Martin Winterle

Brief an Marianne


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ging schlafen.

      Morgen war auch ein Tag…ja schon…aber was für einer!

      Die sonst über allen banalen Dingen des Lebens stehende Ulknudel, war in dieser Sache vollkommen unschlüssig. Wie anfangen, um es Marianne möglichst schonend beizubringen.

      Benjamin war übrigens auch nichts Hilfreiches eingefallen, rollte sich an Eva´s Bauch zu einer Kugel zusammen und fing leise an zu – schnarchen…

      Verheiratet!

      Zwei Minuten vor neun, Eva war gleich schlau wie gestern, als sie mit Benjamin im Arm weggeschlafen war.

      Um neun wollte Marianne bei ihr sein. Eva zweifelte keine Sekunde daran, dass sie nicht pünktlich eintrudeln würde. Ein Blick aus dem Fenster bestätigte, Marianne quetschte gerade ihr Auto zwischen den alten Rosenbusch und ihrem Mini.

      Alibihalber schlug die altmodische, dumpfe Hausglocke an. Marianne wusste, dass die Haustüre tagsüber offen war. Wollte sich nur ankündigen. Immer zwei, der ausgetretenen, hölzernen, knarrenden Stufen auf einmal nehmend, schwebte sie in den zweiten Stock hinauf. Eva´s Wohnungstüre verschloss lediglich eine abgegriffene, antike Messingklinke.

      Schwubs stand sie mitten in der Küche, eine Tüte frischer, verlockend duftender Croissants unterm Arm.

      Sie hatte vorhin mit Horst telefoniert. Ihn noch einmal daran erinnert, dass sie heute den ganzen Tag bei Eva sei, auch über Nacht blieb. Am Abend entfiel deshalb ihr Mail. Als Ersatz durfte er sich auf ein SMS freuen. Sie wünschte sich auch von ihm eines, ein ganz besonderes. Solle seiner Phantasie freien Lauf lassen…

      Sie strahlte von innen heraus, knuddelte Eva, lange und innig. Eva drückte sie auch, besonders herzlich. In ihrem Inneren, tobte ein gewaltiger Aufruhr. Eva musste sich zusammenreißen, um nicht aus Mitleid, gleich einem witternden Leitwolf, loszuheulen.

      Wenigstens das Frühstück wollte Eva entspannt genießen. Ihre Treffen zum brunchen, gestalteten die beiden Freundinnen immer wie eine kleine, intime Feier.

      Was gab´s denn heute zu feiern?

      In Eva´s Augen leider gar nichts, ganz im Gegenteil.

      War eine Trauerfeier auch eine Feier?

      Mariannes Abschied von der Illusion einer großen, ihr alleine gehörenden Liebe!

      Eva war es gerade geschossen.

      Ihre italienische Espressomaschine pfiff auf der heißen Herdplatte, duftete verführerisch.

      Sie drapierte inzwischen Müsli(für sich…), Butter, Marmelade, Pfirsich- und Orangenjuice, Waldblütenhonig, frischen Leichtkäse und Bioschinken, wahllos auf dem viereckigen, abgebeizten, ehemaligen Stubentisch. Krampfhaft überlegend, über welches unverfängliche Thema sie sich unterhalten könnten.

      Marianne plauderte beschwingt drauflos:

      >Ich find´s eh toll, dass der Horst sich an den Wochenenden so viel um seinen Sohn kümmert. Jeden Sonntag seine Mutter besucht, weil sie ja sonst niemanden hat. Horst hat ja keine Geschwister. Nur ich möchte auch gerne einmal mit ihm einen Samstagnachmittag oder Sonntagabend verbringen. Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass derzeit Hochsaison in seiner Branche herrscht, er viele Angebote ausarbeiten muss. Das geht am besten am Wochenende, weil ihn da kein Telefon stört. Hat er mir ja genauestens geschildert. Ich werde ihn trotzdem am Mittwoch fragen, ob ich nicht Sonntagabend etwas Feines für uns kochen könne. Am Sonntagabend fühle ich mich immer so alleine, diese Stunden sind furchtbar, ich bin dann richtig depressiv. <

      Wie eine alte Jungfer, hatte sie mehr ernst, wie spaßhalber hinzugefügt.

      Ja, wenn sie Eva nicht hätte, mit ihr jeden Sonntagabend, lang und ausgiebig telefonierte, käme die Decke bedrohlich weit herunter. Ihr Sohn war abends kaum zuhause, wenn doch, verzog er sich in sein Zimmer.

      Seit sie Horst kannte, war nicht selten ein seitenlanges Mail von ihr zu ihm gewandert. Seine Antworten waren immer innig und liebevoll, leider meist sehr kurz ausgefallen. Sinnierte Marianne halblaut vor sich hin, während sie ein Brötchen in zwei Hälften teilte.

