Jo Caminos

Tempus Z


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      „Was ist mit eurem Internetanschluss? Ich würde doch gerne nachsehen, ob da irgendwelche Mails gekommen sind,“ fragte Peter, als Charlotte schon auf der Treppe war, die in den Keller führte. Als sie bei Harold und Justin waren, hatten sie vollkommen vergessen, danach zu fragen. Sie hatten sich nur schnell auf den Weg machen wollen. Sonja - tot, erschossen, weil sie zu einer Untoten geworden wäre. Dazu eine Welt, in der die Untoten sich auf dem Vormarsch befanden ... Zu viel war in zu kurzer Zeit über sie hereingebrochen. Aber vor allem: Die Welt, die sie einmal kannten, gab es nicht mehr.

      Charlotte winkte kurz ab. „Schauen wir nachher nach, holen wir uns zuerst die Waffen. Ich will so schnell wie möglich hier raus!“ Man konnte förmlich spüren, wie nervös sie war. Sie musste wirklich eine höllische Angst vor ihrem Mann haben.

      Peter nickte kurz, dann folgten Roland und er ihr über die Treppe nach unten. Kurz darauf standen sie in einer weiß gefliesten Toilette, deren linke Wand mit hellen Holzpaneelen versehen war. Charlotte drückte gegen ein Paneel, und eine gut kaschierte Tür öffnete sich lautlos.

      Ein versteckter Raum!, dachte Roland.

      „War als Panic Room gedacht“, kommentierte Charlotte lakonisch, die die erstaunten Blicke ihrer Freunde registriert hatte. „Aber mangels Masse haben wir ihn niemals fertiggestellt. Das Sicherheitsschloss und die autarke Sauerstoffversorgung hätten ein kleines Vermögen gekostet. Aber für Sam hat der Raum schließlich ja doch seinen Zweck erfüllt. So konnte er sich sein kleines geheimes Waffenlager anlegen ... Und ...“ Sie hatte das Licht angeschaltet und stutzte.

      „Und wo sind jetzt die Waffen?“, fragte Peter ironisch. Ihm war klar, dass hier schon jemand gewesen war. Vielleicht war Sam bei Ausbruch der Katastrophe zurückgekehrt, um sich für das, was kommen mochte, zu wappnen. Oder jemand hatte eingebrochen, der von dem Waffenarsenal wusste - oder war durch Zufall darauf gestoßen ...

      Die Waffenhalterungen an den Wänden waren leer, gleiches galt für die beiden Schränke an der Wand. Auf dem kleinen Tisch an der linken Wand lagen einige leere Munitionsschachteln.

      Charlotte schluckte. Der Dreckskerl hat die Fliege gemacht! Sie meinte Sam, der bereits einige Verfahren wegen unerlaubten Entfernens von der Truppe und Alkoholmissbrauch über sich hatte ergehen lassen müssen. Trotzdem hatten sie ihn nicht rausgeschmissen. Nun denn, das Militär war wohl auch nicht mehr das, was es einmal war - in einer anderen Zeit, in einer besseren ...?

      „Und jetzt?“, durchbrach Roland die eingetretene Stille.

      „Und jetzt besorgen wir uns etwas, mit dem wir auch umgehen können“, entgegnete Charlotte mit einem schmalen Grinsen auf den Lippen. „Kommt mit! Wir haben einen Werkzeugraum, da liegt genügend Zeugs herum, mit dem man den Untoten den Garaus machen kann.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief die Treppe zurück, dann durch einen Quergang, der vor einer Stahltür endete, die in einen Raum mit niedriger Decke führte.

      „Okay, hier haben wir Hämmer und einige Äxte“, murmelte Charlotte vor sich hin. Sie ließ den Blick über die Werkzeugwand schweifen, dann hin zu den Schränken. „Und die nehmen wir auch mit“, sagte sie.

      Roland und Peter warfen sich skeptische Blicke zu. „Kannst du mit einer Kettensäge umgehen?“, fragte Peter.

      „Oh ja“, erwiderte Charlotte grinsend. „Das kann ich, und auch mit der Axt. Was glaubt ihr, wie oft ich mir in meiner Fantasie vorgestellt habe, meinen lieben Sam mit der Kettensäge zu bearbeiten? Oder mit der Axt ... Oder mit beidem ...“

      Und das ist die Wahrheit und bestimmt kein Scherz!, dachte Roland etwas irritiert. Diese Ehe musste wirklich die Hölle gewesen sein.

      „Ihr haltet mich für etwas durchgeknallt, ich weiß“, merkte Charlotte an, als Roland und Peter sich an die Arbeit machten, das für sie passende Werkzeug auszuwählen. Keiner der beiden erwiderte etwas darauf. Schweigend nahmen sie einige Äxte, mehrere Messer und Skalpelle und auch einige Hämmer und legten sie vor sich auf den Werkzeugtisch.

      „Irgendetwas, womit wir das Zeug transportieren können?“, fragte Peter.

