Nadja Christin

Natascha


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ich hielt das Glas vor mein Gesicht, es war bereits leer.

      »Komm, Süße«, seine Stimme wurde bittend, »ich lade dich auch zu einem Drink ein.«

      Ich hatte wirklich keine Lust dazu, aber ich kannte mich und Josh.

      Er würde mich irgendwie rumkriegen. Nur würde ich mich später wieder über mich selbst ärgern, weil er wieder die unausweichlichen Fragen stellte. Weil er die Wörter aussprach, die ich auf keinen Fall hören wollte. Er würde mich Dinge fragen, über die ich lieber schweigen mochte.

      »Wir werden auch nicht alleine sein«, setzte er hinzu und seufzte leise.

      Da sah die Sache schon anders aus, mit einem Zuhörer, würde ich um seine quälenden Worte und Fragen vielleicht herumkommen.

      »Wer denn?«, fragte ich neugierig geworden.

      »Das wirst du schon sehen«, meinte er knapp, »kommst du?«

      »Ja. Gib mir noch zwanzig Minuten, okay?«

      »Ich freue mich, bis dann, meine Süße«, er legte auf.

      Ich trank den Rest von meinem warmen Blut und spülte das Glas anschließend heiß aus.

      Dann schnappte ich mir meinen Bandit Helm und ging im gemächlichen Tempo in meine Tiefgarage.

      Mein heißgeliebter 66er Mustang stand immer noch in einer Werkstatt und wurde hingebungsvoll neu aufgebaut. Nachdem er im letzten Sommer einen wahren Todeskuss mit einer Fichte mitmachte, und ein wütendes Monster in ihm tobte, wurde er fast für tot erklärt. Aber der Mechaniker in der Werkstatt hatte ein Herz für mich und meinen roten Flitzer. Er hatte versprochen ihn mir zu reparieren, wenn ich nur genug Zeit hatte.

      Da Zeit bei meinem Lebenswandel mehr als genug vorhanden war, hatte ich natürlich zugesagt.

      Zumal er mir als Übergangsfahrzeug ein Motorrad lieh. Motorradfahren, war noch besser als Autofahren, selbst wenn es so ein klasse Wagen wie mein 66er Mustang war.

      Aber das Motorrad konnte sich auch sehen lassen und ich war damit schneller unterwegs, als mit meinem Roten.

      Da stand sie, auf meinem alten Parkplatz mit der Nummer 666. Eine Honda Fireblade CBR 1000 RR, ein Superbike mit einhundert zweiundsiebzig Pferdchen. Der schwarz-rote Lack glänzte, blitzte und alles an der Kiste schien zu röhren und zu brummen: Fahr mich, schwing dich drauf und rase mit mir durch die dunklen Straßen. Los, fahr mich.

      Ich musste ein bisschen grinsen und zog mir den Helm an. Als ich die Honda startete, war es so als erwacht unter mir ein Monster. Aber kein Monster, das tötete, ein Monster das schnell sein wollte, eines das sich bewegen wollte.

      Ein gutes Monster.

      Ich fuhr aus der Garage und in Richtung Innenstadt zu Joshs Buchladen.

      Ich parkte mein Motorrad genau vor seiner großen Fensterfront und ging hinein. Das zarte Glöckchen ertönte, dieses Glöckchen, das überhaupt nicht zu diesem Hexenladen passte. Weder zu der Einrichtung, noch zu den vielen tausend Dingen, die man hier erstehen konnte. Und ganz bestimmt nicht zu dem Vampir hinter dem Tresen, der, wie immer, auf seine Ellenbogen gestützt, mich munter anlächelte.

      Er kam hinter seiner Verkaufstheke hervor und umarmte mich.

      »Hi, meine Süße, wie geht es dir?« Er hielt mich auf Armeslänge fest und blickte mir fragend in die Augen.

      »Gut, alles in Ordnung.«, sagte ich lahm.

      Jede Begegnung von uns begann so. Auch wusste ich schon genau, wie sie weiterging.

      Er zog mich abermals an seine Brust und atmete ein paar Mal tief ein. Er füllte seine Nase, seine Lungen mit meinem Duft.

      »Mhm. Du riechst wieder so gut, meine Süße. Einfach zu gut.« Er seufzte tief und es hörte sich sehr alt an.

      Normalerweise müsste ich wie jeder Vampir auch riechen, nach altem Papier, nach Staub, pergamentartig. Aber es war nicht so, ich roch eher nach Frühling, nach Butterblumen und Sonnenschein. Schon immer, und es änderte sich nicht. Ich wusste auch nicht, warum das so war, es interessierte mich aber auch nicht.