      >Mädel ich habe einen Superschinken, mit Pinienkernen in der Markthalle entdeckt, garantiert bio, bitte nimm dir. Die Milch habe ich angewärmt. Magst ein Glas extra trinken, oder machst dir lieber gleich deinen hellen Kaffee? <

      Eva hatte ihre Antwort so locker als möglich herausgelassen. Auf Mariannes Beziehungsthema wollte sie noch nicht eingehen. Diese ließ nicht locker, setzte nach:

      >Eva was meinst du, soll ich ihn fragen, ob er den kommenden Sonntagabend nicht Zeit für mich und ein romantisches Dinner for two hätte? <

      >Natürlich kannst du´s vorschlagen, finde ich eine gute Idee. Wenn du mich fragst, würde ich es nicht für das kommende Wochenende schon anbieten. Spar dir´s auf. Vielleicht lädt er ja dich ein, zum Essen gehen, meine ich. <

      Argumentierte Eva halb vorsichtig, halb bewusst locker.

      So ein Mist, sie musste dieses Thema schleunigst loswerden, sonst rutscht ihr noch zu früh, die Wahrheit heraus. Eva hatte bereits vor dem ausführlichen Telefonat mit Peter geahnt, Horst ist nicht das Gelbe vom Ei. Sie hatte ein Gespür für Männer, ganz im Gegenteil zu ihrem Mädel, leider.

      Eva´s Gehirn arbeitete auf Hochtouren, während sie sich ihr Müsli mit Joghurt und Waldbeeren zu Gemüte führte. Vermied es, Marianne direkt anzuschauen, setzte auf Zeitgewinn.

      So sehr sie sich auch anstrengte, ihr Gehirn zermarterte, ihr fiel kein aktuelles, neutrales Thema mehr ein. Blieb nur die Flucht nach vorne.

      >Wie ich dich kenne, wirst du dich gleich auf die Fenster stürzen wollen. Haben´s diesmal wirklich notwendig. Aber fall´ mir ja nicht raus. Ich krieg´ immer panikartige Schwindelanfälle, wenn ich dir bei deinen akrobatischen Fensterputzaktionen zusehe. <

      Eva´s Versuch, das Gespräch auf eine andere Schiene zu bringen. Es gelang, zu ihrer großen Erleichterung tatsächlich.

      Sie wollte mit Toilette und Badezimmer beginnen.

      Erst füllte sie nochmal aromatischen Muntermacher in die Tassen. Eva öffnete das Küchenfenster, suchte ihre Raucherutensilien zusammen. Marianne fand den Fensterputzvorschlag ok. Würde mit dem Schlafzimmer beginnen. Eva war nicht schwindelfrei und vermied es, im gleichen Zimmer zu sein, wenn ihre Freundin sich auf das Fensterbrett schwang. Mit ihrem Wischtuch, auch die letzten Ecken der hohen Scheiben wusch. Der Frühstückstisch wurde nicht abgeräumt. Machte Eva nie gleich nach dem Essen. Sollte noch wer auf irgendetwas einen Gusto haben. Das gehörte zu ihrem unkonventionellen Lebensstil…

      Im Abstellraum teilten die beiden die benötigten Reinigungsmittel und Werkzeuge unter sich auf.

      Alle Zaubermittel für blitzblankes Glas gingen an Marianne, die Helferlein für klinisch reine Keramik und hygienisch einwandfreie Sanitäre, wanderten in Eva´s Kübel. Damit hatte Eva etwas sehr Wertvolles gewonnen, nämlich Zeit. Während sie die Gläser ihrer Duschwände auf tropfenfreie Durchsichtigkeit polierte, kreisten ihre Gedanken, zum x-ten Mal, um das Thema - verheirateter Horst.

      Obwohl in ihrer Lebensphilosophie der Begriff Sentimentalität fast gänzlich fehlte, sie zu Romantik keinen Hang verspürte, sie kam mit ihren Gedanken nicht klar.

      Nur rationell die Fakten aufzublättern, die nackten Tatsachen, Marianne klipp und klar auf den Tisch knallen?

      Das brachte Eva erstens nicht übers Herz, zweitens wäre Marianne damit nicht geholfen. Die Arme dann nur noch geschockter. Eva überlegte alle möglichen Varianten von Einleitungen, Lösungen, Erklärungen.

      Hatte zwischenzeitlich ihre feuchten Räumlichkeiten auf Hochglanz poliert.

      Kater Benjamin anfangs seelenruhig seinem Frauchen beim Fliesen waschen zugesehen. Trollte sich aber rasch, als diese mit WC-Reiniger seine feine Nase überstrapazierte. Da roch es im Wohnzimmer, wohin Marianne zwischenzeitlich ihren Arbeitsplatz verlegt hatte, um einiges angenehmer…