich maulte, mach ich immer wenn ich kaputt bin. Wolfgang sollte alleine im Ort nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen. Mein Körper, besonders meine Füße streikten und ich unterstützte sie. Einigkeit soll ja starkmachen – hm – hier doch eher schwach.

      Meine Chevaliers huschten an mir vorbei, öffneten die Tür des Hostals und verschwanden darin. So eine Oberfrechheit, sie hatten wohl reserviert. Meine Laune sank noch ein Stück tiefer. Da saß ich nun im kaum noch vorhandenen Schatten und suchte krampfhaft nach jemanden, den ich ordentlich ärgern konnte. Leider kam weder Wolfgang zurück, noch sonst ein Pilger vorbei. Er hatte seinen Rucksack bei mir gelassen, somit nahm ich nicht an, dass er sich von mir, seinem knurrigen Eheweib abgesetzt hatte.

      Endlich erschien er zurück, er hätte weiter im Ort eine Herberge gefunden und dort mit einer Englisch sprechenden Mitarbeiterin gesprochen. Es gäbe 6 km weiter ein Hotel und wir würden vor der Albergue abgeholt werden. Mensch, hätte uns auch vor dem Laden abholen können. Der Rucksack wurde wieder geschultert und ab zur Albergue. Wir trafen dort auch Josef an, er hatte in der Herberge schon seine Sachen untergebracht. Begeistert war er von der Herberge nicht. Und auch diese Albergue war schon belegt. Die orangenen Tücher flatterten an uns vorbei, die Platzanweiserin rief noch ein: „Vielen Dank für den Tipp”, er sei ihr Retter gewesen zu Josef. In meinem Kopf spuckte es: Josef wie kannst du nur. Wie kamen die überhaupt hierher, überholt hatten sie uns nicht. Sie wurden zu einem Matratzenmeer in einer Sporthalle geführt. Wenn sie einen Spiegel dort fanden, konnten sie ihn ja fragen: Spieglein, Spieglein an der Wand wer sind die am dollsten geschminkten Pilgerinnen auf dem Camino in diesem Land?

      Wer weiß, vielleicht hätte er geantwortet: Ihr seht ja toll aus, so schön zurechtgemacht. Bei mir käme bestimmt: Nimm mal schön dein Wellblechpalastgesicht weg. Und die Haare sind auch nicht geföhnt. Kann ich noch einmal bitte die mit den orangenen Tüchern sehen? Hallo, ich bin auf dem Pilgerweg und Marathonläufer sehen im Ziel auch nicht gut aus. Wenn der Spiegel dann bemerken würde, ich wäre ja auch noch nicht am Ziel, müsste ich ihm leider recht geben. Zum Glück halten alle Spiegel den Mund.

      Wir saßen auf dem ungastlichen Platz vor der Albergue, ein Tisch, zwei Stühle, ein kleiner Sonnenschirm und an der Wand hing ein roter Bushaltestellen-Mülleimer. Ich fragte mich, wo sich die ganzen Pilger (32) aufhalten sollten. Als ein Auto angefahren kam, sprang ich auf, nur um mich wieder hinzusetzen. Es fuhr vorbei, denn eben nicht. Beim nächsten Auto blieb ich sitzen, es war aber für uns angefahren gekommen.

      Schnell die Rucksäcke, Stick´s und wir hinein, ab ging die Fahrt. Aus dem Seitenfenster hinausschauend sah man das Schild des nächsten Ortes. Ich glaubte es nicht, da stand doch tatsächlich – Isar-. Somit landeten wir in Bayern, vor dem Hotel Rural. Ich zückte mein Geldtäschchen, um das Taxi zu bezahlen. Der Fahrer sah mich verwirrt an. Wolfgang meinte: „Das ist doch der Besitzer vom Hotel, der möchte kein Geld für die Fahrt.” Auch gut.

      Die Bar ist auch die Rezeption, klein aber gemütlich, hier hielten sich auch einige Spanier an Biergläsern fest. Oder sie kamen um sich die barbusige, schielende Figur anzusehen, die auf dem Tresen stand. Wir wurden gefragt, ob wir etwas trinken möchten. Ach, endlich einen Café con leche, Wuschi nimmt lieber ein Bier. Smoky ging natürlich mit dem Café vor die Tür und suchte dort an der linken Hausseite Schatten. Das Angebot für Schattenplätze war aber den Tag so was von gering. Es fehlten hier Sonnenschirm und Stühle. Nach dem Getränkegenuss führte uns der Besitzer nach oben zu unserem Zimmer. Obwohl das hätten wir auch selber gefunden, es gab nur fünf Zimmer. Die Zimmer hatten keine Nummern, sondern Namen, die Namen habe ich aber vergessen. Ich kann mir ja nur Zahlen merken.