      »Magst du was trinken?«, er lächelte mich mit leuchtenden Augen an.

      »Ja, gerne. Was gibt’s denn? Was Blondes?«, ich grinste.

      »Nein, wo soll ich die auf die Schnelle denn herbekommen? Aber«, er sah mich mit einem seltsamen Blick an, »gleich kommt noch eine Blondine, wenn ich es mir recht überlege. Die wird dir aber nicht schmecken.«

      Ich sah Josh mit zusammengekniffenen Augen an und überlegte. Dass sie mir nicht schmecken sollte, konnte nur heißen, dass sie ein Vampir war.

      Aber wer würde hier zu Josh kommen? Er hatte zwar enorm viele Bekannte und auch ein paar wirkliche Freunde, aber ihn besuchte eigentlich niemand von denen hier in seinem Hexenladen. Meistens traf er sich mit ihnen im Desmodus, unserer Stammkneipe, oder er ging zu ihnen. Noch nie hatte ich einen anderen Vampir hier bei Josh getroffen.

      Er reichte mir ein Glas mit lauwarmem Blut.

      »Jeanie wird noch vorbeikommen«, sagte er leise.

      Jeanie, ausgerechnet. Meine Hand, die das Glas hielt, war kurz in seiner Bewegung eingefroren.

      Ich stellte es geräuschvoll auf die Theke und blickte vor mich hin. Wirklich, wie konnte er nur. Er wusste doch, dass sie für die Obrigkeit arbeitete, und das die nicht gerade gut auf mich zu sprechen waren seit … seit den Ereignissen im letzten Sommer.

      Immerhin hatte ich den Chef unseres Clans in das Reich der ewigen Verdammnis geschickt. Seit dem war auch der hohe Rat hinter mir her, er jagte mich zwar nicht direkt, aber wenn ich zufällig in seine Nähe geraten würde, wäre es wohl aus mit mir.

      »Was soll das, Josh?«, ich war verärgert, wie konnte er mich nur so ausliefern.

      »Keine Sorge, Natascha. Jeanie ist auf unserer Seite, sie ist nicht offiziell hier, nicht als Spionin, sie ist als Freundin hier. Wirklich, entspann dich.«

      Als Freundin, dachte ich verächtlich, lieber wollte ich eine Spinne küssen, als die Freundin von Pestbeule Jeanie zu sein.

      Ich holte gerade Luft, um Josh meine Verärgerung entgegen zuschleudern, da ging plötzlich die Tür auf.

      Ich drehte mich um und da stand sie vor mir. Viel größer als ich, schier endlose Beine, lange blonde Haare, ein engelsgleiches perfekt modelliertes Gesicht, mit wasserhellen, blauen Augen, die mich freundlich anblickten.

      »Hallo«, sie lächelte zögernd und streckte mir ihre Hand entgegen.

      Ein Friedensangebot?

      Ich blickte auf die ausgestreckte Hand und widerstand dem plötzlich auftretenden Wunsch ihr einfach darauf zu spucken.

      Stattdessen ergriff ich ihre Hand und schüttelte sie kurz.

      »Hallo Jeanie«. Meine Stimme war kratzig und ich hörte selbst die unterdrückte Wut darin.

      Als ich Jeanie losließ, ergriff ich schnell mein Glas, damit ich nicht in Versuchung kam, meine Hand an meiner Hose abzuwischen, schließlich hatte ich gerade etwas Ekeliges angefasst.

      Josh kam um die Theke herum und begrüßte sie, er umarmte sie und küsste Jeanie auf beide Wangen.

      Dann drückte er ihr ein Glas mit frisch gewärmtem Blut in die Hand.

      »Kommt, wir setzen uns nach draußen, es ist noch schön.«

      Josh ging vor, durch seine Hintertür, in den Hof. Hier hatte er einen Tisch mit ein paar Stühlen hingestellt. Es brannte eine Kerze, die alles in ein seltsames, flackerndes Licht tauchte. Ich war froh, aus dem hellen Licht zu kommen, hinein in die Dunkelheit, dort fühlte ich mich sicherer.

      Es war warm draußen, eine richtig schöne Nacht. Ich schloss meine Augen und atmete die Nachtluft ein. Außer dem Vampirgeruch stiegen mir auch noch andere Gerüche in die Nase. Bessere,