Martin Winterle

Brief an Marianne


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in den Kopf schossen, aufgehört zu streicheln. Schuldbewusst streichelte sie über seinen Nacken, was er mit dankbaren Geschnurre quittierte.

      Ihr wurde es im Bett, unter der warmen Decke plötzlich zu eng. Irgendetwas schnürte ihr die Luft ab. Liebevoll nahm sie den Kater auf den Arm, setzte ihn vorsichtig neben dem Bett auf den Boden.

      Schwang sich auf, schlich leise aus dem Zimmer.

      Benjamin war zu seinem Frauchen unter die Decke gekrochen.

      Frauen sind ersetzbar…

      Holte frische Wäsche aus ihrer Sporttasche, kleidete sich vor Eva´s kreisrunden, überdimensionalen Badezimmerspiegel an. Sie sah verweint aus, hatte rote Augen und Nervositätsflecken auf ihrer Stirn. Ihr Anblick versetzte sie in mittlere Panik. Sie sollte heute Nachmittag bei ihrer Mutter zum Kaffee trinken antanzen, mit ihr anschließend auf den Friedhof fahren. Ihre Mutter wollte eine Kerze auf dem Grab von Mariannes Vater anzünden, Blumen gießen. So fertig, wie sie sich gerade aus dem Spiegel entgegen starrte, konnte sie bei ihrer Mutter nicht aufkreuzen, ohne lange und breite Erklärungen abzugeben. Danach war ihr im Moment echt nicht. Wollte in diesem Augenblick niemanden sehen, selbst ihr Spiegelbild war ihr zu viel.

      Bis heute wusste von ihrer Beziehung zu Horst nur Eva und die auch genaueres erst seit Donnerstag, sonst keine Menschenseele. Ihrem Sohn, waren die abendlichen Mails bis dato nicht aufgefallen, ihrer Mutter hatte sie nichts erzählt, ihrer Schwester erst recht nicht. In der Firma und in ihrem Wohnhaus, hatte niemand sie gemeinsam beobachtet. Marianne achtete penibel darauf, dass es auch so lange als möglich, so bleiben würde. Letztlich war sie aber alt genug, um über ihr Leben selbst bestimmen zu können, zudem niemanden Rechenschaft schuldig…

      Sie huschte in die Küche, zog die Türe hinter sich ins Schloss. Eva wird ja irgendwann aus den Federn kriechen. Sie bereitete Kaffee vor, stellte auf den Tisch, was ihr für ein gemütliches Sonntagsfrühstück passend schien. Im Kühlschrank fanden sich zwei Eier, die sie weich kochen konnte. Die passenden Weißbrotschnitten für den Toaster waren auch vorhanden, sollten ihrem Ablaufdatum nach, eigentlich seit zwei Wochen schon, nicht mehr existieren. Marianne erbarmte sich ihrer.

      Sie schlich, begleitet von Kaffeeduft in Eva´s Schlafgemach. Diese war aufgewacht, nicht wirklich munter, aber ansprechbar. Immerhin war es zwischenzeitlich dreiviertel neun. Sie gähnte herzhaft, streckte sich nach allen Seiten(Benjamin war wieder einmal wenig amused…), zog ihre langen Beine unter der bunten Decke hervor.

      >Guten Morgen Mädel, bist du schon lange auf? Du bist ja schon fertig designt. Du, gib mir zehn Minuten, dann mache ich uns ein leckeres Frühstück. Ich habe sogar noch zwei freilaufende Frühstückseier für heute Sonntag. <

      Eva zog ihren ehemals pink farbigen, etwas verwaschenen, Frottee-Morgen-Bade-Relax-Mantel vom antiquierten Gründerzeit Kleiderständer, wollte ins Bad. In der weitläufigen Diele umwehte sie der verführerische Duftmix eines perfekten Frühstücks. Zog eine Katzenwäsche vor, mochte Marianne nicht warten lassen.

      Eva köpfte gerade ihr glücklich freilaufendes Frühstücksei, als sie ihrer Freundin, einen so neutral als möglichen Blick zuwerfend, fragte:

      >Wie hast du denn geschlafen, auf den gestrigen, aufregenden Tag hin? <

      Eigentlich ganz gut, antwortete Marianne. Ja, wirklich, sie wundere sich selber darüber, aber sie sei auch ziemlich erschöpft gewesen. Logisch, dass es nichts bringen würde, etwas anderes, als Mariannes Beziehungschaos zu bereden.

      >Hast du dich schon zu einer Entscheidung durchringen können? Was wirst du tun, wie verhältst du dich jetzt, deinem Galan gegenüber? Ich meine, einfach zur Tagesordnung überzugehen, das wird’s nicht spielen, denke ich. <

      Eva spielte, laut nachdenkend mit ihrem Müslilöffel. Marianne versuchte gerade, die letzten Reste ihres Eies aus der Schale zu hebeln, ließ sich mit ihrer Antwort etwas Zeit. Nein, eine Entscheidung habe sie noch nicht treffen können, dazu sei die Situation noch zu frisch, der Schock sitzt zu tief. Heute Abend wird sie Horst ein Mail schreiben und ihn fragen, ob er Morgen zwischen 17 und 19 Uhr Zeit hätte, sich mit ihr in der Stadt zu treffen. Sie schreibt ihm auch gleich dazu, dass es etwas außerordentlich Wichtiges zu besprechen gibt. Etwas, das keinen Aufschub duldet. Weder am Telefon noch per Mail zu klären sei. Das wäre für Marianne eine günstige, nach oben begrenzte Zeit, da sie zum Italienischkurs gehen musste. Dieser begann um 19 Uhr. Auf die lange Bank schieben wollte sie die Angelegenheit natürlich nicht. Sie musste Klarheit haben, und zwar vor Mittwochnachmittag. Dann würde sie weiter sehen. Machte es von Horsts Reaktion abhängig.

