Margrit Lange

Mails von Marge


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Kapseln sein, deutete mit den Fingern 1,5 cm an, außerdem hießen die Pillen Diclofenaco. Nein, die wollte ich nicht, lass mir hier doch nicht irgendein Medikament andrehen. Wolfgang bestellte nun eine Bandage, packte sie aus, zog sie einmal in die Breite, probierte sie an und meinte: Passt. Ich kenn ja seine ”strammen“ Waden, würde eher sagen, passt nicht.

      Inzwischen war es bereits 14.00 Uhr und das Zimmer war wohl fertig. Zurück im Hostal schnappten wir uns den Schlüssel, warfen uns die Rucksäcke über und zwängten uns in den schlank gebauten Fahrstuhl. Die Fliege blieb draußen, sie hatte im Fahrstuhl keinen Platz mehr gehabt. Wir liefen den langen Flur zu unserem Zimmer.

      Das Hotel muss früher – viel früher – sehr exquisite gewesen sein. Als es noch Etagenbadezimmer gab. Man hatte aus dem begehbaren Schrank ein Badezimmer gefertigt. Irgendwo musste die Feuchtigkeit des Duschdunstes bleiben, hier versammelte sie sich an der Decke und gedachte nicht diesen Platz zu verlassen, es war eher die Jahreshauptversammlung der Deutsche Bank Aktionäre, eine schwarze Sippe. Die Wäsche trocken zu bekommen wird ein ”kleines“ Problem. Die Fenster bildeten einen Halbkreis, hatten davor eine balkonähnliche Eisenverzierung, nur leider fehlte der Balkon dazu. Wir hätten uns im Theater erkundigen können, ob sie zurzeit ein modernes Stück aufführen. Dann hätten wir ja unsere Höschen zur Schau stellen können. Ziehen sich ja in den meisten Stücken sowieso aus. Statt der Theaterplakate unsere Wäsche, wenn`s an die Wäsche geht.

      Das Zimmer hatte eine großzügige Fläche, breite Betten, ein Sessel, ein Sekretär mit Stuhl und ein Schrank überfüllten nicht den Raum. Suppa, genug Platz zum ”Auspacken“. Nach dem Duschen drapierten wir unsere nassen Kleidungsstücke an diversen von der Wand abstehenden Badezimmergegenständen, sodass sie so wenig ”Feindberührung“ wie möglich hatten. Die Fenster sahen von außen ja nett aus, bei näherer Betrachtung musste man erkennen, dass Eisenfensterrahmen nicht so eisern durchhalten. Der Rost wechselte sich mit grünen Stellen ab, könnte ehemals Farbe gewesen sein oder ich hoffte, dass es alte Farbe war. Nein, ich prüfte es lieber nicht nach. Der verranzte Teppichboden passte zum Rest.

      Unser Einkaufszettel musste noch verkürzt werden und wir verließen unser ”Nest“. Die Post lag auf der anderen Seite des Flusses. Wir landeten in einem riesigen Saal mit ca. 20 nummerierten Schaltern. Über den Schaltern leuchteten Hinweise, wir waren irritiert, holländisches Hightech, überall Blinkerblinker. Eine Anzeige wechselte die Zahl, aha, die musste etwas bedeuten. Ganz klar, Nummernvergabe, hier musste irgendwo ein Apparat stehen. Hatte ich erwähnt, dass wir nur popelige Briefmarken holen wollten? Wir fanden im Entree einen Automaten, ich drückte das Feld, von dem man annehmen könnte, dass es sich um Postwertzeichen handelte. Mit einer empfangenen Nummer in der Hand gingen wir zurück in den saalartigen Raum. Zügig wurde unsere Nummer mit der Angabe des Schalters angezeigt. Ich hatte eine Postkarte mit, zeigte auf das Briefmarkenfeld und sagte once (11). Sie nahm mir die Postkarte aus der Hand, holt umständlich eine Mappe aus einer Schublade, schaute sich interessiert die zur Auswahl stehenden Marken an, vielleicht kannte sie die noch nicht und klebte nach dem sie sich entschieden hatte, eine Schmetterlingsmarke auf die Karte und nannte den Preis. Stur wiederholte ich noch mal once por favor. Sie rückte dann doch noch zehn weitere Briefmarken aus der Mappe. Ob Postmitarbeiter überall gleich sind?

      Wir benötigten auch noch Bares und neben der Post gab es auch die Deutsche Bank, wie sinnig, mit einem Automaten, der von der Straße nicht beobachtet werden konnte. Als wir in einem anderen Ort uns Geld gezogen hatten, durften wir nicht mehr als 300,-- € abheben. Die Deutsche Bank war großzügiger, wir bekamen sogar 600,00 €. Die folgenden Tage ging es durch kleinere Orte und die einzige Bank die sie haben wird eine Sitzbank sein.

      Zurück im Centrum beäugten wir, welche Apotheke denn nun kompetent sein könnte. Es gab ja auch welche mit rotem Kreuz, hinein ins Vergnügen. Der nächste Apotheker sah in seinem Computer nach dem Medikament, nein, das würde es nicht geben. Er wollte mir partout auch solche kleinen beigen Pillen andrehen. Sind wir hier auf dem Basar? Ab in die Nächste. Nun hatten wir eine Frau Apothekerin, ich beschreibe zu dem Namen Diclofinac auch die Größe und Farbe. Sie kommt mit einer Packung, ich öffnete sie, siehste, es waren dunkelrote Kapseln. Ach und Magnesium brauchte ich auch noch, sie schaute mich verwirrt an, holte dann noch eine dunkelgrüne Röhre mit Tabletten, Magnogene. Wir zahlten für die Pillen sage und schreibe 2,85 € und zogen ab.

