Margrit Lange

Mails von Marge


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Dachte noch, gut, dass unser Zimmer weiter oben ist. Sah mir gerade die Internetseiten des Hotels an: An Ihren angenehmen und gemütlichen Aufenthalt denkend, renovieren wir ständig die Atmosphäre der verschiedenen Räume. Vielleicht sollten sie nicht die Atmosphäre, sondern die Zimmer renovieren. Das Hotel wurde 1937 eröffnet. Alles klar! Weiter im Internet über den Saal: (Originaltext)Am Anfang, der Saal bot den Touristen und Gästen sehr schöne und lange Abendveranstaltungen als das Fernsehen noch nicht existierte. Heutzutage gibt es nicht mehr, aber der Saal bleibt ein ruhiges Zimmer für nette Unterhaltungen sowie eine leutselige Ecke, um ruhig zu bleiben.

      Es war für uns schon ungewöhliche 22.30 Uhr, als wir endlich im Bett lagen. Die Entfernung vom 1. zum 3. Stock ist nicht wirklich weit. Der Schall wabberte durch unsere persönliche ”Atmosphäre“, sooft ich versuchte meine Augenlider in Schlafposition zu bringen, riss der Lärm sie wieder in die Höhe, die blöden Ohren schalteten auch nicht ab. Mensch, es war Montag, gibt es hier keine Schule? Müssen die Kinder nicht langsam mal ins Bett? Doch - oh yeah – oder nein, sie gingen nicht ins Bett – sie trampelten krakeelend in den 3. Stock – hallo, da waren wir doch schon – rannten über den Flur, rissen Türen auf, knallten sie wieder zu, trampelten kreischend zurück, gackerten und das Spiel fing von vorne an. Vor Ärger flatterten nun meine Augenlider, ja hätte ich das von dem Saal vorher gelesen, vielleicht hätte ich ja auch die Ecke um ruhig zu bleiben gefunden. Später klappten irgendwann meine erschöpften Augenlider zu.

      Burgos - Hornillos del Camino

      Mit ”eingepacktem“ Rucksack stiefelten wir vor 7.00 Uhr, man könnte sagen noch leicht müde, die Treppen hinunter. Der Fahrstuhl war sogar einem alten Ehepaar wie uns zu eng. An der Rezeption legte ich die abgesprochenen 50,00 € auf den Tresen und wir wendeten uns Richtung Tür. Da meinte der Schnösel doch, er bekäme 54,00 €. Nun war der Bock aber so was von Fett, ohne Frühstück sich mit mir anlegen, ganz - ganz schlechtes Timing. Hatte das Gefühl, als wenn mein Kopf vor Wut abfliegt.

      Kramte meinen Zettel, den wir bei der Anmeldung erhielten, heraus. Da stand definitiv 50,00 € drauf. Der Portier zeigte mit seinem manikürten Fingerchen auf das ganz klein gedruckte + I.V.A. daneben und grinste. Ich zückte die restlichen 4,00 € und wir zogen stinkig ab. Wenn man sonst in einem Hotel oder Hostal eincheckte, gab man seine Pilgerpässe hin, legte einen Ausweis dazu und zahlte sofort. Am Vortag wollten sie noch kein Geld haben, nannten nur den Nettopreis und legten dann am Abreisetag die Mehrwertsteuer oben drauf. Es ging nicht um die 4,00 € Épw, sondern um die Art und Weise.

      So, bevor ich durch diese Stadt lief, brauchte ich unbedingt etwas zwischen meine Zähne und noch dringender Café con leche. Zum Glück hatte eine mickrige Bar schon auf, meine Erstanforderungen an den Tag konnten gestillt werden. Um einen der gelben Hinweise, die Muschel, die Sonne oder einen Pfeil zu finden, musste man immer nur Richtung Kirche bzw. Kathedrale laufen. Wir fanden den in den großen Städten spärlich gekennzeichneten Camino. Nun konnten wir mit unserer Etappe von Burgos nach Hornillos del Camino 21,4 km starten.

      Ich erschrak, was stöckelte denn da vor uns her? Och nö, die Hightech Holländer. Zischelte zu Wolfgang: „Langsamer gehen.“ Obwohl, so langsam konnte man gar nicht gehen. Wir besuchten noch eine Bar, um uns für den Weg ein Bocadillo zu besorgen. Die ”Sicht“ war wieder frei und wir konnten uns auf den Weg machen. Vor uns liefen zwei junge Spanier, die wir von unserer ”Lieblingsalbergue“ kannten. Der eine junge Mann bewegte sich ”unrund“ schwer auf seinen Pilgerstab gestützt vorwärts. Wir zogen mit einem ¡Buen camino! an ihnen vorbei und überquerten eine Straße, immer schön nach links über den Zebrastreifen – nach rechts über den beampelten Zebrastreifen und das Gleiche noch einmal. Geradeaus wäre ja auch zu einfach gewesen.

      Endlich hatten wir die Stadt verlassen. Wir liefen über einen mit Bäumen und Büschen gesäumten Weg. Vor mir blinkerte etwas Weißes auf, es war das T-Shirt des Holländers, der am Weg stand. Wir grüßten ihn im Vorbeigehen, da sah ich Frau Holland neben einem Busch in gehockter Stellung sitzen. Holland in Not.

