Martin Winterle

Brief an Marianne


Скачать книгу

ihren Füßen niederlies, mit seinen Pfoten ihre Zehen massierte. Das Spiel ging immer solange gut, bis Eva das dauernde Gekitzel unangenehm wurde, sie ihren Kater liebevoll auf die Polsterlandschaft beförderte…

      Sie sah sich die weiteren Kundenbetreuer an.

      Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf und ihr entfuhr ein erstauntes - das gibt´s nicht, das kann doch nicht sein, der smarte Pater!

      Den Titel hatte ihm Eva verliehen(nach Weinkost und mehr…). Sie fand, er passte einfach perfekt zu ihm, hatte ihn verdient.

      Für den Raum Wien, innere Stadt, sicher eines der besten Verkaufsgebiete für hochpreisige Weine und Champagner, war ein sportlicher Fünfziger zuständig, gleichzeitig der stellvertretende Verkaufsleiter - Peter St.

      Der smarte Peter, das darf doch nicht wahr sein, war wohl alles andere als ein Zufall. Sie hatte Peter vor etwa einem Jahre, auf einer Weinkost in der Messe kennen gelernt. War mit ihrer ganzen betrieblichen Damenrunde dort gelandet, gewissermaßen ein interner Betriebsausflug. Es herrschte Bombenstimmung, schlechte Luft, Riesenlärm und dichtestes Gedränge. Nur durch Aufteilung auf mehrere Tische, fanden die Damen, wenigstens einen schmalen Sitzplatz, (anfangs nicht ganz freiwillig…) auf Tuchfühlung, mit (noch)fremden Herren. Eva und Grete hatten stehend ein Glas Ödenburger Spätburgunder verkostet, als ein Bekannter von Grete, sie an seinen Tisch einlud. Selbst für die beiden schlanken Damen ging sich sitzen nur sehr beengt aus. Aber immer noch besser, als planlos herum zu stehen. Visasvis von ihr saß der Peter. Sie fanden sich auf Anhieb sympathisch, Peter zog alle Register, die ein erfolgreicher Verkäufer, auf Lager haben musste. Der breite Ring an der echten Hand, wies ihn gleich offiziell als verheiratet aus. Trotzdem hatte er sofort mit flirten losgelegt, dass sich die Balken nur so bogen, Er vergeudete keine einzige kostbare Minute, konzentrierte sich nur noch auf Eva. Sie hatte nichts dagegen gehabt, wollte ja nicht mehr, als einen unterhaltsamen Abend verleben, sich amüsieren. Als sie um drei Uhr morgens sein Hotelzimmer verließ, in der nahen Tiefgarage ihren Mini abholte, gab es für sie nichts zu bereuen. Bis auf die 13,60 Euro Parkspesen vielleicht…

      Sie griff sich ihr Smartphone und wählte die Telefonnummer, die der Bildschirm ihr anbot. Als sie fertig eingegeben hatte, schien Peter St. auf. Sie hätte ihn ja immer noch gespeichert gehabt…da schau her, wieso den blos?

      Er hob sofort ab, musste aber beim Namen Eva erst einmal kurz überlegen. Freute sich dann aber(glaubhaft) aufrichtig, sie zu hören. Nach einem kurzen Smalltalk, kam Eva zum Grund ihres Anrufes. Fragte Peter direkt nach diesem Horst. Ließ ihn auch gleich wissen, warum sie so starkes Interesse an allen Einzelheiten hatte. Wieviel ihr an diesen, seinen Informationen lag. Er verstand, dachte eine verlängerte Sekunde nach, erzählte dann so ziemlich alles, was er zum Thema Horst auf Lager hatte. Eva spürte schon bei seinen ersten Worten, dass Horst nicht gerade Peters bester Freund war. Keine sehr hohe Meinung von seinem Tiroler Kollegen hatte, weder dienstlich noch privat.

      Horst war seit etwa zehn Jahren bei der Firma. Ein Jahr nach ihm zu H.Hermann & Partner gekommen. Anfangs sei er ganz motiviert gewesen der Horst, so die ersten paar Jahre, dann aber immer mehr auf Mittelmaß eingependelt. Sie seien ein Team von zwölf Reisenden. Er, Peter liege meist auf dem ersten oder zweiten Platz in der Umsatzstatistik. Wenn es der gute Horst im internen Ranking einmal auf den sechsten Platz schaffte, schlug er Purzelbäume, führte sich auf wie der King. Das kam aber jährlich maximal einmal vor, wenn überhaupt. Ihm, Peter war das immer ein Rätsel. Bei diesem Reisegebiet, müsste eigentlich viel mehr heraus zu holen sein. Es gab Monate, in denen der Horst sein Umsatzziel, bei weitem nicht erreichte. Seine Beliebtheit bei den Kollegen hielt sich, mit einer schleimenden Ausnahme, in Grenzen. Horst mangelte es an Hilfsbereitschaft, war zudem wegen seiner besserwissenden, aufbrausenden Wesensart verschrien. Hatte Talent dazu, sich unbeliebt zu machen. Eva hackte nach, das berufliche mochte wichtig für´s Gesamtbild sein. Was ihr auf der Zunge brannte, waren Horst´s private Lebensumstände. Sie brachte es mit einer direkten Frage auf den Punkt.

