Margrit Lange

Mails von Marge


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und den Schinken, von vorgestern. Nach dem Reinigen von Körper und Klamotten zogen wir wieder los.

      Auf einer mit Bäumen umsäumten Rasenfläche, vor einer Albergue, hatte es sich eine Gruppe junger Leute, ein Hund gehörte dazu, gemütlich gemacht. Der Hamburger Stetsonträger war auch dabei. Sie würden mit dem Hund keine Unterkunft bekommen und wüssten noch nicht, wo sie schlafen könnten. Es ist allgemein bekannt, dass Hunde in den Alberguen verboten sind. Wir eroberten uns eine der Steinbänke und verzehrten die selbst gemachten Bocadillo con jamón. Dafür, dass die Esswaren zwei Tage in der Sonne mit uns unterwegs waren, schmeckten sie nicht schlecht.

      Kathedralen sind eine Einladung zum Kerzen anzünden, wurde auch wieder Zeit. Die Kathedrale von Domingo de la Calzada ist voller goldener Altarbilder, Sarkophage und sonstiger Kunstwerke. Ich suchte Kerzen, es gab aber nur Kästen mit elektrischen Kerzen. Man steckte Geld in den Schlitz und es leuchteten dann zwei Birnen auf. Hm – da kann ich ja auch zum Lichtschalter gehen, dreimal an- und ausschalten – fertig. Ich fand es blöd. Neben uns tauchte das Osnabrücker Paar auf. Wow – sie hatte ein schwarz-weiß gemustertes, eng anliegendes Kleid an, dazu ein passendes Tuch um die Haare drapiert. Es sah richtig gut aus, aber für mich wär das noch lange nix, eng anliegend – noch nicht, kam mir aber sehr schäbig vor.

      In der Kathedrale in einem erhöhten Käfig werden ein weißer Hahn und weiße Hennen gehalten. Die längere Legende dazu schenke ich mir. Es heißt aber, wenn der Hahn einen Laut gibt, kommt man in Santiago an. Hätte ich das zu diesem Zeitpunkt gewusst, wär mein Aufenthalt in der Kirche länger ausgefallen. Bei uns machte der Hahn noch nicht mal piep.

      Hatten uns noch den Museumsteil der Kathedrale angesehen und trafen am Ausgang die Osnabrücker wieder. Wir Mädels stellten übereinstimmend fest, dass wir diese pompöse Art der Kirchen nicht mögen, lieber klein und schlicht. Auch ein christliches Leben hat doch nichts mehr mit der Kirche gemein. Kinderquälende Kirchenmänner empfinden wir als Schande der Menschlichkeit.

      In einem Café treffen wir erstaunlicherweise den Marcus wieder. Er war mit dem Fahrrad 10 Kilometer in die falsche Richtung gefahren und nun auch in diesem Ort gelandet. Manchmal kommen Bicis auch nicht schneller voran. Nach der Klönrunde wollten wir noch Wasser und Bananen besorgen. Mit einer großen Tüte beladen begegnete uns schon wieder der Osnabrücker. In der vorigen Herberge hätte einer Frikadellen gebraten und nicht eine Einzige abgegeben, das hatte ihn sehr geärgert. Nun wollte er selber Frikadellen machen. Ich spürte, wie mein Mann unter erhöhtem Speichelfluss litt. Für Frikadellen würde er in jeglicher Albergue nächtigen. Ich zog dann mit meinem sabbernden Mann zum Einkaufen weiter. Vor unserem Hostal treffen wir auf zwei Frauen, die im Kloster übernachten wollten, wir merkten nur an, das sehe zwar so aus wie ein Kloster, wäre aber keins.

      Es wurde Zeit, die Ernährungskette mit dem Pilgermenu zu schließen. An Hand des Stadtplans musste es noch einige Restaurants geben. Schlenderten durch die Straßen und fanden einen großen belebten Platz mit mehreren Bars. Vor dem Restaurant, wo wir uns auf der Terrasse niederließen, saßen schon zwei jüngere dunkelhaarige deutsche Frauen. Seit dem schlechten Essen in Logroño schaute ich doch lieber, was den so auf den Tellern lag. Sie meinten, dass das Essen gut wäre. Neben dem Ständer mit der Auswahl der Pilgermenus (es gab immer je vier Vorspeisen und Hauptspeisen) konnte man in das Fenster sehen. Na, wer saß da, klar unsere ”Erstpilger“ aus Pamplona. Die Nebentische waren mit spanischen Frauen bevölkert. Sie diskutierten intensiv, rauchten und tranken. Es wurden immer mehr. Dann so um 21.00 Uhr sammelten sie aus allen Ecken Ihre Kinder ein und gingen nach Hause. Jetzt weiß ich warum es in Spanien erst so spät Essen gibt. Sie haben vorher keine Zeit zum Kochen und sie wirkten nicht so, als wären sie in Eile.

