Anke Niebuhr

Zur buckligen Wildsau


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weiß nicht, ob ich das hinkriege.”

      „Was, um Himmels Willen, ist denn nun schon wieder ein PAL?”

      „Ein Problem–anderer–Leute–Feld. Hast du ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘ von Douglas Adams nicht gelesen? Es macht nicht direkt unsichtbar, sorgt aber dafür, dass Leute das, was im PAL ist, komplett ignorieren, weil es eben ein Problem anderer Leute ist.”

      „Kapier ich nicht. Funktioniert das?”

      „Jepp.”

      Amanda sah Josh skeptisch an. „Mach die Kiste doch einfach unsichtbar. Warum so kompliziert?”

      „Unsichtbarkeit funktioniert nur bei den Dingen zuverlässig, die sich nicht bewegen. Lass uns das mit dem PAL mal ausprobieren. Dreh dich um. Nicht gucken.”

      Amanda zögerte, drehte sich dann aber um. Josh schnipste eine Picknickdecke mit allerlei Leckereien herbei – er hatte Lust etwas zu essen – und versuchte dann, es in einem PAL verschwinden zu lassen. Er schnipste noch einmal, und wie er erwartet hatte, passierte nichts. Er selbst konnte die Picknickdecke noch sehen, klar, es war ja sein eigenes PAL.

      „Ok, done. Dreh dich wieder um, was siehst du?”

      Amanda drehte sich um und sah direkt auf die Picknickdecke – und ließ dann den Blick wandern. „Dich, das Meer, Sand, die Lagune … Es riecht nach Essen. Boah, hab ich Hunger.”

      „Ha! Geil!”

      Josh schnipste das PAL um die Picknickdecke weg und Amanda bekam große Augen.

      „Es hat geklappt! Es hat tatsächlich geklappt! Yay, ich bin so gut, Mann.” Josh riss die Arme hoch und grinste selbstzufrieden. „Und riechen konntest du es nur, weil du Hunger hast, Mann. Hau rein, guten Appetit.”

      Das brauchte er nicht zweimal zu sagen, Amanda hatte wirklich großen Hunger, das hatte sie vor lauter Stress und Sorgen gar nicht gemerkt. Sie haute rein – und wie!

      Here be Dragons

      Renko sah zu Amanda hinüber. Sie hatte aufgehört zu wackeln, sah aber nicht sonderlich ansprechbar aus. Immerhin, ihre Wut schien verraucht zu sein, sie wirkte jetzt … gierig? Egal, Renko ließ sie in Ruhe, sie schien mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Der Nebel, der sich am Rande seines Gesichtsfelds befand, lichtete sich immer mehr. In der Ferne konnte er nun Felsen erkennen. Große Wellen krachten dagegen, die Gischt konnte er selbst aus dieser Entfernung hochspritzen sehen. Das wollte er sich aus der Nähe angucken und war gerade im Begriff aufzustehen, da bewegte sich der Felsen. Erstaunt hielt Renko inne und starrte ihn an. Tatsächlich, er bewegte sich!

      Das, was er für einen Felsen gehalten hatte, war ein Drache. Ein echter, wirklicher, riesiger Drache, schwarz wie die Nacht. Was für ein Anblick! Renko sah, wie er langsam die Flügel ausbreitete, sie zweimal hoch und runter bewegte und sich dann einfach so in die Lüfte erhob. Das dürfte eigentlich nicht möglich sein, aber Drachen waren Drachen, was wusste er schon über Mögliches oder Unmögliches. Renko hatte bisher noch nie einen gesehen, er hatte sie für ausgestorben gehalten. Fasziniert beobachtete er, wie der Drache höher und höher stieg, mühelos und elegant. Renko sah ihm nach, bis er in den Wolken verschwand.

      Amanda hatte von dem Drachen nichts mitgekriegt, so wie sie auch die Dolbs ignoriert hatte. Was für eine seltsame Frau. Stirnrunzelnd betrachtete er sie.

      Das Dolb–Problem

      Mitten beim Kauen fiel Josh plötzlich etwas ein. Der Gedanke erschreckte ihn so sehr, dass er sich verschluckte.

      „Amanda!”, brachte er hustend heraus.

      „Was ist los?”

      „Die Dolbs!”, sagte er. „Selbst wenn du weg bist, sind sie immer noch in Gefahr. Vielleicht nicht heute und morgen, aber irgendwann wird das Konglomerat es wieder versuchen.”

      „Mist, du hast recht. Wir müssen sie warnen.”

      „Ja, und die Nesodoraner auch.”

