Jo Caminos

Tempus Z


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fester Stimme. „Ich will zurück nach Deutschland. Er dachte an seine Kinder, die ihn hassten und die er trotzdem liebte. Und auch an Sibylle, seine Exfrau, der er so weh getan hatte. Die Welt mochte den Bach runtergegangen sein, aber da war noch einiges zu klären. Was danach kam ... Unwichtig.

      Peter nickte bestätigend. Er sah zu Charlotte. „Und wenn Sam uns doch über den Weg läuft, wird er von mir eine Abreibung bekommen, die er für den Rest seines Lebens nicht vergessen wird. Nein, sag jetzt nichts! Ich habe den Kerl schon damals so eingeschätzt, wie du ihn uns jetzt beschrieben hast. Aber du hast früher ja immer beschwichtigt. Es wird alles gut, alles bestens, alles ist wunderbar.“

      „Also Whitehawk Air Force Base ...“ Charlotte schenkte ihren ehemaligen Kommilitonen einen nachdenklichen Blick. Sie hoffte inständig, dass sie Sam niemals wieder über den Weg laufen würde. Nicht nur für sich selbst, sondern vor allem für Peter, der ein lieber, gutherziger Kerl war und überhaupt nicht ahnen konnte, was Sam mit ihm anstellen würde, sollten die beiden wirklich aneinandergeraten.

      „Und ihr?“, wandte sich Roland an Harold und Justin. „Ihr wollt also wirklich hierbleiben, alleine? Oder wollt ihr mit uns kommen. Wir haben genügend Platz im Camper. Es muss ja nicht Whitehawk Air Force Base sein, aber wenn ihr wegwollt, sonst wo hin ...“

      Harold winkte ab. „Hier sind genügend Autos mit vollen Tanks, wenn wir wegwollten. Aber - nein. Wir bleiben hier. Aber ihr solltet Wasser und Nahrungsmittel ergänzen. Nach drei Wochen in den Wäldern dürfte euer Proviant ziemlich aufgebraucht sein, oder? Wir haben hier mehr als genug. Drüben bei Harleys Grocery sind die Regale noch voll, zumindest im Lager.“

      Roland sprang auf die Beine und reckte sich, sein rechter Fuß war eingeschlafen. „Machen wir uns auf den Weg und füllen zuvor die Vorräte etwas auf ...“

      „Charlotte“, meldete sich Harold noch einmal zu Wort, als sich auch die anderen erhoben.

      Sie sah ihn an. „Ja?“

      Er schien zu überlegen, wie er das, was er sagen wollte, vorbringen konnte, ohne allzu verletzend zu wirken.

      „Du musst aufpassen bei deinem Aussehen. Ich hätte dich fast für eine Untote gehalten. Es gibt Menschen, denen sitzt der Finger ziemlich locker am Abzug ...“

      Charlotte verzog etwas das Gesicht. „Ich weiß, bei mir ist wohl das Risiko größer, von irgendjemand erschossen zu werden oder ein Messer in den Schädel zu bekommen, als von einem Untoten gebissen zu werden. Keine Sorge, ich werde schon auf mich aufpassen ...“

       4. Kapitel

       Baxter´s Creek und ein Waffenschrank im Klo ...

      Die fünfzig Meilen bis Baxter´s Creek waren fast wie im Flug vergangen. Es war kurz vor Mittag, als sie sich über die Interstate von Osten her dem Stadtrand näherten. Es schien, dass mit jeder Meile, die sie der Stadt näher kamen, die Szenerie düsterer wurde.

      Autos und Trucks waren achtlos am Straßenrand abgestellt - oder mitten auf der Fahrbahn. Kreuz und quer. Einige Fahrzeuge standen in der falschen Richtung. Offensichtlich hatten die Fahrer mitten auf der Interstate gewendet, um von der Stadt wegzukommen. Doch es war zu spät gewesen. Hier mussten sich unglaubliche Szenen abgespielt haben. Leichenkadaver lagen auf der Fahrbahn. Abgetrennte Beine, hier einige Arme, dort ein Torso. Sogar Köpfe lagen herum, die noch immer vor sich hinzukauen schienen. Kurz darauf passierte der Camper einige Wagen, in denen Untote saßen. Opfer der Katastrophe, die von den Sicherheitsgurten an ihre Sitze gefesselt waren. In einem Wagen saß eine ganze Familie. Auf dem Rücksitz war ein Babyzombie zu sehen, der wild in seinem Sitz tobte. Charlotte hatte sich angewidert abgewendet.

      Wieder saß Roland am Steuer, der das Wohnmobil im Schritttempo vorsichtig an kreuz und quer stehenden Wagen und Lkws vorbei steuerte. Am Horizont war Rauch zu sehen, aus einem Hochhaus schlugen Flammen, doch es schien niemand mehr da zu sein, der sie löschen konnte. Da waren keine Feuerwehrsirenen zu hören, nichts. Nur ein seltsames Rumoren hing in der Luft, wie ein Stöhnen aus unendlich vielen Kehlen.

