Margrit Lange

Mails von Marge


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schöpften pure Energie. Das nicht mit dem Körper erklärbare Hauptgericht entpuppte sich als Cordon bleu. Das Gespräch ging weiter übers Wandern, alle stellten fest, dass sie entweder morgens oder abends Magnesium zu sich nahmen. Ach nee, nun war ja alles klar, sie pfiffen sich täglich die Drogen rein und ich nahm nämlich nix. Da hatten wir den feinen Unterschied der Motivation auch geklärt.

      Die allein reisende Frau, war schon frühzeitig zur Albergue gegangen. Wir zahlten, es wurde eine Klingel herausgesucht und damit geläutet, denn Trinkgeld ist hier nicht üblich. Josef, die Blondies und wir wollten noch einen Absacker in einer Bar zu uns nehmen. Die Brünetties gingen lieber schon schlafen. In der Bar hatte sich der ganze Ort mit Kind und Kegel versammelt. Der übliche Fernseher war hier nicht ausgeschaltet und trug zur Geräuschkulisse bei. Wir bestellten uns fünf Pacharan und erhielten in rasantem Tempo die gut gefüllten Gläser. Eine Frau schob ihren Kinderwagen hinter der Theke in einen Raum, gefiel ihr wohl nicht so, kam mit dem Wagen wieder heraus und versuchte es auf der anderen Seite. Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass es in der Bar ziemlich eng war.

      Der Wirt bediente alleine, er hatte die üblichen – ich arbeite viel und oft die Nacht durch Triefaugen – er litt an ausgedehnten Geheimratsecken, als Ausgleich trug er einen spitteligen Zopf. Fröhlich tanzte er mit den Gläsern und Flaschen hinter der Theke, wischte sich kurz die Schweißperlen von der Stirn und wedelte mit den Händen nach dem Motto – hey, will hier keiner mehr etwas zu trinken? Lachte witzelte dabei fortwährend mit seinen Gästen. Die pure Lebenslust quirlte nur so durch den vollen Raum. Da wir ja am nächsten Tag wieder ein Date mit unseren Wanderschuhen hatten, bezahlten wir unsere Longdrinks. Oh man, nun hüpfte der Wirt aber erst richtig und haute kräftig gegen die Glocke über der Theke. Er hatte 50 Cent Trinkgeld bekommen. Nun aber ab in Bett. War es der Wein oder der Pacharan, ich schlief sehr gut.

      Atapuerca – Burgos

      Am Morgen des 23.05.2011 sollte es von Atapuerca bis nach Burgos 20,8 km gehen. Bevor wir uns auf den Weg machten, wurden jetzt nicht nur die Füße mit Hirschtalg getätschelt, wie üblich wieder der Rucksack eingepackt, sondern auch noch ein Tütchen Magnesium gezogen. Die Bäckerei, Panaderia las Cuevas, hatten wir schon am Vortag besucht, hier könne man gut Frühstücken. Stimmte. Nachdem man sich durch den Dschungel der Rucksäcke vor der Eingangstür gezwängt hatte, betrat man einen Ort der köstlichen Gerüche. Zwei nette junge Frauen in weißen Schürzen bedienten die hungrigen Pilger. Wir bestellen, ach schon wieder, Bocadillo con jamón und erhielten nicht wirklich belegte Brötchen, es waren zwei ca. 30 cm lange und 8 cm hohe dick mit Schinken belegte Brote. Fein, so war auch gleich die Zwischenmahlzeit geklärt.

      Es war angenehm kühl und der Hochnebel hielt die Sonne in Zaum. Die erste Strecke zur Matagrande Hochebene, ich möchte damit andeuten, dass es 2,1 km bergauf ging, liefen wir durch Wald und der Boden bestand aus grasbewachsenen größeren Steinen. Wolfgangs Bein erzählte keine Krankengeschichten, alles war gut. Fast oben angekommen liefen wir an einer mit Stacheldraht eingezäunten Schafweide vorbei. Überall lag Fell herum, vor mir auf dem Weg liegt ein kleines schwarz-weiß geflecktes Bein, an der Seite vor dem Zaun liegt ein heller Hund, alle Viere von sich gestreckt. Ich war geschockt, überlegte, was kann es hier nur für große bösartige Tiere geben, die hier so ein Massaker veranstaltet hatten. Kann sich ein Hund nicht besser wehren als ein Mensch. Hoffentlich sehen es die anderen nicht, sie haben alle Hunde.

      Kurz vor der Hochebene rasten Millionen winzige Tröpfchen auf mich zu, ich muss unbedingt später nachsehen, was auf den Magnesiumtütchen steht. Liegt es an den Drops? Oder dass man heute nicht über Schottergestein walzte, ohne größere Anstrengungen erreichten wir die Matagrande Hochebene. Hier oben gab es über uns keine Wolken mehr. Wär auch ein blödes Foto für den Japaner, der sich von Wolfgang am mit Steinen umlegten Gipfelkreuz knipsen ließ. Der Dunst lag jetzt über dem Tal, in weiter Entfernung sah man nur die Flügel von Windkrafträdern, als wenn sie Watte durchmischen würden.