      „Bin schon dabei“, hörte er Charlotte sagen, die zwei große, mit Schaumstoff gepolsterte Werkzeugkoffer aus einem Regal zog und auf dem Boden abstellte.

      Nach einigen Minuten waren sie fertig. Das Zeug musste nur noch in den Camper geschafft werden. Roland und Peter nahmen jeweils einen Koffer und wollten sich auf den Weg machen. Charlotte zögerte kurz.

      „Ich schaue noch kurz oben im Bad vorbei. Es müssten noch Antibiotika, Schmerzmittel und sonst was da sein, das man irgendwann brauchen kann. Wer weiß, wozu es gut ist. Ich befürchte, die Drugstores haben geschlossen ...“ Es sollte ein Scherz sein, doch keiner lachte. „Bringt ihr schon mal die Koffer ins Auto. Ach so, hinten in der Garage sind noch zwei große Kanister mit Benzin. Die nehmen wir auch mit. Am besten füllt ihr jetzt schon den Tank auf. Und danach schauen wir nach, ob der Computer noch online ist, okay? „

      Roland und Peter nickten und machten sich auf den Weg.

      Charlotte sah ihnen schweigend nach. Ein seltsames Gefühl hatte sie erfasst, es war fast so, als würde ihr das Grauen erst jetzt zur Gänze bewusst. All die Toten, der Leichengeruch - und vor allem: das allgegenwärtige Stöhnen und Raunen in der Ferne. Egal, wie schwach es war. Die Geräuschkulisse war da.

      Sie schüttelte die düsteren Gedanken ab, verließ den Werkzeugraum und lief die Treppe zum ersten Stock hoch, blieb dann aber auf dem Treppenabsatz stehen und lauschte. Ihr war, als hätte sie etwas gehört. War da etwas gewesen?

      „Hallo!“ Ihre Stimme klang ihr fremd, und irgendwie kam sie sich dämlich vor; wie ein kleines Kind, das um die nächste Ecke den Schwarzen Mann erwartet.

      Die Vormittagssonne fiel durch die Scheiben am Ende des Flurs und erschuf zwei Lichtbahnen, in denen Staubpartikel zu tanzen schienen.

      Da war es wieder! Kam das aus dem Schlafzimmer? Charlotte schlug das Herz bis zum Hals. War Sam etwa doch im Haus? Oder sonst jemand? Einbrecher ...?

      Sie zögerte und lauschte. Das Blut pochte wie wild in ihren Schläfen. Nur keinen Herzkasper kriegen!, machte sie sich selber Mut. Sam war auf der Air Force Base. Er musste einfach dort sein! Sie war wie gelähmt, sah die Treppe runter, den Flur entlang, horchte, lauschte. Nichts.

      Geh einfach ins Bad! Schnapp dir die Medikamente und hau dann ab!, schrie es in ihr. Natürlich blieb sie stehen. Ihr Hals war trocken. Sie musste wissen, ob da jemand im Schlafzimmer war. Ob er da war ... Sam. Sie hatte nichts, mit dem sie sich hätte wehren können. Die Kettensäge war mittlerweile im Auto, gleiches galt für den Rest des Werkzeugs. Sollte sie noch einmal nach unten gehen und eine der übrig gebliebenen Äxte holen? Mit der kleinen Axt konnte sie gut umgehen. Mehr als einmal hatte sie früher beim Campen damit herumhantiert.

      Endlich löste sie sich aus der Erstarrung und bewegte sich lautlos auf die Schlafzimmertür zu. Sie ging in die Hocke und wollte durch das Schlüsselloch sehen, doch der Schlüssel steckte von innen. Sie richtete sich wieder auf und legte den Kopf an die Tür. Da war etwas! War das ein Atmen? Was, wenn ein Zombie da drin war. Lauf weg! Lauf einfach weg!, schrie es in ihr. Sie blieb stehen und registrierte, wie sich ihre Hand auf die Türklinke legte. Sie konnte nicht anders. Sie musste wissen, wer da drin war. Sie drückte die Klinke nach unten und schob die Tür ganz vorsichtig etwas nach innen. Der Raum lag im Halbdunkel. Die Rollos waren fast ganz unten. Sie spähte durch den schmalen Spalt und sah zum Bett. Da lag jemand. Oder waren es nur die Kissen? Sie gab sich einen Ruck und öffnete die Tür leise gerade so weit, dass genügend Licht in den Raum fiel, damit sie besser sehen konnte.

      Snoopy! Sie hätte beinahe laut gelacht. Es war ihr alter Plüsch-Snoopy, den sie immer dann auf ihrem Bett platzierte, wenn Sam nicht da war. Snoopy, den er so sehr hasste. Sam hatte ihn finden sollen, wenn er aus dem Manöver zurückgekehrt war. Er wäre ausgerastet. Dann hätte er sie gesucht, um sie zu schlagen. Doch sie wäre schon längst weg gewesen. Und Sam hätte getobt.

      Charlotte schüttelte