      Im flotten Paarlauf ging es über Autobahnen und an den Autobahnen entlang. Danach freuten wir uns über Wege, die teilweise im Schatten lagen und einige Zeit an einem Fluss, später an Feldern entlang führten, für Flachländler angenehm zu laufen. Wir erreichten den Ort Tardajos, Pause war fällig. Die für Pilger angesagte Bar wurde angesteuert. Die dazugehörige mit riesigem Pavillon überdachte gekieselte Fläche war durch die Straße von der Bar getrennt. Dankbar nahmen wir im Schatten Platz.

      An einem anderen Tisch saßen unsere immer freundlichen französischen Pilger vom Burgos-Bus. Wir begrüßten uns gegenseitig mit einem Zulächeln. Wir verstanden uns auch ohne Worte. Und dann kamen sie, Deutsche oder zu viele Deutsche in einer Gruppe von ca. 10 Personen. Eine kreischte: „Marianne setz dich schon mal hier hin.“

      Marianne schnaufte, war auch schon älter, tat, was ihr befohlen wurde.

      Rücksichtslos, konnte noch rechtzeitig einen Stuhl für meinen Mann festhalten, wurden Stühle von den umstehenden Sitzgruppen über die Kiesel geschleift. Endlich unter krrrrrr - krrrrrr – krrrrrr hatten sie genug zusammen und sie setzten sich hin. Unsere französische Busmitpilgerin aus Burgos sah irritiert auf diese Gruppe und lief mit den mit Spiegeleiern und Schinken gefüllten Tellern an ihnen vorbei zu ihrem Tisch. Unser Augenkontakt signalisierte, dass wir uns schon wieder wortlos verstanden.

      Es gab viele neue Pilger auf dem Weg und auch diese Gruppe muss in Burgos gestartet sein. Alle Gruppenmitglieder trugen orangene Tücher am Hals, an der Hose, um den Arm gebunden oder am Rucksack befestigt. Sie entwickelten sich von orange zu ”roten Tüchern“. Eine aus der Meute blies einen gelben Luftballon auf und befestigte ihn an einem Pfeiler des Pavillons. Mariannes Platzanweiserin meinte, genau so müsste es sein, jeder sollte wissen, dass sie hier gewesen waren. Da hing er nun dieser lächerliche Ballon.

      Ich tippte insgeheim auf Sportverein bzw. – wir treffen uns einmal im Monat zum Wandern – Vereinigung. Der Letzte ihrer Sorte kam angeschnauft, er lief in Turnschuhen und trug das schwerste Gepäck in Form von Körperspeck mit sich. Da die anderen Mitglieder ihn mit so einem süffisanten Grinsen begrüßten tat er mir leid. Also Sportverein stimmte schon mal nicht und für eine Wandervereinigung hätte er besser ausgerüstet sein müssen, der arme Kerl. Was ich aber auch immer zu wissen glaube.

      Der exzellente Sitz der Frisuren von den Frauen bekräftigte mich bei meiner Meinung, dass sie in Burgos gestartet waren und ihr Schminktäschchen hatten sie auch nicht vergessen. Ein pummeliges Blondchen mit halblangem Pagenschnitt zog sich erst ihre knallroten Lippen nach und dann die Stiefel aus. Zum Wechseln der Strümpfe legte sie die getragenen Strümpfe auf den Tisch und zog sich ein neues Paar Socken an. Tja, pilgern hat schon was mit Einfachheit zu tun.

      Wir hatten uns gestärkt und machten uns wieder auf den Weg. Wenn ich meinen Rucksack geschultert hatte, fuhr oft meine linke Hand Richtung des über dem Gurt befindlichen ”Rettungsrings“, mit den Spitzen von Zeigefinger und Daumen prüfte ich die Breite. Hm, sehr zufriedenstellend. Seh ich mir die Bilder jetzt an, frage ich mich, was ich denn da nun wieder gefühlt hatte.

      Nachdem wir durch Rabé de las Cazadas gelaufen waren, begann die Meseta. Der Camino führt wieder durch eine baum- und strauchlose Landschaft an Wiesen und Felder entlang. Die einzige Möglichkeit im Schatten einen Schluck erfrischendes Wasser zu trinken, war, nach rechts zum Brunnen Parotorre abzubiegen, an dem nicht nur Bäume, sondern auch Holzbänke und -tische stehen und es einen Grill gibt. Wir hatten aber leider kein Grillfleisch mit. Holland kam, wir gingen lieber weiter.

      Es war warm und wir stiefelten bergauf. Neben mir tauchte unser Erstpilger alleine auf, erschrocken fragte ich ihn: „Oh, wo ist Madame?“ Er schmunzelte mich an und wies mit der Hand hinter sich. Da kam Madame, ich klopfte mit meiner Hand auf mein Herz und atmete dazu erleichtert aus. Sie lachte mich an und ich freute mich, alles war gut.

      Die Wetterverhältnisse waren grandios – äh – für einen Strandurlaub. Zwischendurch schnell ins Wasser springen, wenn einem zu warm ist und zurück unter den Sonnenschirm lesen oder einfach nichts tun. Tz – tz – tz, Wasser gab es nur ohne Meersalz aus der Flasche, der Sonnenschutz war ein Hut, wobei der Rest des Körpers in der sengenden