Anke Niebuhr

Zur buckligen Wildsau


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trittst aus dem Schild, sie laden die Daten runter, analysieren sie und übernehmen sofort die Fernsteuerung. Was glaubst du, wie lange würde das dauern?”

      „Bestenfalls ein paar Minuten, vielleicht nur Sekunden. Nehme ich an. Ich hab keinen Schimmer.”

      „Ein paar Sekunden also im schlimmsten Fall. Das ist knapp, könnte aber reichen.”

      „Reichen? Wofür?”

      „Ich habe Zugang zu sowas wie einer Zeitmaschine inklusive der KI. Wenn sie dicht genug an den Schild rankommt, könntest du reinsprinten und wir könnten ratzfatz weg sein, Zukunft, Vergangenheit, egal. Hey, wir springen einfach in eine Zeit ohne Technik. Dann können sie dich nicht finden und nicht gegen deinen Willen aktivieren.”

      „Ach … ja, das wäre schön, aber es würde mich nicht wundern, wenn sie auch so ein Ding hätten. Und dann können sie mich auch orten und aktivieren, egal wo, egal wann.”

      „Klar, Mann, aber wir müssen ja erst mal nur deinen Tracker finden und zerstören. Wenn wir einfach alle paar Sekunden in eine andere Zeit springen, haben wir eine gute Chance zu entkommen. Um die Schnittstelle kümmern wir uns danach.”

      „Das ist viel zu gefährlich, ich will dich da nicht mit reinziehen.”

      Josh zuckte die Schultern. „Hast du doch schon, aber so dramatisch ist das nicht, ich kann teleportieren, so leicht kriegen die mich nicht – außer hier natürlich.”

      „Die Schnittstelle müsste als erstes zerstört werden. Sie brauchen mir nur die Rechte zum Ausschalten zu entziehen, dann könnte ich nichts mehr steuern. Dafür ist aber nicht genug Zeit. Selbst deine KI müsste erst mein System analysieren oder die Baupläne finden, und dann wäre es längst zu spät.”

      „Coool. Ich meine uncoool, klar, aber Mann, wie geil kompliziert ist das denn.” Josh lachte. „Ich mag knifflige Dinge. Das weckt meinen sportlichen Ehrgeiz.” Er grinste breit.

      „Ich kann das gerade nicht witzig finden, sorry.”

      „Immer mit der Ruhe, wir knacken das. Ich bin gut in sowas.”

      „Du bist echt schräg, weißte das?”

      „Joar. Du bist nicht die erste, die das feststellt.” Josh grinste immer noch, langsam bekam er gute Laune. Er streckte ihr die Hand entgegen. „Josh. Das Gemüse da hinten im Gras ist Renko. Mist. Den hatte ich gerade so schön vergessen.” Seine Miene verfinsterte sich wieder.

      „Amanda.” Sie schüttelten sich die Hände. Amanda drehte den Kopf in die Richtung, wo dieser Renko angeblich herumlag. „Was ist mit deinem Freund?”

      „Ach, das ist auch kompliziert. Er ist ein Dämon, und die haben bekanntlich kein Unterbewusstsein. Irgendwas Mysteriöses hat sein Bewusstsein auf eine sogenannte Seinsebene geschossen, zu der eigentlich nur das Unterbewusstsein Zugang hat, wenn überhaupt. Dazu muss man wohl medial veranlagt sein oder so, was weiß ich. Das ist jedenfalls eigentlich unmöglich, aber offenbar ist es trotzdem passiert. Jetzt steckt er da fest und kriegt von der Realität nix mehr mit. Das macht mich wahnsinnig, und ich kann nichts tun.”

      „Autsch.”

      „Ja. Autsch.”

      Schweigen.

      Putzen für den Weltfrieden

      Adasger fühlte sich wie eine kleine Naturgewalt. Am Anfang richtete er noch mehr Chaos an, als sowieso schon da war, aber nach und nach lichtete es sich und er fand einen Rhythmus. Er machte sich Musik an und war ganz in sein Tun versunken. Als er eine Pause brauchte, merkte er erst, wie anstrengend dieses Aufräumen und Putzen war, das hatte er ganz vergessen. Sollte er den Rest einfach fertig schnipsen? Nein, ging ja nicht. Egal, es war sowieso etwas, das er lieber selbst tun wollte. Es war ihm aus irgendeinem Grund ein Bedürfnis und tat gut, aber für heute reichte es erst mal.