      Roland ließ das Wohnmobil ausrollen und hielt schließlich an. Er ließ genügend Abstand zu den umherstehenden Wagen. Kein Untoter sollte sie überraschen können.

      „Was hast du vor?“, fragte Charlotte.

      Er schenkte ihr einen schnellen Blick. „Wir fahren hier durch die Gegend, als wären wir auf einem Betriebsausflug.“ Er wies durch die Frontscheibe nach draußen. „Schaut euch das an! Überall sind lebende Tote. Und was machen wir? Kurven hier ohne Waffen herum und vertrauen auf unser Glück.“

      Charlotte legte ihm die Hand auf den Arm. „Deshalb will ich ja, dass wir bei mir zu Hause vorbeisehen. Sam hat Waffen!“

      „Schön und gut, aber keiner von uns hatte jemals eine Waffe in der Hand. Ich zumindest nicht“, stellte Peter trocken fest. „Durchladen, draufhalten und fertig ...! Ja, ich weiß, Hollywood zeigt ja, wie einfach das ist.“

      In der Ferne waren drei Gestalten zu sehen, die torkelnd über die gegenüberliegende Fahrbahn nach Osten wankten. Es schienen zwei Männer und eine Frau zu sein, oder das, was von ihnen übrig war. Die rechte Gesichtshälfte der Frau schien von einem Schuss regelrecht weggerissen worden zu sein. Einem der Männer fehlte ein Arm, bei dem anderen hingen die Gedärme heraus, über die er hin und wieder stolperte. Es hätte komisch wirken können, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre.

      Sich unbedingt ruhig verhalten!, hatten Harold und Justin gewarnt. Keine lauten Stimmen, keine schnellen Bewegungen.

      „Wir müssen hier von der Straße runter, ich denke, dass es zur City hin immer schwieriger wird, an den Autos vorbeizukommen. Es gibt am Bachelors Park eine Abzweigung, die führt uns zu einer Umgehungsstraße, auf der meistens weniger Verkehr ist“, sagte Charlotte ruhig. „Dann sind wir in fünfzehn bis zwanzig Minuten bei mir zu Hause.“

      Roland, der den Motor hatte laufen lassen, gab vorsichtig Gas. Das Wohnmobil rollte langsam an. Die drei Untoten auf der gegenüberliegenden Fahrbahn schienen sie nicht zu bemerken, dann jedoch änderten sie ihre Richtung und hielten auf den Camper zu.

      „Fahr einfach weiter“, sagte Charlotte.

      Roland warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. Die Bemerkung hättest du dir schenken können!, dachte er, sagte aber nichts. Charlotte musste immer das letzte Wort haben.

      Zehn Minuten später hatten sie die Abzweigung erreicht und befanden sich kurz darauf auf einer Umgehungsstraße, die im weiten Bogen zu den äußeren Neubauvierteln führte, wo sich auch das Haus von Charlotte und Sam befand. Das Ausmaß der Katastrophe war nicht mehr zu übersehen. Leichen oder Untote lagen auf den Bürgersteigen, auf der Straße, in Hauseingängen oder vor Geschäften. Nirgendwo waren Überlebende zu sehen. Fast schien es, als würde Baxter´s Creek nur noch von Untoten bewohnt. Eine Stadt der Untoten. In einer toten Welt? Wie viel Menschen gab es noch? Und, wo waren sie?

      „Was für Waffen hat Sam?“, fragte Roland, als sie das Haus von Charlotte erreicht und angehalten hatten.

      Charlotte verzog die Lippen. „Ein ganzes Arsenal. Natürlich durfte das keiner wissen, aber er und seine Kumpels waren an den Wochenenden oft in den Wäldern unterwegs, um zu jagen. Aber frag mich nicht, was sie gejagt haben.“

      Oder wen?, fügte sie noch in Gedanken hinzu, doch das sagte sie nicht laut.

      Sie sahen sich um, bevor sie den Camper verließen. Eine unheimliche Stille erfüllte den frühen Vormittag, nur durchbrochen durch ein seltsames Stöhnen und Raunen, das aus allen Richtungen zu kommen schien. Die Sonne brannte aus einem stahlblauen Himmel. Alles sah friedlich aus. Friedlich und ruhig, wenn da dieses Stöhnen aus der Ferne nicht gewesen wäre.

      Peter blickte zum Nachbarhaus, an dessen Fassade sich Efeu rankte. Ihm war, als hätte er etwas bemerkt. War da eine Bewegung hinter der Gardine? Er sah noch einmal hin, doch da war nichts. Er hatte sich wohl getäuscht. Lautlos bewegten sich