      Wolfgang hatte sich als Vorspeise eine Suppa de regíon bestellt, es kam eine Kartoffelsuppe mit Wurststückchen, neugierig probierte ich natürlich. So was von gut gewürzt, einfach lecker, mit neidischem Blick verspeiste ich meine Spaghetti. An den Tisch mit den zwei Deutschen kamen immer mehr Leute, erst zwei blonde junge Frauen, dann ein älterer Mann, dann ein Ehepaar. Sie rückten Tische zusammen, fragten uns, ob wir auch dazu kommen möchten. Wir waren mit dem Essen noch nicht fertig und mit dem vollgestellten Tisch wollte ich nicht rumrücken. Erst als wir unsere Nachspeise gegessen hatten, wollte ich umziehen, da wollte Wolfgang aber nicht mehr – schade. Auf dem Rückweg zum Hostal kamen wir an der Rasenfläche vor der Albergue vorbei, sie war leer, die jungen Leute hatten wohl doch noch eine Schlafmöglichkeit mit Hund gefunden. Alles wird gut. Nachdem wir für den nächsten Morgen doch noch Frühstück in unserer Unterkunft geordert und auch gleich bezahlt hatten, ging es ab in unsere Doppelzelle. Freute mich schon auf Zwieback.

      Santo Domingo de la Calzada - Belorado

      Am nächsten Morgen waren aber Brötchen gebacken – kleine Brötchen – oder besser ganz kleine Brötchen. Verdammt, ich war auf Zwieback eingestellt. Am Nebentisch saßen bereits zwei ältere Paare. Der Hüne und seine kleine Tippie, keine Deutschen, sondern Belgier, mit ihren deutschen Freunden. Das andere Paar ist vor Jahren schon den Camino gegangen, fuhr jetzt mit dem Auto die Strecke, um sich alle Sehenswürdigkeiten anzusehen. Es stimmt schon, wenn man läuft, ist man nicht auf Besichtigungstouren aus. Sie würden die Koffer transportieren und immer die Unterkünfte für alle Vier buchen. Ohne Gepäck lässt es sich eben strammer stickeln.

      Bei der Schlüsselabgabe hatten wir wieder die Nonne vom Vortag, nein sie hatte nicht nur gestern einen schlechten Tag. Nach kurzer Diskussion – ob Frühstück schon bezahlt – sie sagte nein, wir bleiben bei: Hatten wir bereits gezahlt, zogen wir los.

      Dieser Wandertag sollte in Belorado nach 23,6 km enden. Locker - oder noch locker – erreichten wir nach 7,3 km den Ort Graňón. In Sichtweite gab es einen Pilgerauflauf. Die Päuschenmacher sammelten sich vor der Bar. Die Osnabrücker auch, natürlich musste er in Wuschis fast offene Wunde pieken. Die Frikadellen waren in der Herberge dankend abgenommen worden. Er war darüber verwundert, wie viel doch eine junge Frau essen konnte. Er packte noch drei Bier aus seinem Rucksack, nun wollte er die übriggebliebenen Flaschen nicht weiter mitschleppen. Dass er die bis hierher geschleppt hatte, alle Achtung.

      Diesmal war Wolfgang mit der Bestellung beauftragt und die beiden Frauen, die das Kloster zum Übernachten suchten, setzten sich zu mir. Ihre Männer waren sehr früh, mit 54 und 55 Jahren, verstorben. Sie lernten sich auf einem Trauerseminar kennen. Da kam Wolfgang, die Frauen standen auf, legten sich jeweils ein Frotteetuch um, in rot und orange, schnallten sich die Rucksäcke um und gingen mit Buen camino. Ich hatte den Eindruck, sie wollten mir noch etwas mitteilen.

      Weiter ging es nach Redecilla del Camino. Kein Baum – kein Strauch, man betrat den Ort und war auch schon wieder am Ende. Ständig an der Autobahn ging es weiter nach Castildelgado, wo ich der irrigen Annahme war, es wäre schon der Ort Viloria. Dachte noch: Was sind wir doch schnell heute! Pustekuchen, der Ort war im Reiseführer nicht als Kilometerpoint aufgeführt.

      Ein Pfeil führte uns links in Feldwege, weg von der Autobahn, ging es wie üblich hinauf und hinunter. Nach längerem Laufen, rechts ab – links ab – rechts ab, landeten wir wieder an der Autobahn. Von der Seite kam ein Pilger, er kannte sich wohl aus und war geradeaus gepilgert, damit gefühlte 2 km gespart. Dann kam Viloria, lud dieser Ort zum Verweilen ein? Bot er die Möglichkeit eines kühlen Getränkes? Forderte auf Platz zu nehmen im lauschigen Schatten? Nö – hier gab es so was von nix. Im schmalen Schatten der Mauer eines Gebäudes, hingen die erschöpften vier Amerikanerinnen. Der Tag wäre einfach zu heiß. Doch einen Brunnen gab es, mit einem großen X, also trinken darf man auch nicht. Es war Mittagszeit. Man brauchte nicht auf die Uhr sehen, der Sonnenstand sagte alles.

      Haute mich neben einen jungen Mann auf den Kantstein im Minimalschatten. Er zog gerade seine einfachen Turnschuhe aus, die völlig durchgesifften Frotteesocken, ehemals weiß vielleicht, folgten. Wunderte mich keineswegs, dass farben-frohe Blasen zum Vorschein kamen. Für Mitleid war ich aber zu erschöpft. Quakte noch einen Autofahrer an, wo denn hier der Bus abfährt. Mit den Worten, er wäre auch fremd hier, kurbelte er das Autofenster schnell hoch und haute ab. Feigling.

      Weiter nach Villamayor sind es ja nur noch lächerliche 3,2 km, erst an der Landstraße und später wieder an der Autobahn lang. Freute mich, als endlich die Ortschaft näher rückte.