      Privat, ja natürlich war der Horst verheiratet, zum zweiten Mal, sogar. Er hatte einen Sohn aus erster Ehe mit einer gewissen Ruth, mit seiner jetzigen Frau Sabine, zwei kleine Buben mit 2 und 5 Jahren. Peter hatte Horsts zweite Frau ein- oder zweimal gesehen. Eine dünne, blonde Langhaarbiene, ohne Ausstrahlung (Originalwortlaut Peter…). Er erzählte Eva so ziemlich alle Eskapaden, von gemeinsam verbrachten Abenden, die ihm gerade einfielen. Es einige wirklich pressante Storys darunter. So konnte der gute Mann seine Finger von keinen Rock lassen, trank gerne einen über den Durst(speziell dann, wenn es die Firma bezahlte…). Geld hatte er so gut wie nie welches, dafür finanzielle Probleme am laufenden Band. Auch Horsts Adresse konnte Peter Eva geben, dazu eine zweite, private Telefonnummer. Natürlich würde Eva nie und niemanden je ein Sterbenswörtchen davon verraten, woher sie diese Infos hatte, Ehrensache. Eva dankte Peter aus ehrlichem Herzen.

      Sie ließ sich ihre innere Aufregung nicht anmerken, kochte aber bereits ein heißes Süppchen in ihren hinteren Gehirnwindungen.

      Mit dem Versprechen sich gegenseitig wieder zu melden, Eva würde Peter sofort ein Mail senden, damit er ihre Mailadresse speichern könne, verabschiedeten sich die beiden…

      Eva musste erst einmal das Gehörte verdauen. Das ging am besten mit dem Schreiben eines Memos, damit ging auch kein wichtiges Detail verloren. Sie ahnte, dass sie diese noch einmal dringend brauchen würde. Der kalt gewordene Tee schmeckte abscheulich. Eva schüttete ihn in den Ausguss, leerte sich einen frischen aus der Kanne auf einem Stövchen nach. Einen großen Löffel braunen Kandiszucker gab sie dazu, umrühren war Luxus, und einen solchen konnte sie sich nicht leisten.

      Rollte auf ihren grünen Gymnastikball vor den Bildschirm. Ein Blick auf die Uhr – halb zehn, also etwas schneller schreiben, als gewöhnlich, sollte eigentlich schon unterwegs sein…

      Eine halbe Stunde später. An der ersten roten Ampel, begann sie zu überlegen, wie sie diese Neuigkeiten ihrem Mädel beibringen würde. Heute einmal ganz bestimmt nicht, erstens brauchte Eva diesen Tag selber, zum Verarbeiten, zweitens würden sie sich morgen ohnehin in Eva`s verstreutem Reich treffen. Da würde dann Zeit genug sein, um dieses schwerwiegende Thema anzuschneiden. Auch um, wenn nötig tröstend beistehen zu können. Sie in den Arm nehmen, falls sie zusammenbricht. Diese Option stand nämlich für Eva durchaus im Raum. So verliebt und blind, wie die Arme war. Heute würde sie Marianne in der Pause ein ungezwungen lustiges SMS schreiben, mit Smileys…

      Abends nur wegen Morgen kurz plaudern, das Tagesgeschehen Revue passieren lassen, fertig.

      Was der smarte Peter ihr heute über diesen Horst erzählt hatte, lag Eva massiv im Magen. Drückte schlimmer, als sie sich zuerst selber eingestehen wollte…

      Marianne hatte einen angenehmen Tag gehabt. Zweimal mit ihrem Horst telefoniert, wollte ihm abends noch ein langes Mail schreiben, vielleicht noch fernsehen, hatte wenigstens Eva dieses bei ihrem Anruf berichtet. Eva versuchte, ungezwungen und aufgedreht zu wirken, immer in der Hoffnung, dass Marianne ihr angespannter Zustand nicht auffiel. Er fiel ihr nicht auf, zu sehr war Marianne nur verliebt, mit sich und Horst beschäftigt. Das machte Eva ihre Mission nicht gerade einfacher.

      Um neun würde Marianne morgen zu ihr kommen. Den ganzen Tag hatten sie dann Zeit für putzen, kochen, blödeln und was ihnen sonst noch so einfallen würde, meinte Marianne…und das sie sich schon freue…auf Morgen.

      Eva hielt ihr Smartphone noch in der Hand als sie zum Fenster trat, gedankenverloren ins nächtliche Nichts starrte. Unter ihr lag die beleuchtete Stadt, verschwommen durch den Nieselregen, der schon seit einiger Zeit, in steter, langweiliger Gleichmäßigkeit, aus grauen, dicken Wolkenpolstern rann. Sie öffnete das Fenster, ging in die Küche um einen Aschenbecher zu holen. Suchte in den drei in Frage kommenden Umhängebeuteln, nach Zigaretten und einem funktionierenden Feuerzeug. Normalerweise rauchte sie nur stehend, beim geöffneten Küchenfenster, sonst war in der ganzen Wohnung Rauchverbot. Heute ausnahmsweise nicht, sie wollte auf die Stadt hinunter schauen. Das ging nur von diesem Zimmer aus. Benjamin streifte zwischen ihren Beinen durch, wollte hoch genommen werden. Nach seiner inneren Uhr war Kuscheltime, aber Frauchen hatte im Moment keinen Bock dazu, sah das irgendwie anders.

      Die Luft war kühl, frisch, angenehm feucht. Eva erhoffte sich Ideen aus der beruhigenden Dunkelheit,