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du heute bei mir übernachtest, ich noch andere Leute eingeladen habe, du nicht reden kannst, sonst nichts. Das gibt dir bis morgen im Laufe des Tages Spielraum. Du pennst doch heute bei mir, das ist doch fix, oder? <

      Eva´s Nachfrage.

      >Ja herzlich gern, ich habe meine Toilettentasche und den Pyjama vorsorglich mitgenommen, liegt alles im Auto. Mir geht´s total schlecht im Moment. Wie soll ich mich entscheiden? Einmal reden muss ich noch mit Horst. Ihn fragen, warum er mir nicht gesagt hat, dass er verheiratet ist und zwei kleine Kinder zu versorgen hat. Es tut so weh, eine erträumte, rosarote Zukunft zu zweit, einfach in Fetzen zu zerreißen. Das ist so gemein, so furchtbar, so grausam. <

      Marianne weinte so erbärmlich, dass sich ihr ganzer Körper krümmte und bebte. Eva legte ihre Arme um sie wie ein Krake, nahm ihr fast die Luft zum Atmen. Hielt sie an sich gepresst, wiegte sie ganz sacht hin und her. Versuchte leise eine alte indische Melodie zu summen. Nicht nur um Marianne zu beruhigen, ihr standen die Tränen auch Oberkante Unterlippe. So ein Mistbock, so ein elender…

      >Kleines, nicht doch, beruhige dich bitte, schau die Welt geht nicht unter, ich bin ja bei dir. Wir kriegen das gemeinsam hin, ich verspreche es dir. Du bist nicht alleine. Ich stehe zu dir. Gehen wir heim, du frierst ja. <

      Eva hatte ihre ärmellose Daunenweste ausgezogen, ihr über die Schultern gelegt.

      >Schlüpf rein, die ist warm und dann komm. Wir haben nur gute zehn Minuten bis nach Hause, dann gibt es heißen Tee und ganz viel Süßes…und jede Menge Kuscheldecken…und ganz viele Polster…wir legen eine CD mit Entspannungsmusik auf…komm schon, mach! <

      Eva war in die Rolle der Resoluten geschlüpft, die Marianne einfach mitzog, das wirkte. In Evas verstreutem Reich, machten sie es sich dann, zwischen Decken und ungezählten Pölstern genau so gemütlich, wie Eva vorher gesagt hatte. Die große Glaskanne, voll mit herrlich beruhigenden, exotischen Tee hielt ein Stövchen warm. Die Packungen mit Pralinen, gefüllten Keksen und in Schokolade getunkten Früchten, hatten sie zwischen sich gestellt. Ließen sich von der leisen Musik berieseln. Sanftes Licht von mehreren, wahllos im Raum verteilten Kerzen, davon eine exotisch duftende, beruhigte beide…

      Gibt es für einen armen, kastrierten Kater auch ein Plätzchen zum kuscheln?

      Benjamin hatte seinen unschuldigsten Katzenblick aufgesetzt, sah, mit schräg gehaltenem Kopf von Eva zu Marianne und wieder zurück. Eva zog ihn zwischen ihre Beine, schob ihm ein Polster unter. Er drehte sich sofort ein wie ein Kreisel, lag regungslos, mit halb geschlossenen Augen da. Philosophierte sicher, wie es wäre, wenn die halbleeren Schachteln anstatt mit diversen Süßigkeiten, mit Würsten, Ragouts, gebratenen Fischen angefüllt wären. Über diesen anstrengenden Überlegungen war er sanft entschlummert…

      >Ach, den Horst hast du vergessen…er hat vor zwei Stunden geschrieben…schreib ihm zurück, dann ist es erledigt. <

      Eva war´s gerade eingefallen. Damit hatte sie das entspannende Schweigen der letzten Stunde unterbrochen(Benjamin war darüber gar nicht amused…).

      Marianne erschrak, stimmt, sie hatte sich vollkommen fallen lassen können. Eva freute sich darüber sehr, empfand es als persönliches Geschenk, sagte es Marianne auch gleich.

      Diese hatte ihr, auf lautlos gestelltes Smartphone geholt und geschrieben:

      >Hallo Horst, danke für dein SMS. Mir geht es nicht so gut, bin froh bei Eva zu sein. Wünsche dir eine gute Nacht, Marianne. <

      Mehr als diese kurze Message bekam sie nicht aus sich heraus.

      Der Schock saß zu tief. Eva verstand, sie hatte mitgelesen.

      >Ich meine, wir werden ohnehin schlafen gehen. <

      Dachte sie halblaut, ein Gähnen unterdrückend.

      Auch Benjamin hatte verstanden, dass ein Ortswechsel bevorstand. Machte einen mustergültigen Katzenbuckel, streckte sich nach allen Seiten und ging schon einmal voraus…ins Schlafzimmer. Nur die Kerzen wurden ausgeblasen, alles andere blieb liegen. Eva liebte es, so zu leben.