      Wir schlossen auf und fielen fast vor Staunen in Ohnmacht. Wir Luxuspilger, wir Glückspilze. Uns empfing ein in warmen Farben gehaltenes großes Zimmer, das Bett lud zum Sofortschlaf ein. Wir widerstanden. Das Zimmer musste ja noch mit dem Rucksackinhalt umdekoriert werden. Ich betrat das Baño, oh my good, eine Badewanne, wer jetzt noch am Luxus zweifelte. Ich ging plätschern, nach der Reinigung von Körper und Wanderkleidung hatte meine Erschöpfung die Müdigkeit an die Hand genommen und war verschwunden. Wir gingen sauber und bestens gelaunt hinunter. Auf unsere Frage, wo wir unsere Sachen trocknen könnten, meinte der Hotelier: im Garten auf dem Trockenständer. Den Ständer hatte ich oben im Flur gesehen. Aber welchen Garten meinte er? Gingen diesmal rechtsseitig um das kleine Hotel. Da gab es eine kleine von einer Hecke umrahmte Grasfläche, ohne Sonnenschirm zwar, aber mit Tisch und 2 Stühlen. Wie wohl die Notunterkunft mit Matrazenmeer aussah? Tz,tz.

      Hatte ich mir auf dem Camino kühleres Wetter gewünscht? Dieser Wunsch wird verspätet erfüllt. Es ist Juli, theoretisch Sommer, kalendermäßig, aktuelle Temperatur 12ºC. Es schifft, mit kurzen Unterbrechungen, seit drei Tagen. Ein sogenannter Deutscher “Supersommer“. Schlafanzugsonntag. Da Philips sich, seit einer Woche, mit dem von Allitsches (Alice) HD-Rekorder angerichteten Schaden beschäftigt, können wir Fernsehtage schlicht vergessen. Allitsche, meine neue “Freundin“, das Blondchen, das immer so schön mit ihrem braunen Kleid um die schlanken Beine wedelt. Wie konnte ich als Frau nur darauf hereinfallen. War es Neid auf diese Figur, dachte ich, da färbt vielleicht etwas ab. Einen vernünftigen Grund kann ich einfach nicht mehr erkennen. Zurück auf den richtigen Weg.

      Wir setzten uns in den Garten und bewachten, abwechselnd mit Cafe, Cerveza oder Clara (Alsterwasser) bewaffnet, unsere auf dem Trockenständer hängende Wäsche. Beschrieben den ersten Schwung Postkarten. 28º C warm war es bestimmt. Wir rückten die Stühle so dicht an die Hecke, dass wir ein Stückchen im Schatten relaxen konnten. In dem Hotel waren auch ein Franzose und eine Deutsche untergekommen. Die Kommunikation mit dem Franzosen beschränkte sich aufs freundliche Zunicken. Die Deutsche kam in “unseren“ Garten. Sie war klein, fast dürr und trug ihr graues Haar pusteblumenmäßig. Ich tippte auf Lehrerin, weil sie ein so strenges, keinen Widerspruch duldendes Gesicht hatte. Sie beklagte sich darüber, dass die Herberge belegt war und sie nun hier in diesem Hotel übernachten musste. Warf noch einen begehrlichen Blick auf unsere Heckenplätze und unter der Bemerkung, hier wäre ja auch kein Schatten, zitterte sie wieder ab.

      Getränke machten nicht satt, der große Hunger rüttelte an unseren Magenwänden. Ich ging ins Hotel und fragte, wann wir comidos (essen) könnten. Der Besitzer sah zur Uhr und meinte, in einer ½ Stunde, um 17.15 Uhr, könnten wir essen. Was für ein Luxus, nicht bis zum Abend warten zu müssen. Das wurde hier ja immer schöner. Nachdem wir unsere trockene Wäsche in unser Zimmer gebracht und so noch rumgetrödelt hatten, war es Zeit zum Speisen.

      Neben der Bar gab es den Speiseraum. Der Hotelier, außer kochen machte er alles, führte uns zu einem, in der hintersten Ecke stehenden, eingedeckten Tisch. Fast wie in einem Separee. Wein und Brot standen schon bereit. Es wurden uns als Vorspeise gebratenes Gemüse, als Hauptgang Schweinefilet mit Salat und leckerer Soße und zum Dessert Eis gebracht. Dazu genossen wir den vorzüglichen Rotwein. Das Schlaraffenland hatte seine Pforte nun aber ganz weit aufgerissen.

      Wir beschlossen noch eine Runde durchs Dorf zu drehen. Die Pusteblume kommt uns mit einer Tüte in der Hand entgegen. Meinte, falls wir noch einkaufen wollten, könnte sie uns sagen, wo sich das Geschäft befindet. Nö, wollten wir nicht. Unser Energiedepot (Bananen) war noch gefüllt und Wasser holten wir uns im Hotel. Wir liefen zur nahegelegenen Kirche hinauf. Das ganze Gelände um sie sah ungepflegt aus. Neben der Kirchenuhr tummelten sich Wespen oder Bienen um eine Lücke in der Kirchenmauer. Außer den Insekten ging wohl keiner in diese Kirche. Von dem höhergelegenen