      Mache am Kreuz von Wuschi das zweite Stelzfoto, der Fotograf brauchte ja auch Beweise, dass er gelaufen war. Der Japaner hatte sich aus einem Hackenporsche und seinem Rucksack eine Konstruktion gebaut. Bei Bedarf konnte er sein Gepäck auch ziehen. Wer in Dänemark mit Kleinkind und Schirmbuggy (mit auch so hübschen kleinen Rädern) Urlaub gemacht hatte, weiß, das kann nicht wirklich funktionieren, es sei denn, man ist wild darauf eine Tonne Kies oder Schotter vor oder hinter sich herzuschieben.

      Es ging nun steil bergab, der Nebel zog sich mehr und mehr zurück und gab den Blick auf den nächsten Ort Cardeňuela de Ríopico frei. Die Steine wurden wieder zu Schotter, die Wege hatten meist eine Breite von 1,5 bis 2 m. Oft war eine Spur von ca. 30 cm (eine Bocadillobreite) steinfrei gelaufen, die man natürlich auch nutzte. Meine Befürchtung war zwar, dass über Nacht neue Steinchen auf den Wegen verteilt wurden. Es war ja schließlich ein Pilgerweg und kein Spazierweg.

      Zügig erreichten wir den Ort für unser ausgedehntes Päuschen. Da auch die Blondies hier Station machten, wurden gleich zwei Zigaretten geraucht, schlechter Einfluss. Bei der schlankeren Blondie quetschte sich eine riesige Beule, war wohl das Knie, aus ihrer Beinbandage. Mit Buen camino zogen wir weiter Richtung Burgos.

      Wir pilgerten ziemlich entspannt weiter bis wir unter einer Brücke hindurch, über eine Brücke und damit die Autobahn überquerten. Man konnte schon mal einen Blick nach Burgos werfen. Die ganze Zeit waren Pilger vor oder hinter uns. Es sollte um den Flughafen herum gehen. Alle Läufer bogen links ab, wir nicht, der Pfeil zeigte die Richtung geradeaus. Wir wanderten an der Landstraße um den Flughafen herum. Weit und breit keine Menschenseele, sonst hatte man ja selten die Möglichkeit alleine zu pilgern, aber diesmal gab es so ein – hä? - Gefühl. Hier stimmte doch irgendetwas nicht, das Flughafengelände nahm kein Ende.

      Am Horizont tauchte nicht nur eine Brücke, sondern auch etwas Helles und Rotes auf ihr auf. Ich beobachtete, wo die Punkte sich hinbewegten, sie hoben sich dann gut von den dunkelgrünen Wiesen durch die sie liefen ab. Wir legten dann einen Schlag zu, um zu verfolgen, wo sie abblieben. Wir hatten den Vorort Villafria und das Pilgerpärchen, die sich gerade bei einem Spanier nach dem Bus der nach Burgos hineinfährt erkundigten, erreicht. Mit einem verschmitzten Lächeln und Handzeichen, forderte uns der kleine ältere Pilger auf, ihnen zu folgen.

      Wir landeten an der Busstation vor einer Kirche. Bis zur Abfahrt dauerte es noch 20 Minuten. Wir suchten ein Schattenplätzchen immer mit Blick auf die Bushaltestelle, denn durch das Industriegebiet von Burgos wollten wir nicht laufen. Die Kirche, ich durfte nur einen Blick durch die geschlossenen Gitterstäbe werfen, war mit einem Storchennest an der Spitze belegt. Vielleicht bauen sie ja ihre Nester nicht wegen der guten Aussicht, sondern weil das vibrierende Gefühl im Bauch, wenn die Glocken – sie hatte Fünf davon - bimmeln, so eierfördernd ist.

      Da kamen auch die Blondies, das Knie sah noch schlimmer aus, angelaufen und auch der Bus. Es war ein Linienbus, der alle 100 Meter hielt. Wenn ich wissen wollte, ob wir schon aussteigen mussten, brauchte ich mich nur zu dem älteren Pilgerpärchen, es waren Franzosen, umdrehen. Er machte mir durch absenken der Handflächen vor dem Bauch klar, dass wir noch nicht aussteigen sollten. Wir fuhren an vielen Pilgern vorbei. Na und.

      Fuhren bis zur Endstation und landete im Centrum von Burgos, überquerten die Brücke über den Río Arlanzón. Dort bot sich uns gleich ein **Hostal das Hotel Espana an, die Blondies stiefelten hinein und wir hinterher. Die Frage nach freien Zimmern und dem Preis wurde mit ja und Kostenpunkt 50,-- € geklärt. Das ging aber mal schnell. Die Zimmer seien aber noch nicht fertig. Machte nix, den wir hatten einen größeren Einkaufszettel.

      Diclofinac, eine Bandage für Wolfgangs Bein und Briefmarken für den ersten Postkartenschwung mussten unbedingt besorgt werden. Mein Koffein Haushalt war auf die Grenze des Erträglichen abgesunken. Gegenüber des Hotels ist das Teatro Principal mit Café im weitläufigen Paseo (Park) del Espanóla. Bei der Bestellung im Café, sah innen sehr schnieke aus, schaute ich vor der Theke nach unten. Auf dem Fußboden lagen überall leere Zuckertütchen, muss ein Ritual sein, das ich noch nicht kannte. Nach dem Genuss von Cerveza (Bier) und Latte konnte unsere Shoppingtour beginnen.

      Ein grünleuchtendes Kreuz bedeutet hier Apotheke. Erste Apotheke. Ich ziehe meinen Zettel mit dem notierten Namen – Diclofinac – heraus.