      Morgen war ein neuer Tag…

      Ausgeträumt…

      Sie spürte ein sanftes Schmusen an ihrem Hals, einen leisen Druck auf ihrer Schulter. Fühlte wie sein Mund, sein Dreitagebart, zärtlich über ihre Wange streichelte. Die Spitze seiner Zunge mit ihrem Mundwinkel spielte. Weigerte sich die Augen zu öffnen, drückte die Lider fester zusammen. Gestern war nicht wahr, nicht die Wirklichkeit. Gestern war nur ein böser Traum, ein Alptraum der allerschlimmsten Sorte gewesen. Das konnte einfach nicht sein, durfte nicht sein. Eva musste sich getäuscht haben, ganz bestimmt sogar. Horst lag ja neben ihr, würde sie mit seinen Zärtlichkeiten gerade liebevoll, mit allen seinen innigen Gefühlen die er für sie empfand, in einen wundervollen Tag hineinführen. Für diesen einen Moment, war sie so voller Glück, so unvorstellbar in ihrer Mitte, wie selten zuvor, in ihrem Leben. Es war nur noch traumhaft. Wieder strich er zärtlich mit seiner Zunge über ihre Nasenspitze und kitzelte sie. Marianne musste niesen, explosionsartig…

      BENJAMIN!!!

      Mit einem Satz war der Ersatz-Horst auf die flauschige Eisbärimitation vor Eva´s Bett gesprungen. Dort stand der Schmusekater nun auf seinen vier Pfoten, schaute treuherzig zu Marianne hinauf, verstand die Welt nicht mehr. Bei Frauchen durfte er immer mitkuscheln, da hatte er es halt einmal bei ihr versucht, was war da schon groß dabei.

      Sie saß kerzengerade in Eva´s französischen Bett.

      War erschrocken in die Höhe gefahren, suchte nach einem Taschentuch, warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Wenige Minuten nach acht, eigentlich Zeit um aufzustehen. Wie ein Hammerschlag, trafen sie die gestrigen Gespräche mit Eva. Spürte, wie ihr die Tränen aufstiegen.

      Benjamin ließ es auf einen zweiten Versuch ankommen, nahm Anlauf. Mit einem eleganten Sprung landete er auf ihren Beinen. Legte sich auf ihren Bauch, drehte sich unter leisem schnurren, zu einer Halbkugel zusammen. Ihr war es, wie wenn der Kater sie ablenken und trösten wollte. Sie war viel zu traurig, um Benjamin die erbettelten Streicheleinheiten zu verwehren. Ihre Finger kraulten sich in das seidenweiche Fell, auf das ihre Tränen nun ungehindert herab tropften.

      Nicht das Eva davon aufgewacht wäre. Nein, sie zog sich lediglich die bunte Flickendecke über ihre Ohren und schlief seelenruhig weiter.

      Marianne sah auf ihr Handy. Sie hatte es lautlos geschaltet, die Hülle zugeklappt. Ein SMS von Horst war gekommen, um 6 Uhr 58 hatte er es geschickt. Das war wahrscheinlich Gassi Time. Er erkundigte sich, wie sie geschlafen habe, ob der gestrige Tag mit Eva für sie fein gewesen sei, sie für heute plane. Nach einer ganzen Palette, ausgeschmückter Liebeserklärungen, bat er sie, ihm heute am Abend doch bitte, bitte ein Mail zu schreiben, er würde sich wahnsinnig freuen, könne vor Sehnsucht nach ihr, an nichts anderes, als an sie denken. Er liebe sie über alles!

      Wie anders las sich dieses SMS heute, nach dem gestrigen Tag.

      Es tat verdammt weh, seine Liebesbeteuerungen zu lesen, gleichzeitig zu denken, dass er sicherlich gerade, das eheliche Bett verlassen hatte.

      Ahnte diese Sabine, dass ihr Ehemann seit einem Monat eine Geliebte hatte?

      Hatte Horst offiziell an den Mittwochnachmittagen geschäftliche Termine?

      Schlief er etwa mit Sabine und mit ihr?

      Innerhalb weniger Stunden, weniger Tage, einmal mit der einen, dann wieder mit der anderen?

      In welchem Zustand war seine Ehe, dass er sich so sehr in sie, Marianne verlieben konnte?

      Gab er nur vor, in sie total verknallt zu sein, damit sie sich ihm hingab?

      Dachte er nicht an die Verantwortung, die er seinen beiden Buben gegenüber hatte?

      Würde nicht seine Ehe zerbrechen, wenn Sabine hinter diese Affäre mit ihr käme?

      Hatte sie überhaupt ein Recht darauf, mit Horst zu schlafen?

      Benjamin