      „Die Nesodoraner? Ich weiß nicht. Das Konglomerat würde alles abstreiten, ich habe keine Beweise für den Auftrag. Selbst wenn die Nesodoraner uns glaubten, sie könnten nichts machen. Das Konglomerat kann schließlich irgendeinen x–beliebigen Söldner anheuern und undercover herschicken. Die Nesodoraner könnten nur den Schutzschild über Dasogra dicht machen und sich komplett vom Rest der Welt abschotten.”

      „Quatsch, du denkst viel zu kompliziert. Sie müssen doch nur die Leute kontrollieren, die aus der Wüste zurückkommen.“

      „Dann würde das Konglomerat einfach Truppen schicken. Zumindest traue ich ihnen das ohne Weiteres zu.“

      „Haben die Nesodoraner Allianzen mit irgendwem?”

      „Nicht, dass ich wüsste. Sie sind ein stures Volk. Sie bleiben bewusst langweilig und unauffällig, um für niemanden interessant zu sein. Soweit ich weiß, war das bisher ausreichend hier am Ende der Welt. Ich wüsste nicht, dass sie schon mal mit jemandem Ärger gehabt hätten. Sie haben keine nennenswerte Armee und auch kaum Waffen.”

      „Hmmm …”

      „Die Frage ist, warum das Konglomerat überhaupt die Dolbs haben will. Gut möglich, dass sie das Ganze aufgeben, wenn es Schwierigkeiten gibt. Sie haben ja nur mich losgeschickt statt ein ganzes Team.”

      „Ja schon, aber das war logisch. Ein Team wäre den Nesodoranern sofort aufgefallen, die wären niemals hier reingekommen. Du alleine warst unauffällig genug. Außerdem können sie so behaupten, dass das allein deine Idee war.” Josh seufzte. „Habe ich gesagt, dass ich ‚kompliziert‘ mag? Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil.”

      „Alleine kriegen wir das nicht hin, wir brauchen Hilfe.”

      „Vielleicht wäre Adasger bereit dazu. Er ist ein Kumpel von den höheren Mächten und wartet in der Wildsau auf mich und Renko. Vielleicht hat er eine Idee, aber bis wir dich in Sicherheit gebracht, dein Problem gelöst, ihm die Dolb–Sache erklärt und eine Lösung gefunden haben, ist es womöglich zu spät.”

      „Ach verdammt!”, seufzte Amanda.

      „Jepp!”

      Schweigen.

      „Ok“, sagte Josh. „Fangen wir nochmal ganz von vorne an. Die Dolbs müssen wissen, was auf sie zukommt, so oder so. Wir müssen sie warnen und ihre Reaktion abwarten. Der Rest ergibt sich vielleicht irgendwie von selbst, das tut es ja immer, eigentlich.”

      Amanda grinste. „In einem Satz ‚vielleicht‘, ‚irgendwie‘, ‚immer‘ und ‚eigentlich‘? Josh, du fängst an zu faseln.”

      „Hab Mitleid, ich bin gerade etwas gestresst”, gab Josh zurück und zog eine Grimasse.

      Sie beendeten ihr Picknick und Josh schnipste die Reste weg. Dann machten sie sich auf den Weg, um die Dolbs zu suchen.

      Nachdem sie sie gefunden und Josh ihnen Amanda vorgestellt und die Lage erklärt hatte, bimmelten sie aufgeregt durcheinander. Als sich die Dolbs wieder einigermaßen beruhigt hatten, setzten sie sich alle zusammen und diskutieren stundenlang darüber, was sie machen könnten. Es kam nicht viel dabei heraus, sie hatten nur eine kurze Liste abstruser Möglichkeiten: Die Dolbs konnten sich auf unbestimmte Zeit weit draußen im Meer verstecken oder sich tatsächlich von Amanda entführen lassen und sich auf einem anderen Planeten im Meer verstecken. Sie konnten aber auch nur so tun, als seien sie entführt worden und sich hier im Meer verstecken oder die KI nutzen, um alle Datenbanken des Universums zu hacken und alle Einträge über Dolbs so zu ändern, dass die Dolbs als reiner Mythos erschienen.

      Das war natürlich alles Blödsinn. Alle waren sich einig, dass sie vorläufig zu keinem Ergebnis kommen würden, also beschlossen sie, eine Nacht darüber zu schlafen und am nächsten Tag weiter zu reden.

      Es war noch nicht sehr spät und Josh und Amanda gingen zum Strand. Es war inzwischen dunkel geworden und Josh schnipste ein Lagerfeuer