      Eva war da ganz anderer Meinung:

      >Mädel, das ist alleine deine Angelegenheit, ob du dir diese Beziehung weiterhin gibst oder den Hut drauf wirfst. Kann nicht von seinen Ausflüchten, Verharmlosungen, Beteuerungen und Versprechungen abhängen. Du alleine entscheidest, wer und was dein Leben bestimmt! <

      Hatte Eva noch hinzugefügt. Noch einmal die beiden gestrigen Varianten, wie sie persönlich es halten würde, ins Spiel gebracht. Aber auch dazu gemeint, sie sei die Eva, und nicht die Marianne, leider. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, philosophierte Eva.

      >Du, weißt du was, du könntest ihn auch anrufen, um ihm gleich zu sagen, dass Morgen 17 Uhr einfach fix zu sein hat. Er soll sich das gefälligst einrichten. Sag ihm ruhig, dass Feuer am Dach ist. Du musst nicht gleich am Telefon schon sagen, was ich herausgefunden habe, aber mach unmissverständlich klar, dass er dich nach dem Büro abzuholen hat, laß´ ihm gar keine Wahl! Sieh einmal in den Spiegel wie du aussiehst. Wie eine glücklich Verliebte, ganz bestimmt nicht, ganz im Gegenteil. Er soll sein Fett abbekommen. Laß´ ihn erklären, wie er sich eine Zukunft vorstellt, mit euch beiden. <

      Ziemlich emotional war sie geworden, die liebe Eva. Hatte sich eine Zigarette angezündet, das Küchenfenster geöffnet, den Rauch, demonstrativ ins Freie geblasen. Marianne fand den Vorschlag gar nicht einmal schlecht. Sie würde das am Nachmittag versuchen. Wenn er nicht abhob, nicht abheben konnte, weil Sabine oder die Jungs bei ihm waren, würde sie ihm später ein SMS mit diesem Inhalt schreiben. Auf ein Mail mit dahinschmelzen, es vor Sehnsucht nach ihm, nicht mehr aushalten können, heute wird er vergeblich warten. Das versicherte Marianne, Eva im gleichen Atemzug.

      War aufgestanden, räumte den Tisch ab und begann mit dem Abwasch. Eva´s Kommentar dazu:

      >Kannst du nicht eine Minute ruhig am Tisch sitzen bleiben. Ist doch völlig wurscht, wenn ich das später mache, ist ja nicht viel. Du rufst mich auf alle Fälle an, wenn es was Neues gibt, versprochen! Auf alle Fälle will ich wissen, was bei eurem Gespräch heraus gekommen ist. Fakt ist, dass du mehr als vorsichtig sein musst. Der Peter hat mich ausdrücklich gebeten, dich vor Horst zu warnen. Du hast ja sein Mail selber gelesen. Horst ist ein Weiberheld, und du sein williges Opfer. Bitte sei dir dafür zu schade, Mädel! Wenn du nur Sex mit ihm willst ok, aber laß´ die Gefühle aus dem Spiel. Besser gesagt, bring sie wieder unter Kontrolle, deine Liebe zu ihm. Glaub mir, es ist besser so. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, du weißt mich zu finden, zu jeder Zeit, verstanden! <

      Eva mit Nachdruck angefügt.

      Marianne nahm sie dafür in ihre Arme, drückte sie an sich.

      >Ich bin so froh, dass es dich gibt. Du bist für mich ein unendlich wichtiger Halt, danke. <

      Die altmodische Küchenuhr aus Delfter Keramik, war auf etwas nach elf geklettert. Marianne machte sich bereit zu gehen. Mit einem fast schuldbewussten Blick auf den vollgeräumten Frühstückstisch, den Eva nun alleine abräumen müsste.

      Diese wiederholte noch einmal alle ihre guten Ratschläge, forderte Marianne auf, ja Bericht zu erstatten. Wollte vom Gespräch mit Horst auch die Zeichen hinter dem Beistrich wissen…

      Als Marianne ihre Wohnung aufschloss, wäre sie um ein Haar über die Sporttasche ihres Sohnes gefallen. Dieser duschte gerade, folglich kein freies Badezimmer. Wie gerne, wäre sie in diesem Moment ganz alleine gewesen. So musste sie sich Gedanken machen, was sie zu Mittag kochen könnte, der Nachwuchs hatte, im Gegensatz zu ihr, sicher Hunger. Sie hatte noch acht Spinatknödel, einige Pizzas und Gulasch für zwei, zur Auswahl im Tiefkühler. Wenn er aus