Nadja Christin

Natascha


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Da hatte aber jemand reichen Besuch hier im Haus, dachte ich noch und flitzte die Treppen hoch, bis in das oberste Stockwerk. Weiter grübelnd schloss ich meine Wohnungstür auf.

      Mein kleines Appartement war leer und einsam.

      Jedenfalls sollte es so sein, aber kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, da spürte ich eine große Hand auf meinem Mund und ein kalter, harter Körper presste sich an meinen und mich gegen die Tür.

      Ein Vampir, eine Lidschlaglänge befürchtete ich, Justin wäre zurückgekommen, beinahe wünschte ich es mir. Mein Helm fiel mir aus der Hand und prallte auf den Boden.

      »Ruhe!«, herrschte mich der Vampir an, seine Stimme war leise, zischend und klang gefährlich.

      Ich blickte hoch, er war groß, über einen Kopf größer, als ich. Da er mich immer noch gegen die Tür presste, konnte ich mich nicht rühren und ihm auch nicht in das Gesicht sehen. Im Stillen wunderte ich mich, warum ich ihn nicht schon im Treppenhaus roch, ich musste wohl in meine Gedanken so vertieft gewesen sein, dass für meine Instinkte kein Raum mehr war.

      Allerdings stellte ich gerade fest, dass er eigentlich nicht roch, er verströmte keinen Geruch. Weder diesen pergamentartigen, oder sonst irgendeinen, er roch nach Nichts. Ich konnte noch nicht einmal sagen, er roch nach Luft, denn selbst Luft hat immer einen Geruch.

      Ich war total irritiert, war das hier wieder ein Traum? Ich verspürte den Drang mich zu kneifen, oder ihn.

      Er löste seine Hand von meinem Mund und beugte den Kopf zu mir herunter.

      »Kein Wort jetzt«, seine Augen blitzten leicht in der Dunkelheit.

      Es klingelte plötzlich, ich zuckte kurz zusammen. Der Vampir warf einen Blick durch den Türspion, das helle Licht aus dem Treppenhaus fiel auf sein Auge und es wirkte so, als wenn er mit einem Scheinwerfer geblendet würde. Er beugte sich wieder zu meinem Ohr.

      »Das ist ein Mensch. Dein Nachbar? Was will er hier?«

      Mir rieselte ein Schauer über den Rücken, mit jedem seiner, wie abgehackt gesprochenen Sätze, hatte er mir seinen kalten Atem ins Ohr gepustet. Das hatte schon lange keiner mehr bei mir gemacht.

      Ich riss mich zusammen und versuchte mich zu drehen, um ebenfalls durch den Spion zu blicken. Der Unbekannte presste mich aber immer noch gegen die Tür, so fiel es mir sehr schwer, mich umzudrehen. Ich warf einen Blick auf den Menschen vor meiner Tür, in diesem Moment klingelte er erneut. Ich kannte ihn nicht, aber sein Geruch, der jetzt zu mir durch die Tür drang, war mir schon mal aufgefallen. Es war tatsächlich mein Nachbar, er wohnte unter mir.

      Nachdem Ralph verschwand, wurde die Wohnung neu vermietet, an ihn. Ich wusste seinen Namen nicht, er hatte mich bis jetzt auch nicht interessiert. Ich wilderte nicht in meinem eigenen Revier, das wäre nicht gut.

      Der geruchlose Kerl presste sich jetzt an meinen Rücken, was sollte das nur, gleich lagen wir beide mitsamt der Wohnungstür im Treppenhaus und hatten das Menschlein davor wahrscheinlich zu Mus zerquetscht.

      Ich boxte kurz mit meinen Ellenbogen nach hinten. Es war ein Gefühl, als habe ich einen Stein schlagen wollen.

      »Lass mir ein bisschen Platz«, zischte ich leise. Er rückte wirklich von mir ab, wenn auch nur wenige Zentimeter. Ich drehte mich wieder um, schon presste er mich erneut gegen die Tür. Ich sagte dazu nichts.

      Wir lauschten, der Kerl vor der Tür murmelte etwas und schien dann zu verschwinden. Erneut blickte der Unbekannte durch den Türspion und projizierte den Scheinwerfer auf sein Auge, dann ging im Treppenhaus das Licht aus und der Scheinwerfer war weg.

      Vollkommene Dunkelheit hüllte uns ein. Wenn ich nicht seinen harten Körper an mir spürte, wüsste ich nicht, dass er da wäre. Er roch wirklich nach Nichts, ich war immer noch ganz verwundert über diese Tatsache.

      Jetzt hörte ich ihn atmen, das hatte er eben nicht gemacht, da war ich mir ganz sicher. Außer, als er mit mir gesprochen hatte.