      Auf der Plaza Mayor, in jeder Stadt und auch im kleinsten Ort wurde der Name für einen Platz vergeben, hatten sich junge Leute versammelt und Plakate ausgehängt. Wir mussten nur noch zweimal um die Ecke und landeten vor der Kathedrale von Burgos. Bevor wir austrockneten wollten wir doch lieber Getränke zu uns nehmen. Mein allerbester Mann brachte nicht nur Cerveza, sondern auch eine Schale Tapas mit. Eingelegter Pulpo mit in Rauten geschnittenen Paprika. Eine kleine Gaumenfreude zwischendurch. Ich holte die Pillenpackungen aus der Tüte und überprüfte unseren Einkauf. Das Röllchen Magnogene, klar und deutlich stand da Magnésico. OK, meine gewünschten dunkelroten Kapseln, Notosil cásulas, was stand denn auf dieser Packung – oh – Metamizol Magnésico. Fein, nun hatten wir für den Rest des Caminos genügend Magnesium aber nix für schmerzendes Bein.

      Wir freuten uns, als Josef zu uns stieß, sich auch für die gleichen Tapas entschied und ein Bierchen mit uns trank. Er verstand nicht, dass wir Diclofinac nicht bekamen. Josef und ich sahen mitleidig auf Wolfgangs Bein. Ich erzählte Josef, dass ich im Vorbeigehen auf einem Stellplakat einer Bar Ossobuco gelesen hätte. So schön in Rotwein geschmort, oh ja, meinte Josef, mit Zwiebeln, ich fügte noch rote Paprika hinzu. Dabei schauten wir unentwegt auf Wolfgangs stramme Wade. Ungehalten meinte Wuschi, wir sollten doch den Förster holen. Josef und ich sahen uns an und wir brachen in einen exzessiven Lachkrampf aus, bis die Tränen kullerten. Zum Verständnis, eine Magersüchtige würde Wolfgangs Wadenumfang bei ihrer Taille nicht dulden.

      Die beiden Witwen, die wir zuvor getroffen hatten, setzten sich auch zu uns an den Tisch. Tief in den letzten Gehirnwindungen fällt mir ein, dass die mit den halblangen Haaren Marianne und die andere mit den dunkelroten Haaren Carola heißt. Sie kamen noch mit den Rucksäcken beladen und suchten noch eine Unterkunft. Die beiden fröhlichen Frauen kommen aus Aachen. Eine hatte halblanges mittelblondes Haar und einen ausgeprägte breiten Mund, der sich auch gerne bewegte, zwischendurch fuhr beim Sprechen des Öfteren die Zunge über die kräftigen Lippen. Burgos sei ihre letzte Station, den nächsten Tag wollten sie irgendwie durch Spanien nach Frankreich, um von dort aus mit ihrem Auto zurück nach Hause zu fahren. Wir erzählten ihnen, ein Bus würde bis nach Bilbao fahren, von dort fuhr die Bahn bis nach Frankreich. Die Idee gefällt ihnen. Die Aachenerin mit den kürzeren rötlichen Haaren blieb mit dem Gepäck bei uns sitzen. Die Zweite wollte eine Übernachtungsmöglichkeit suchen. Sie bevorzugten Refugien im Kloster oder in der einfachsten Herberge.

      Eine Holländerin kam an den Tisch, das üppige Gesäß steckte in einer beigen Shorts, eine Krickelbluse im Delfterkachelmuster flatterte darüber, sie erkundigte sich, ob die Aachenerinnen schon die Seiten kopiert hätten. Die Frau mit den rötlichen Haaren klärte uns auf. Die Holländerin hatte ihren Reiseführer verloren und sie versprachen ihr, dass sie den von den beiden bekommen würde. Nur benötigten sie noch einige Seiten aus dem Reiseführer für ihre Heimreise. Wollten die entsprechenden Seiten aus dem Outdoor reißen, das gefiel aber der Krickelbluse nicht.

      Marianne kam gut gelaunt zurück an den Tisch, sie hatte ein Zimmer in einer privaten Herberge ergattert. Am späten Nachmittag noch etwas Günstiges zu finden wäre pures Glück. Wir beschlossen uns um 19.00 Uhr wieder auf der Playa de Santa Maria, vor der Kathedrale mit Josef und den Aachenerinnen zu treffen. Als Carola ihren Rucksack schultern wollte, war sie entsetzt, ihre Jakobsmuschel hing in zwei Teile zerbrochen am Band. Sie war sehr traurig, es wäre eine besondere Muschel, stimmt, statt des üblichen Weiß schimmerte diese Muschel perlmuttartig violett. Sie hatte diese Jakobsmuschel geschenkt bekommen und man sollte auch nur mit einer Geschenkten laufen. Bedröppelt zogen die Zwei zur Unterkunft.

      Die Brünetties kamen um die Ecke, sie wollten eine Stadtrundfahrt machen und fragten, ob Josef und wir nicht mit wollen. Durch unsere Medikamenten- und Posttortur kannten wir ja schon die Stadt und Josef wollte seine Augen noch ausruhen, die Fahrt hätte auch bis nach 19.00 Uhr gedauert. Schade, die Brünetties waren auch angenehme Begleiter ¡Buen camino! Mädels, auch sie reisten den nächsten Tag ab.