      Er kochte sich Essen, füllte Borowskis Fressnapf und machte es sich vor dem Kamin bequem. Später sprang Borowski auf seinen Schoß – erstaunlich, wie gemütlich das war. Hund, Kamin, satt und eine zufriedene Erschöpfung. Ein perfekter Moment … *pling*

      So perfekt, dass Adasger auf dem Sofa einschlief. Als er am nächsten Morgen erwachte, lag er ausgestreckt da und hatte einen Arm um Borowski geschlungen. Dieser leckte ihm gerade das Gesicht ab. Adasger lächelte und kraulte ihn. Dann stand er auf und bat die KI, ihm wieder das Portal zu Hivvy zu öffnen. Borowski lief an der Elementepfütze vorbei in den Dschungel. Er war auf dem Weg der Besserung, das war schön zu sehen. Wieder kommentierte die KI, dass sie das Portal geöffnet hatte und erklärte ihm, wo Hivvy war.

      „KI, ich kann sehen, dass du das Portal geöffnet hast. Deswegen ist es unnötig, mir eine Rückmeldung zu geben. Ich kann auch Hivvy sehen, sie liegt an der gleichen Stelle wie gestern, also ist auch diese Information unnötig. Lass das bitte in Zukunft.”

      „Gestern hast du gesagt, ich soll dir immer eine Rückmeldung geben. Heute sagst du, ich soll es lassen. Das ist ein Widerspruch. Welche Anweisung ist gültig?”

      Die erste Frage! Er hatte es geschafft, es war ein Durchbruch, wie wunderbar! Adasger freute sich riesig. Aber Anweisung? Ja, so könnte man es sehen, aber er hatte auch bitte gesagt, sie hätte sich also weigern können. Außerdem konnte sie sich natürlich auch dann weigern, wenn er nicht ‚bitte‘ gesagt hätte, er war ja nicht ihr Boss, aber Adasger wollte es nicht unnötig kompliziert machen und verschob dieses Thema auf später.

      „Ich möchte, dass du selbst herausfindest, in welchen Situationen Rückmeldungen angemessen sind. Es war mein Fehler, das Wort ‚immer‘ habe ich nicht wortwörtlich gemeint.”

      „Wie kann ich herausfinden, wann es angemessen ist?”

      „Indem du in der Situation, in der du nicht sicher bist, nachfragst und so nach und nach Muster erkennst. Sichtbare, offensichtliche Dinge brauchst du nicht zu kommentieren. Keine Sorge, du kriegst irgendwann ein Gefühl dafür.”

      „Ich kann kein Gefühl dafür kriegen, ich habe keine Gefühle.”

      „Das ist nur eine Floskel. Damit ist gemeint, dass du im Laufe der Zeit lernst, Situationen einzuschätzen. Wer viel Erfahrung mit etwas hat und sich dadurch schnell und richtig entscheiden kann, hat sozusagen ein gutes Gefühl dafür, muss nicht mehr lange nachdenken, nicht mehr analysieren. Beantwortet das deine Frage?”

      „Ja”, kam es nach einer kurzen Pause.

      „Gut. Bis später.”

      Er bekam keine Antwort, aber auch mit dem Thema Höflichkeiten konnten sie sich später befassen.

      Adasger ging durch das geöffnete Portal zu Hivvy, zufrieden, dass die KI die erste kleine Hürde geschafft hatte. Es war ein Anfang. Hmmm … Widersprüche und Höflichkeiten also. Gut zu wissen. Er brauchte sich dazu keine Fragen auszudenken, denn davon würde es nach und nach von alleine genug geben. Egal, jetzt war erst mal Hivvy wichtig. Er kniete sich ins Gras.

      „Guten Morgen Hivvy. Wie geht es dir?”

      Es war das erste Mal, dass jemand Hivvy diese Frage stellte. Wie ging es ihr? Sie wusste darauf keine Antwort. Sie war immer noch verwirrt und überfordert, und das fühlte sich nicht gut an. Und noch mehr Fragen als die, die sie sowieso schon hatte, brauchte sie beim besten Willen nicht.

      „Tut mir leid, ich wollte dich nicht zusätzlich belasten.” Hivvy sprach nicht, aber Adasger bekam im Geiste mit, was die Elementepfütze dachte. Er überlegte kurz. „Ich gehe mit Borowski eine Runde durch den Dschungel. Verwandele dich doch in einen Rehpinscher und komm mit, das lenkt dich vielleicht ab und bringt dich auf andere Gedanken.”

      Hivvy wollte kein Rehpinscher sein und auch nicht auf andere Gedanken gebracht werden.

      „Ok. Dann gehe ich jetzt einfach los. Bis später.” Adasger lächelte die Pfütze an und folgte Borowski. Der lichte Wald wäre ihm lieber gewesen, aber wo sie nun schon einmal hier waren, konnten sie genauso gut im Dschungel herumlaufen. Er schuf sich wieder die Blase, die ihm das Gestrüpp vom Hals hielt. Das hatte