      Auch konnte ich ihn in der Dunkelheit jetzt besser erkennen.

      Er war groß, wirklich riesig kam er mir vor. Er war ein kleines Stück von mir abgerückt und ich konnte ihm ins Gesicht sehen, nett sah er aus, braunes Haar, sehr kurz geschnitten, ein hübsches Gesicht, edel, wie ein Adeliger wirkte er. Dann der schwarze Anzug, kein Teil von der Stange, eine Maßanfertigung, mochte ich wetten.

      Aber die Augen, die waren das Beste, wie funkelnde Sterne.

      In den Pupillen brannte ein Feuer, kurz fühlte ich mich an meine Träume erinnert, die Iris war von brauner Farbe, aber einer sich bewegenden Farbe. Außen um die Iris war ein feiner, roter Ring, er wirkte wie eine Begrenzung, damit die sich bewegende Augenfarbe nicht wie Lava über den Rand floss. Ich war fasziniert, von diesen Augen, so etwas hatte ich noch nie gesehen.

      Ich konnte nicht anders, hob meine Hand und kniff ihn kräftig in den Oberarm. Sofort schoben sich seine Augenbrauen düster zusammen, der Ring in den Augen wurde kurz breiter, das Feuer der Pupillen loderte auf.

      Wow, dachte ich, das war aber ein Schauspiel.

      »Was sollte das?«, fragte er mich und sah wirklich wütend aus.

      »Ich wollte nur sehen, ob du auch echt bist. Oder nur einer meiner Träume.«

      »Du bist ein Vampir, du kannst nicht träumen, oder hast du das noch nicht mitbekommen?«, er hörte sich ein bisschen amüsiert an.

      »Doch natürlich«, wofür hielt er mich, »ich meine ja auch nicht solche Träume … ich … ach vergiss es. Wer bist du eigentlich und was hast du in meiner Wohnung zu suchen?«

      »Alles zu seiner Zeit. Komm mit!« Er ging durch meinen Flur ins Wohnzimmer, hier drehte er das Licht an. Ich folgte ihm.

      Er setzte sich wie selbstverständlich auf mein Sofa, vor ihm stand ein Glas mit einer meiner Blutkonserven, wie lange war er eigentlich schon hier?

      »Ist hier neuerdings ein Selbstbedienungsladen?«, ich war ein wenig empört.

      »Entschuldige, ich verspürte ein wenig Durst, auch wusste ich nicht, wann du gedenkst wieder nach Hause zu kommen. So habe ich mich selber bedient.« Er hob sein Glas an.

      »Kann ich dir auch schnell etwas zubereiten?«

      Ich winkte ab. »Nein, danke«, und setzte mich in den Sessel, ihm gegenüber. Er grinste nur selbstgefällig und nippte an seinem Drink.

      »Ist jetzt die richtige Zeit?«, fragte ich gereizt, »wer zum Teufel bist du und was willst du hier?«

      »Ich bin Ansgar. Ich bin ein Abgesandter des hohen Rates. Und ich will … dich.« Seine Augen wurden etwas größer, das Feuer loderte kurz auf, dann war alles wieder wie vorher.

      Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich, töten wollte er mich aber bestimmt nicht, das hätte er eben schon machen können, also um was ging es hier genau? Laut fragte ich:

      »Kannst du mir das mal näher erklären? Eh, wie war dein Name? Ansgar? Den hab ich ja noch nie gehört, was bedeutet der denn?«

      Er verdrehte die Augen zur Decke. »Er bedeutet Speer Gottes und du weißt genau, wozu ich hier bin.« Er presste die Lippen zusammen und sah jetzt wirklich wütend aus.

      Speer Gottes? Ich versuchte, meine eingerosteten Lateinkenntnisse hervor zu kramen. Heißt ger nicht Speer? Was bedeutet denn dann die Silbe gar? Er unterbrach meine Gedanken.

      »Vor einiger Zeit sind ein paar Dinge geschehen, die auch den frühzeitigen Tod eines Vampirs nach sich zogen. Für die Vernichtung von Frank bist du wohl verantwortlich. Aber es ist ja nicht nur das, du hast ein fremdes Halbblut einfach so verwandelt und dein leiblicher Sohn ist zu einem Monster mutiert, der unaufhaltsam durch die Stadt zieht und wahllos Morde begeht.« Er sah mich streng an, »was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«

      Ich schluckte kurz, dann erzählte ich ihm die ganzen Vorkommnisse des letzten Sommers, ließ kaum etwas aus. Nur die mehr als seltsamen Gefühle zwischen Justin und mir ließ ich weg. Das war eine persönliche